Nominalismus

[731] Nominalismus (neulat.), die philosophische Ansicht vom Wesen und von der Bedeutung der allgemeinen Begriffe, wonach diese bloß Produkte des abstrahierenden Denkens sind. Der Sache nach ging er bis auf die Kyniker und Stoiker zurück, der Name entstand erst zur Zeit der Scholastiker, als Johann Roscellinus (s. d.) mit der Behauptung hervortrat, daß die allgemeinen Begriffe (Universalien) nicht wirkliche Dinge, sondern lediglich Worte und Namen (nomina rerum oder flatus vocis) seien und nur das Einzelne wirklich existiere. Die Formel des N., der sich fälschlich auf Aristoteles berufen zu können glaubte, während der sogen. Realismus sich an Platon anlehnte, lautete: universalia post rem, die des Realismus, der die Lehre verfocht, die allgemeinen Begriffe seien selbst vor oder in den Dingen wirklich: universalia ante rem oder in re. Erstere ward, weil sie im Trinitätsdogma zum Tritheismus führte, samt ihrem Urheber 1092 zu Soissons verdammt. Doch erneuerte sich im 14. Jahrh. der Kampf zwischen Nominalisten und Realisten wieder, indem der Franziskaner Wilhelm von Occam (s. Occam), ein Schüler des Duns Scotus, den allgemeinen Begriffen nur eine subjektive Existenz beigelegt wissen wollte. Unter den spätern Vertretern des N. sind zu nennen: Johann Buridan (gest. nach 1358), Robert Holcot (gest. 1349) und Gabriel Biel (gest. 1495). Wie die Nominalisten von ihren Gegnern heftige Verfolgungen zu erdulden hatten, namentlich in Paris, so setzten auch sie im Streit öfters die Toleranz außer Augen, wie die Verdammung des Hus beweist. Indes gewann der N. nach und nach in Frankreich wie in Deutschland die Oberhand, und er war es, von dem der freiere, von der kirchlichen Theologie unabhängigern Geist ausging, welcher der Philosophie der folgenden Jahrhunderte den Weg bahnte. Vgl. Exner, Über N. und Realismus (Prag 1841); [731] Köhler, Realismus und N. in ihrem Einfluß auf die dogmatischen Systeme des Mittelalters (Gotha 1858); Löwe, Der Kampf zwischen dem Realismus und N. (Prag 1876).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 731-732.
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