Pennalismus

[565] Pennalismus (neulat., Pennalwesen), das Herkommen, wonach neuangekommene Studenten, sogen. Pennale oder Pennäler (vgl. Pennal), später Füchse, auf Universitäten der Autorität der ältern Studenten ehedem fast sklavisch unterworfen waren. Der P., in Sitte und Unsitte der mittelalterlichen fahrenden Schüler wurzelnd, bildete sich um 1600 auf den protestantischen Universitäten Deutschlands systematisch aus. Die alten Studenten hießen Schoristen, weil sie die jüngern schoren, d.h. foppten, verhöhnten. Die Pennale hießen auch Schützen, Neovisti (Neulinge), Vulpeculae (Füchse), Caeci (Blinde), Vituli (Mutterkälber, Säuglinge), Beani (Gelbschnäbel), Innocentes (Unschuldige), Imperfecti (als Gegensatz[565] zu Absoluti), Galli domestici (Haushähne), Dominastri, Rapschnäbel, Bacchanten etc. Der Schorist nutzte den Pennal (Leibfuchs) als Famulus oft rücksichtslos aus. Erst nach Ablauf eines Jahres erfolgte die Deposition oder Enttölpelung unter allerhand plumpen, sinnbildlichen Handlungen. Die Schoristen verschiedener Universitäten gewährten sich gegenseitig Sicherheit gegen Verfolgungen der vorgesetzten Behörden. Die Versuche, diesem Unwesen ein Ziel zu setzen, waren lange vergeblich, da die Pennale gemeinschaftlich mit den Schoristen sich widersetzten. Seit 1613 erschienen Edikte gegen den P. in Jena, Frankfurt, Rostock, Wittenberg etc. Strenger schritt man ein in Gießen 1656, Leipzig 1660, Jena 1661 und 1663. Desungeachtet erhielten Überreste des P. sich noch geraume Zeit. Gewisse harmlosere Nachklänge des pennalistischen Komments bewahrt die Burschensitte der deutschen Universitäten und nachahmend die der höheren Schulen noch heute. Außer den Gymnasiasten haben namentlich die Buchdrucker das Pennalwesen nachgeahmt (s. Kornut). Vgl. Schöttgen, Historie des ehedem auf Universitäten gebräuchlichen Pennalwesens (Dresd. 1747); v. Raumer, Geschichte der Pädagogik, Bd. 4.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 565-566.
Lizenz:
Faksimiles:
565 | 566
Kategorien: