[392] Protektorāt (lat., Schutz, Schutzherrschaft), in der Sprache des gewöhnlichen Lebens gebräuchlich für den Ehrenschutz, den ein Höherstehender irgend einer Veranstaltung leiht, namentlich bei Ausstellungen, Kongressen u. dgl. üblich. In der politischen Sprache ist P.: 1) die völkerrechtliche oder staatsrechtliche Herrschaft eines Staates über einen andern, indem er ihn in seinen auswärtigen Angelegenheiten völlig vertritt oder kontrolliert oder auch seine innern Angelegenheiten überwacht und ihn hierfür im internationalen Verkehr schützt. Der untergebene Staat heißt Vasallenstaat, der andre suzeräner Staat. Meist ist das P. nur der Vorläufer einer spätern Einverleibung. So stehen unter türkischer Oberherrlichkeit Bulgarien und Ägypten, unter spanischer und französischer Andorra, unter französischer Anam, Kambodscha und Tunis, unter englischer die eingebornen Fürsten Indiens, die drei kleinen Staaten der Insel Borneo: Nordborneo, Sarawak und Brunei, dann Sansibar; unter Rußland die Chanate Chiwa und Bochara; unter der Gesamtoberherrlichkeit von Deutschland, England und den Vereinigten Staaten stand bis 2. Dez. 1899 Samoa, unter Italien die Republik San Marino. 2) Die Herrschaft, die ein Staat in[392] überseeischen Gebieten ausübt, die ihm ausschließlich gehören oder ihm von einem andern Staat wenigstens zur ausschließlichen Ausübung von Hoheitsrechten überlassen wurden; solche Protektoratsländer sind die deutschen Schutzgebiete einschließlich Kiautschous (vgl. Kolonialrecht und Schutzgebiete). Vgl. G. Meyer, Die staatsrechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete (Leipz. 1888); Luè, Del protettorato internationale (Mail. 1899); Heilborn, Das völkerrechtliche P. (Berl. 1891); Bornhak, Einseitige Abhängigkeitsverhältnisse unter den modernen Staaten (Leipz. 1896); Despagnet, Essai sur les protectorats (Par. 1895); Engelhardt, Les protectorats anciens et modernes (das. 1896). P. heißt auch das Schutzrecht europäischer Staaten, nämlich Spaniens, Österreichs und hauptsächlich Frankreichs, über die in der Türkei lebenden Christen. Seit der Orientreise Kaiser Wilhelms II. ist auch der deutsche Einfluß im Steigen, ohne bisher feste Formen erhalten zu haben. Vgl. E. Graf von Mülinen, Die lateinische Kirche im Türkischen Reiche (2. Aufl., Berl. 1903).