Kette [1]

[866] Kette, aus kurzen Gliedern zusammengesetztes, höchst gelenkiges Band aus Metall (selten aus Holz, Elfenbein etc.) zum Aufhängen und Ausziehen von Lasten (Kranketten, Uhrketten etc.), zur Fortpflanzung von Bewegungen bei Maschinen, als Verbindungsmittel, zum Messen (Meßketten) und zum Schmuck (vgl. Halsschmuck). Je nach der Form der Glieder unterscheidet man Ringketten (Schakenketten, Fig. 1), Stegketten (Fig. 2), Hakenketten (Vaucansonsche Ketten, Fig. 3), Gelenkketten (Gallesche Ketten, Laschenketten, Fig. 4 u. 5), Amerikanische oder Ewartsche oder Stotzsche Ketten (Fig. 6), Gemörschketten (Fig. 7) zum Anhängen von Schiffen, Flößen, zum Verankern von Schiffbrücken und fliegenden Brücken u. dgl. aus sogen. »Gemörschstangen« a von etwa 1,5 m Länge, die der Beweglichkeit halber mit einer kurzen eiförmigen Schake b verbunden werden. Die größern Ketten werden aus Schmiedeeisen oder Stahl durch Schmieden, und zwar sehr oft mit besondern Maschinen hergestellt, indem die Glieder, aus Rundeisen gebogen, ineinander gehängt und einzeln an den zusammenstoßenden Enden aneinander geschweißt werden. Ungeschweißte Ketten erzeugt man auf Walzen nach Klatte aus Kreuzeisen.

Ringkette.
Ringkette.
Stegkette.
Stegkette.
Hakenketten.
Hakenketten.
Gelenkketten.
Gelenkketten.
Fig. 6. Amerikanische Kette. 7. Gemörschkette. 8. Lockesche Stahlbandkette. 9. Stahlbolzenkette. 10. Stahldrahtkette. 11. Bandkette.
Fig. 6. Amerikanische Kette. 7. Gemörschkette. 8. Lockesche Stahlbandkette. 9. Stahlbolzenkette. 10. Stahldrahtkette. 11. Bandkette.

Bei den Stegketten schweißt man die vorgeschmiedeten Stege nachher ein. Die Gelenkketten erzeugt man aus einzelnen, auf Durchschnitten vorgearbeiteten Stäben (Lamellen), die an beiden Enden Löcher zur Aufnahme der Durchsteckbolzen erhalten, die durch Umnieten (Fig. 4) oder durch Vorsteckstifte festgehalten werden. Bei Hakenketten werden die Glieder nur aus Draht- oder Stangenstücken gebogen und so ineinander gehängt, wie Fig. 3 zeigt. Diese Ketten gestatten ein bequemes und schnelles Ein- und Aushaken. Hierher gehören die Lockeschen Stahlbandketten, deren Glieder (Fig. 8) aus Stahlblechplatten mit angebogenen Ösen bestehen, die ebenfalls ineinandergeschoben werden, wobei das Ösenstück a aus der Hälfte des ausgeschnittenen Stückes o, das andre Ösenstück b aus der ganzen Blechbreite gebildet wird. Die Amerikanischen Ketten (Fig. 6) bestehen aus viereckigen Weichgußgliedern a mit Haken c, die von der Seite her über die halbrunden Einsenkungen e ineinandergeschoben werden. Die zerlegbare Stahlbolzenkette (Fig. 9) wird aus U-förmigen Gliedern mit durchgesteckten Bolzen gebildet. Die Stahldrahtketten (Fig. 10) von Felten und Guillaume und von Schlieper und Nölle verbinden große Leichtigkeit mit großer Festigkeit. Vielfach fordert die Anwendung der Ketten einen Eingriff der Glieder mit Zähnen oder eigentümlichen Erhöhungen auf dem Umfang von Kettenrollen, z. B. bei Fahrrädern; kn solchen Fällen müssen die Glieder sehr genau passen (kalibrierte Ketten). Die schweren Schiffsketten heißen Kettentaue. Außerordentlich verschieden im Ansehen sind die geschlungenen Bandketten aus ausgestoßenen Blechstreifen. Sie beruhen sämtlich auf dem Prinzip, Blechplatten auf Durchschnitten mit Ausschnitten zu versehen, in der Mitte zusammenzubiegen und ineinander zu hängen (Fig. 11) und werden auf Maschinen erzeugt (vgl. Dinglers »Polytechnisches Journal«, 1898). Die in mannigfaltigen Formen vorkommenden kleinen Ringketten erzeugt man aus ineinander gehängten, aus Draht gebogenen Gliedern, die für bessere Ketten zusammengelötet werden. Zur fabrikmäßigen Herstellung solcher Glieder wickelt man Draht um eine runde oder beliebig geformte Stange zu einer Spirale und schneidet diese der Länge nach durch, wodurch die Windungen Ringe abgeben, die vollkommen gleich sind. – Manche Ketten werden zuletzt durch ein Zieheisen mit runden oder viereckigen Löchern gleich Draht gezogen. Von den goldenen Venezianerkettchen sind die feinsten von solcher Feinheit, daß 38 Glieder zusammen nur 1 cm Länge haben, und so leicht, daß 1 m nur 1,4 g wiegt. Schmuckketten aus Blech bestehen aus Blechringen, die mit Drahtringen aneinander gehängt sind. Die Kugelketten, Erbs- oder Perlketten bestehen aus hohlen Blechkugeln mit zwei Löchern und aus kurzen Drahtstiften, welch letztere, durch die Löcher zweier benachbarter Kugeln eintretend, innerhalb jeder Kugel ein Köpfchen haben; sie sind sehr fest, außerordentlich biegsam und verwirren sich nicht. Zur Herstellung der Kugelketten wird ein in gewissen Abständen mit je zwei benachbarten Wülsten versehenes Stäbchen in eine Röhre gesteckt und diese zwischen Stangen gebracht,[866] die auf die sich drehende Röhre so einwirken, daß Kugeln entstehen, die schließlich abbrechen, wie auch die Stäbchen an ihren dünnsten Stellen zwischen zwei benachbarten Wülsten (in den Kugeln) brechen. Dann enthält jede Kugel diametral entgegengesetzt die mit je einer Wulst versehenen Enden zweier Stäbchen, deren andre, ebenfalls gewulstete Enden in den benachbarten Kugeln sitzen. Eine besondere Art Zierketten wird nach dem Vorgange von Pratt (Prattsche Ketten) dadurch erzeugt, daß man aus Blech mit der Lochmaschine Glieder von verschiedener Form (länglich, kreuzförmig) ausstößt, die in der Mitte eine viereckige Öffnung haben und T-förmig enden, so daß die Figur Bild im Fließtext entsteht. Diese Plättchen werden sodann U-förmig gebogen und dadurch vereinigt, daß man die Enden des einen Gliedes als Haken in die Öffnung des andern steckt. – Die K. ist das Symbol der Gefangenschaft, der Sklaverei. – In der Weberei heißt die Kette (engl. warp) das in der Länge des Gewebes verlaufende System von Fäden (s. Gewebe, S. 777, und Weben).

Mit K. bezeichnet man auch eine Reihe gleicher Gegenstände, die als Ganzes betrachtet werden, so besonders von Bergen (Gebirgskette, s. Gebirge, S. 408); ferner mehrere gewöhnlich zusammenfliegende Vögel, z. B. Reb-, Auer-, Birk- und Haselhühner, Trappen etc. (s. Gesperr).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 866-867.
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