Orinōko

[122] Orinōko, drittgrößter Strom Südamerikas (nach dem Amazonenstrom und Parana), ist 2400 km lang, sein Stromgebiet erreicht fast 1 Mill. qkm; seine noch von keinem Europäer gesehene Quelle liegt nach Chaffanjon (1887) unter 2°30´ nördl. Br., an dem 1000 m hohen Pik F. de Lesseps der Serra Parima an der Grenze zwischen Venezuela und Brasilien (s. Karte »Peru etc.«). Er fließt von da in nordwestlicher Richtung in weitem Wiesental 230 km an dem Cerro Duida (2475 m) vorüber bis zur Missionsstation Esmeralda und entsendet bei Buenaguardia den Cassiquiare (s. d.) zum Rio Negro. Diese durch Humboldt berühmt gewordene Bifurkation verbindet den O. mit dem Amazonenstrom, entzieht ihm aber den dritten Teil seines Wassers. Nun fließt der bereits bis 750 m breite Strom nach NW., nimmt den Ventuari auf, wendet sich plötzlich westwärts bis San Fernando de Atabapo an der Grenze gegen Kolumbien und nimmt hier die nördliche Richtung des ihm von S. zugehenden Atabapo an, während in der Verlängerung seines bisherigen westlichen Laufes das Stromgebiet des hier gleichfalls mündenden Guaviare (s. d.) liegt. In seinem nunmehrigen Lauf Grenzfluß zwischen Venezuela und Kolumbien, durchzieht der Strom ein dichtbewaldetes Gebiet, wobei ihm links der Vichada zugeht, bis zu zahlreich auftretenden, die Schiffahrt sperrenden, durch Granitklippen gebildeten Katarakten (Randales), deren berühmteste die von Maypures und Átures sind. Bis hierher rechnet man den Oberlauf. Hierauf folgt eine reiche Inselbildung bis zum Einfluß des von links kommenden, sehr bedeutenden Meta; er gehört nun Venezuela allein an. Nachdem er verschiedene echte Llanosströme (Capanaparo, Arauca) aufgenommen hat, vereinigt er sich mit dem ihm von W. zugehenden Apure (s. d.) und wendet sich oberhalb Caicara in scharfem Knie nach ONO. Hier empfängt er rechts den Enchivero, Caura, Aro, links den Apurito-Guárico und bleibt ein 2000–2600 m breiter, ruhig fließender Strom, bis er bei Ciudad Bolivar durch ein Granitriff auf eine kurze Strecke auf 850 m eingeengt wird. An dieser Enge (Angostura, dem alten Namen von Ciudad Bolivar) beginnt der Unterlauf und unterhalb Guayana vieja das 25,300 qkm große Delta, indem der Strom, zwischen zahllosen größern und kleinern, durch die Schlammabsätze des Flusses gebildeten Inseln sich hindurchdrängend, dem Atlantischen Ozean zueilt. Der Macareo-Arm dient dem Dampferverkehr. Die jährliche Überschwemmung des O. beginnt im April, erreicht im September ihre Höhe und endet mit dem Februar. Das Wasser tritt dabei stellenweise 190 km über die Ufer hinaus. Zwischen Ciudad Bolivar und Trinidad verkehren monatlich Dampfer, während der Hochwasserzeit laufen kleinere Dampfschiffe bis San Fernando de Apure. Der O. ist bis Atures gegen 1500 km weit schiffbar, auch oberhalb Maypures ist er wieder auf einer Strecke von 940 km und 230 km oberhalb Esmeralda bis zum Wasserfall von Guaharibos fahrbar. – Die Mündung des O. wurde 1499 von Alonso de Hojeda entdeckt, 1531 befuhr ihn Diego de Ordaz vom Meer 160 km aufwärts, Humboldt gelangte 1800 bis Esmeralda, Schomburgk 1839 noch 90 km weiter, Chaffanjon 1887 bis nahe an die Quelle. Vgl. Chaffanjon, L'Orénoque et le Caura (Par. 1889); Graf zu Erbach, Wandertage eines deutschen Touristen im Strom- und Küstengebiet des O. (Leipz. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 122.
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