Bórneo

[232] Bórneo, die größte der Sundainseln (s. Karte »Hinterindien«) und nächst Neuguinea die größte Insel der Erde, zwischen Sundasee, Südchinesischem Meer, Sulusee, Celebessee und der Makassarstraße und zwischen 4°10' südl. Br. bis 7°3' nördl. Br. und 108°53–119°22' östl. L., von N. nach S. 1260, von O. nach W. 1110 km lang, mit 5200 km Küstenumfang und 750,934 qkm Fläche. B. bildet eine wenig gegliederte Masse und ist von einem breiten Schwemmlandgürtel, der großenteils aus mit Urwald bedeckten Sümpfen besteht, umzogen, so daß man nur auf den Strömen ins Innere eindringen kann. Die an den Küsten niedrigen Gebirge steigen gegen das Innere zu immer mehr an, so daß die mittlere Höhe des innern Berglandes 2000 m beträgt: einzelne Gipfel sind jedoch bedeutend höher, wie der Mulu und der Pemabo in Brunei, der Tebang an der Grenze von Sarawak u. a. Der Gunung Nijbet im W. ist 1700, der Raja im SW. 1200, der höchste Gipfel des Batu-Tempatunggebirges im O. 1867 m, der Kinibalu im N. 4175 m. Die bedeutendsten Flüsse sind an der Nordwestküste der Padas, Limbang, Barrani, Redschang, Lupar; an der östlichen der Mahakam und Bulungan; an der südlichen der Barito (der große Fluß von Bandschermassing), der Murung oder Kleine Dajak, Kahajan oder Große Dajak, Katingan, Pembuang, Kota-Waringin; an der westlichen der Kapuas, der größte Fluß der Insel, der in der Landschaft Pontiának ins Meer fällt. Sie alle überschwemmen zur Regenzeit weithin ihre Ufer und bilden an den Mündungen große Deltas. Die an der Nordwestküste mündenden 23 Flüsse sind für Schiffe mit 4 m Tiefgang durchschnittlich 150 km aufwärts fahrbar. Von Seen sind der Kinibalu, am Fuß des gleichnamigen Berges, sowie der sumpfige Luwarsee im obern Stromgebiete des Kapuas zu erwähnen.

Geologisch setzt sich das Grundgerüst Borneos aus kristallinischen Schiefern, Granit und Diorit, devonischen Schiefern u. Sandsteinen, karbonischen Kalksteinen und Sandsteinen (letztere bes. im nördlichen B.) zusammen. Außerdem nehmen am Gebirgsbau versteinerungsreiche marine Kreideablagerungen (Obersenon) und kohlenreiches Tertiär mit Nummuliten teil. Die weiten Buchten zwischen den einzelnen Gebirgszügen werden von jüngern Tertiärschichten und quartären Ablagerungen erfüllt. Vulkanische Bildungen (Andesite, Basalte und zugehörige Tuffe) sind nur in geringer Ausdehnung im nordwestlichen B., wo der Malabu als alter Vulkan gedeutet wird, und in Verknüpfung mit den tertiären Ablagerungen beobachtet worden. Gold findet sich als Waschgold im Quartär sowie auf Quarzgängen in den alten Schiefern und Graniten, besonders bei Montrado und Landak in Westborneo und bei Martapura und Pasir im SO., in der Regel von Platin begleitet. Es wird vorzugsweise von Chinesen gewonnen (jährlich 3 Mill. Mk.), die dafür eine Steuer zahlen. Diamanten finden sich im W., im Landakdistrikt und bei Sangau, sowie im S. bei Martapura und gelten für die schönsten der Erde. Der berühmteste ist im Besitz des Fürsten von Matan, »Danau radja«, von angeblich 367 Karat; er soll aber nach neuerer Untersuchung ein Quarz sein. Steinkohlen finden sich in Menge in Brunei, Sarawak, Sabah, bei Sangun, Samerinda. in Bandschermassing (Bergbau bei Pengaron) und auf der Insel Labuan; sie sind entweder eocänen Alters oder z. T. paläozoisch oder, da sie eine Glossopteris-Flora einzuschließen scheinen, altmesozoisch. Sie werden noch wenig ausgebeutet. Braunkohlen kommen in den jüngern Tertiärablagerungen vor. An vorzüglichem Eisen ist der Süden reich. Die Nordwestküste hat einen großen Vorrat von Antimon, Ausfuhr von Sarawak jährlich 3000 Ton.; auch Kupfererze (in Mandhor), Zinnober (in Sarawak) und Blei-, Mangan- und Zinkerze. Außerdem kommen Salzquellen und Petroleum vor.

