[854] Physiolŏgus, im frühern Mittelalter das Hauptwerk über Tierkunde, auch Bestiarium genannt, war außerordentlich verbreitet, was schon daraus erhellt, daß es sich (prosaisch oder metrisch) in griechischer, lateinischer, armenischer, äthiopischer, syrischer, angelsächsischer, altenglischer, altfranzösischer und in noch andern Sprachen erhalten findet. Das Büchlein ist wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 2. Jahrh. in Alexandria entstanden; die Tiere, die darin verwendet werden, sind Löwe, Pardel, Elefant, Einhorn, Waldesel, Bock, Adler, Rabe, Kranich, Eule, Schlange, Charadrios, Phönix etc.; den naturgeschichtlichen Gehalt boten die heidnischen Tierfabeln. Es ist eine populärtheologische Schrift, die in allegorischer Anlehnung an Eigenschaften der Tiere die wichtigsten Sätze der christlichen Glaubenslehre zum Ausdruck bringt. Anfangs von der Kirche mißachtet, galt der P. seit Gregor d. Gr. als anerkanntes Lehrbuch der christlichen Zoologie, und seine Bedeutung erlischt erst mit dem Ende des Mittelalters. Eine altdeutsche Prosabearbeitung: »Reda umbe diu tier«, aus dem 11. Jahrh., findet sich in Müllenhoffs und Scherers »Denkmälern« (Nr. 82), eine andre aus dem 12. Jahrh., in Reime gebracht, in Karajans »Sprachdenkmälern« (Wien 1846). Vgl. Koloff, Die sagenhafte symbolische Tiergeschichte des Mittelalters (in Raumers »Historischem Taschenbuch« von 1867); Carus, Geschichte der Zoologie (Münch. 1871); Lauchert, Geschichte des P. (Straßb. 1889); E. Peters, Der griechische P. und seine orientalischen Übersetzungen (Berl. 1898).