[626] Mercerisieren, ein von Mercer 1844 angegebenes Verfahren, Baumwolle durch Behandeln mit Natronlauge leichter färbbar zu machen. Die Baumwollfaser wird beim Eintauchen in Natronlauge von 30° B. bei 20° in etwa 5 Minuten kurzer, dicker, fester (um 68 Proz.) und runzelig, wobei sie um etwa 29 Proz. schrumpft und derart aufquillt, daß ihr innerer Hohlraum verschwindet. Die mercerisierte Baumwolle besteht aus Natronzellulose C12H20O10. 2NaOH, nach dem Waschen aber aus C12H20O10.H2O, wobei das Gewicht, entsprechend der Aufnahme von Wasser, um 4,55,5 Proz. vom ursprünglichen Gewicht zugenommen hat. Wird die Baumwolle beim. M. gespannt, so daß keine Verkürzung eintritt, so erhält sie seidenartigen Glanz. Durch diese letztere Beobachtung hat das Verfahren große Bedeutung gewonnen. Man unterwirft dem M. Garn oder Gewebe, das aus langstapeliger Baumwolle erzeugt werden muß, weil kurze sich der Streckung entzieht. Man benutzt dazu einen Streckapparat aus zehn parallelen Doppelarmpaaren zur Aufnahme einer großen Zahl von Strähnen und senkt ihn unter gehöriger Spannung zwischen den Armen in die Lauge, dann in kaltes und endlich in warmes Wasser (Haubold); oder man umgibt einen Ständer mit zwei Armkreuzen zum Aufstecken und Spannen (Schneider) und verfährt damit ebenso. Der viel verwendete Apparat von Kleinewefer besteht aus zwei an den Enden einer wagerechten drehenden Welle befestigten Haspeln zur Aufnahme der Garnsträhne, mit einem im Innern der Haspeln angebrachten Spritzrohr, durch das erst Lauge, dann Wasser eingespritzt und infolge der Zentrifugalwirkung sehr gleichmäßig verteilt wird. Nach dem Ausspülen trocknet man das Garn auf Zentrifugen und in Trockenkammern. Bei einer andern Ausführung liegen sechs Armpaare kreisförmig um eine wagerechte Welle, die auf dem Rand eines Troges gelagert ist und durch periodische Drehung die auf die Arme geschobenen Garnsträhne erst durch die Lauge und nach dem M. und Ablassen der Lauge durch Spülwasser zieht. Beim Eintauchen in die Lauge werden die Arme vermittelst einer besondern Vorrichtung zum Zwecke des Spannens gespreizt (Cohnen). Gewebe läßt man, von Walzen angezogen,[626] durch einen Laugebottich laufen, zwischen Walzen auspressen, dann auf einer Spannmaschine strecken und führt sie endlich durch einen langen Spülbottich zum Aufwickelapparat. Das Wesentliche der Spannmaschine besteht in einem Spannrahmen, durch den das Gewebe auf dem Wege zum Aufwickelapparat einen angemessenen Widerstand erleidet. Bei gut durchgeführtem Prozeß gewinnt das Gewebe einen solchen Glanz, daß es als eine Imitation von Chappeseide gewürdigt wird. Bedruckt man baumwollene Gewebe an einzelnen Stellen mit verdickter Natronlauge, so erreicht man ein eigenartiges Hervortreten der nichtbedruckten Teile in wulstigen Erhöhungen auf dem glatten Gewebe (Kreponartikel). Je stärkere Natronlauge angewendet wird, um so stärker fällt die Kräuselung aus. Man kann auch das Gewebe mit Gummi, Albumin und andern Schutzmitteln bedrucken und es dann in Natronlauge tauchen, die nur auf die nicht geschützten Stellen einwirkt. Ebenso behandelt man Gewebe, deren Kette abwechselnd aus Baumwolle und Wolle oder Seide, und deren Einschuß nur aus Wolle oder Seide besteht, mit kalter Natronlauge, wäscht, entfernt die letzten Reste der Natronlauge in einem Säurebad und erhält je nach der größern oder kleinern Anzahl miteinander wechselnder Fäden verschiedenartige Effekte. Man kann der Baumwolle seidenartigen Glanz auch dadurch geben, daß man sie zwischen zwei sich drehenden polierten Walzen einem starken Druck aussetzt. Macht man von dichtem Seidenatlasgewebe galvanoplastisch einen Abdruck und legt die erhaltene Metallplatte um die eine der beiden Walzen, so nimmt das Gewebe täuschend ähnlichen Atlasglanz an. Mommer versieht die Stahlwalze selbst durch Einschneiden seiner Rillen (520 auf 1 mm) mit zahlreichen kleinen Flächen, die in verschiedenen winklig zueinander gestellten Ebenen liegen, und läßt das Gewebe unter einem Druck von 3050 Atmosphären durch die Walzen gehen, von denen die gravierte geheizt ist. Diese mechanischen Verfahren werden auch auf im gespannten Zustand mercerisierte Baumwolle mit Erfolg angewendet. Vgl. Gardner, Die Mercerisation der Baumwolle (Berl. 1898).