Müllenhoff

[226] Müllenhoff, Karl Viktor, berühmter Germanist, geb. 8. Sept. 1818 in Marne (Süderdithmarschen), gest. 19. Febr. 1884 in Berlin, studierte in Kiel, Leipzig und Berlin, ward 1846 außerordentlicher und 1854 ordentlicher Professor der deutschen Sprache und Altertumskunde in Kiel und ging 1858 in gleicher Stellung nach Berlin, wo er 1864 auch Mitglied der Akademie wurde. In der kritischen Behandlung altdeutscher Texte hat M. Lachmanns zergliedernde Methode scharf, oft überscharf angewandt; so in den Schriften »Kudrun, die echten Teile des Gedichtes« (Kiel 1845), »Zur Geschichte der Nibelunge Not« (Braunschw. 1855), »De carmine Wessofontano« (Berl. 1861); ähnlich auf dem Gebiete der klassischen Philologie in der Abhandlung »Über den Bau der Elegien des Properz« (1854). Seine wichtigste kritische Ausgabe sind die »Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem 8.–12. Jahrhundert« (in Gemeinschaft mit Scherer, Berl. 1864; 3. Ausg. von Steinmeyer, das. 1892, 2 Bde.). Unter seiner Leilung erschien auch »Das deutsche Heldenbuch« (Berl. 1866–70, 5 Bde.), für das er selbst den »Laurin« (besonders gedruckt, das. 1871) bearbeitete. Das Bedeutendste hat M. in der Erforschung der germanischen Götter- und Heldensage sowie in der germanischen Altertumskunde geleistet. Neben gehaltvollen Aufsätzen in der zeitweilig von ihm mit herausgegebenen »Zeitschrift für deutsches Altertum« (»Über die Nibelungensage« in Bd. 10, »Zeugnisse und Exkurse zur deutschen Heldensage« in Bd. 12, »Irmin und seine Brüder« in Bd. 23, »Frija und der Halsbandmythus« in Bd. 30) sind besonders zu nennen: »De antiquissima Germanorum poesi chorica« (Kiel 1847); »Zur Runenlehre« (mit Liliencron, Halle 1852); »Über den Schwerttanz« (in den »Festgaben für G. Homeyer«, Berl. 1871); »Germania antiqua« (Ausgabe der »Germania« des Tacitus mit Auszügen aus andern Quellen zur altgermanischen Geschichte, das. 1873) und vor allem sein eigentliches Lebenswerk, die »Deutsche Altertumskunde« (das. 1870–1900, 5 Bde.; neuer Abdruck des 2. Bandes besorgt durch Rödiger, 1906), die zum Teil erst nach seinem Tode veröffentlicht, freilich nicht sowohl eine systematische Darstellung des Gegenstandes als vielmehr eine Reihe grundlegender philologischer Vorarbeiten enthält (4. Bd., 2. Hälfte auch u. d. T. »Die Germania des Tacitus, erläutert«). Eine Musterleistung auf dem Gebiete der Volkskunde sind Müllenhoffs »Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig-Holstein und Lauenburg« (Kiel 1845; Neudruck, das. 1899). Vgl. W. Scherer, Karl M., ein Lebensbild (Berl. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 226.
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