Ostjaken

[228] Ostjaken, Volk in Sibirien, ugrisch-finnischen Ursprungs in den russisch-sibir. Gouv. Tobolsk und Tomsk, dessen Verbreitungskreis am untern Ob und Jenissei südlich fast bis nach Tobolsk und Tomsk, nördlich über den 65. Breitengrad, längs des Ob sogar über den 67. Breitengrad hinausreicht, aber (1880) nur[228] 22,560 Seelen (22,350 im Gouv. Tobolsk) zählt, Die O. (s. Tafel »Asiatische Völker I«, Fig. 6) sind mittelgroß, dunkelfarbig, das Haar ist pechschwarz. Hauptbekleidungsstück ist die Chaliza, ein sackartiger Pelz, der mit der Haarseite nach innen getragen wird. Über ihn ziehen sie im Winter einen bis an die Knie reichenden Pelz, Parka, mit der Haarseite nach außen. Ihre Wohnungen bestehen im N. aus einem mit Birkenrinde oder Fellen bedeckten Stangengerüst, im S. aus Balkengebäuden. Sie sind teils Renntiernomaden, teils Jäger (auf Pelztiere) und Fischer. Ihre Werkzeuge fertigen sie noch aus Knochen und Stein, Leinwand aus Brennesseln. Sie zerfallen in eine Menge Stämme, an deren Spitze ein Ältester (Starschina) steht. Getauft sind sie seit mehr als 100 Jahren; gleichwohl steht das Heidentum in vollster Blüte, ihre Götzenbilder werden in besondern Jurten aufbewahrt. Als die Kosaken Sibirien eroberten, konnten die O. ihnen förmliche Heere entgegenstellen und wohnten in regelmäßig angelegten Städten. Allein bei dem 1501 unternommenen Kriegszug zerstörten die Russen 41 dieser Plätze. Jetzt wohnen sie in elenden Dörfern, dem Trunk ergeben und an Zahl schnell abnehmend, da die Kindersterblichkeit sehr groß ist und Hungersnot das Volk oft heimsucht. Die Sprache der O. gehört zu der finnisch-ugrischen Gruppe des uralaltaischen Sprachstammes und zerfällt in einen nördlichen und einen südlichen Dialekt. Sie wurde behandelt von CastrénVersuch einer ostjakischen Sprachlehre«, 2. Aufl. von Schiefner, Petersb. 1858), Hunfalvy (»Die nordostjakische Sprache«, Budapest 1875, ungarisch), Ahlquist (»Über die Sprache der Nord-O.«, Helsingf. 1880) u.a. Von den O. verschieden sind die zu den Hyperboreern gehörigen Jenissei-Ostjaken (s. d.) sowie die Ostjak-Samojeden (s. Samojeden). Vgl. Finsch, Reise nach Westsibirien (Berl. 1876); Sommier, Un' estate in Siberia (Flor. 1885); Jadrinzew, Die sibirischen Inorodzen (Fremdvölker; russ., Petersb. 1891); Patkanow, Das alte Leben der O. (in der »Zeitschrift der Ethnologischen Abteilung der kaiserlich russischen Geographischen Gesellschaft«, 1891, III und IV) und Die Irtysch-Ostjaken und ihre Volkspoesie, Teil 1: Ethnographisch-statistische Übersicht (Petersb. u. Leipz. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 228-229.
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