Magenneurosen

[71] Magenneurosen, Störungen der Magentätigkeit, die nicht auf nachweisbaren anatomischen Veränderungen der Magenwand beruhen, sondern durch Störungen der auf den Magen einwirkenden nervösen Vorgänge zustande kommen. Sie sind häufiger als jede andre Magenkrankheit. Oft sind sie Teilerscheinungen allgemeiner Neurosen (Neurasthenie, Hysterie) und organischer Hirn- und Rückenmarkserkrankungen (Tabes). Je nachdem die Störung vorwiegend die sensibeln, motorischen oder sekretorischen Nerven betrifft, unterscheidet man verschiedene Gruppen von M. Über die sensibeln Neurosen s. Magenkrampf; außerdem kommen nervöse Störungen den Magen betreffender Gemeingefühle, des Hungers und des Sättigungsgefühls, vor. Man unterscheidet Anorexie (verminderte Eßlust), Bulimie (Heißhunger), Akorie (Verlust des Sättigungsgefühls). Von motorischen Störungen sind zu erwähnen: das nervöse Erbrechen, das sowohl vom Magen als von andern Organen aus ausgelöst werden kann. Die peristaltische Unruhe des Magens besteht in langdauernden, abnorm lebhaften Bewegungen des Magens, bei der Hypermotilität entleert sich der Magen abnorm rasch. Dasselbe kann durch nervöse Schlußunfähigkeit des Pförtners zustande kommen. Bei dem Meryzismus (Rumination, Wiederkäuen) tritt nach dem Essen ein Teil des Mageninhalts ohne Übelkeitsgefühl in den Mund zurück, um entweder ausgespieen oder wieder hinuntergeschluckt zu werden. Kardiospasmus nennt man krampfhafte Zusammenziehung des Mageneingangs, wodurch das Schlucken erschwert wird. Sekretorische M. betreffen den Salzsäuregehalt und die Menge des Magensaftes. Bei der Hyperazidität (Hyperchlorhydrie), die auch als Begleiterscheinung organischer Magenleiden, besonders des Magengeschwürs, vorkommt, findet sich starke Vermehrung des Salzsäuregehalts des Magensaftes, daneben Magenschmerz und saures Aufstoßen. Zu geringe Säuremenge findet man bei der Hypochlorhydrie oder Subazidität. Hypersekretion (Magensaftfluß, Gastroxie, Gastroxynsis) besteht, wenn ohne den Reiz eingeführter Nahrung dauernd Magensaft abgesondert wird. Eine Mischung von sensibeln Störungen mit solchen der Sekretion, auch wohl der Magenbewegung stellt das Krankheitsbild der nervösen Dyspepsie dar, eine äußerst verbreitete Krankheit meist jüngerer nervöser Individuen. Die Behandlung der M. richtet sich gegen die nervöse Grundlage, wobei sorgfältiges Individualisieren wichtig ist; im übrigen sind namentlich diätetische Maßnahmen erforderlich.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 71.
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