Das Klima ist, ungeachtet der äquatorialen Lage, im allgemeinen nicht drückend heiß und gesünder, als man es erwarten sollte. Die Nordhälfte gehört dem Gebiete des sommerlichen Südwestmonsuns (Regenzeit) an (im Winter Nordostpassat), die Südhälfte dem des Nordwestmonsuns (im Sommer der Südhemisphäre, Regenzeit; im Winter Südostpassat). Eine eigentliche Trockenzeit fehlt, da die Insel beständigen Regenfällen ausgesetzt ist. Die jährliche Regenmenge überschreitet 2000 mm, steigt aber an einzelnen Stationen über 3000 mm. Die täglichen und jährlichen Wärmeschwankungen sind sehr gering. Bandschermassing (Südküste): Jahresmittel 27,1°, wärmster Monat Mai 27,7°, kältester Dezember 26,7°; Sandakan (Nordküste): Jahresmittel 26,4°, wärmster Monat Mai 27,1°, kältester Dezember 25,8°; mittlere Jahresextreme 29,5°, resp. 23,3°.

Pflanzenwelt. B. ist als Mittelpunkt des ostindischen Monsungebiets überreich an tropischen Pflanzenformen.[232] Die Waldregion reicht auf dem Kinibalu bis 2800 m; dann folgt die Zone alpiner Sträucher bis über 3000 m, während darüber hinaus der nackte Felsboden nur vereinzelte Sträucher trägt. Unter den Palmen sind die Betelnußpalme (Areca Catechu) und die Sagopalmen (Metroxylon Rumphii und M. Sagus) besonders wertvoll. Zwergpalmen (Nipa fruticans) und Palmlianen (Calamus Rotang) machen die Mangrovewälder der Küsten undurchdringlich. Dazu gesellen sich Bambus- und Pandanus-Formen. Dikotyle Laubhölzer bilden überwiegend die Waldungen. Durch seine Höhe hervorragend ist der Rasamalabaum (Altingia excelsa), durch den Stammumfang der Brotbaum (Artocarpus incisa), unter den immergrünen Hölzern stehen Laurazeen, Guttiferen, Ternströmiazeen und Myristikazeen im Vordergrund. Charakteristisch sind ferner der Borneokampferbaum (Dryobalanops Camphora) und die merkwürdigen Kannenpflanzen (Nepenthazeen), von denen 20 Arten vertreten sind. Zahlreich finden sich epiphytische Orchideen. Endlich treten in Indien sonst unbekannte Pflanzengattungen der Südhemisphäre auf: eine Komfere (Phyllocladus), eine Magnoliazee (Drimys) und eine Thymelazee (Daphnobryon) in der Meereshöhe von 2700 m.

Tierwelt. Zoogeographisch gehört B. zur indomalaiischen Subregion der orientalischen Region. Die Fauna ist der von Malakka und Sumatra eng verwandt, hat aber auch einige charakteristische Formen. Affen sind zahlreicher und mannigfaltiger als auf dem benachbarten Kontinent: der Orang-Utan (Simia satyrus) kommt nur auf B. und Sumatra vor; zu Gibbons (Hylobates), Meerkatzen (Cercopithecus) und dem für B. charakteristischen Nasenaffen (Nasalis larvatus) gesellen sich von Halbaffen Koboldmaki (Tarsius spectrum) und Pelzflatterer (Galeopithecus). Von Raubtieren fehlt der Tiger; dagegen findet sich der Nebelparder (Felis macroscelis), das zu den Viverren gehörige, auf B. und Sumatra beschränkte Mampolon (Cynogale Bennettii) und der malaiische Bär (Ursus malayanus). Von Insektenfressern kommt eine Wasserspitzmaus (Chimoragale himalayica) und die federschwänzige Baumspitzmaus (Ptilocercus Lowii) vor, von Pflanzenfressern der Elefant (dessen Vorkommen jedoch neuerdings bestritten wird), das Rhinozeros, der malaiische Tapir (Tapiros malayanus), Wildschweine und Hirscheber (Babirussa alfurus). Die Rinder vertritt das Bantengrind (Bibos sondaicus). Die Hirscharten (Cervus muntjac u. a.) gehören der ganzen Subregion an, nur die zwerghaften Moschushirsche (Tragulus) sind auf B. beschränkt. Die Vogelwelt wird charakterisiert durch Hühner, Pittas, Trogons, Nashornvögel. Reptilien und Amphibien sind mit wenigen Ausnahmen die des Kontinents, die Fische gehören zur indochinesischen Fauna; die Karpfen, die auf Celebes und den Molukken bereits ganz fehlen, sind noch durch 23 Gattungen vertreten. Die Insektenfauna Borneos zählt zu den reichsten und farbenprächtigsten der Welt, ebenso zeichnen sich die Landmollusken durch Größe und Formenreichtum aus.

Die Bevölkerung, auf 1,737,000 Köpfe geschätzt, besteht hauptsächlich aus den eingebornen Dajak (s.d. und Tafel »Asiatische Völker II«, Fig. 5) und mohammedanischen, vorzeiten aus Sumatra eingewanderten Malaien, ferner aus Chinesen (etwa 50,000, hauptsächlich als Goldwäscher und Kaufleute), Bugi (30–35,000), 1000 Arabern und rund 1200 Europäern. Die Malaien haben die stammverwandten Dajak ins Innere gedrängt oder unterworfen und bewohnen vorzugsweise die Küsten. Sie gründeten hier vor Jahrhunderten eine Menge kleinerer und größerer Staaten unter eignen Fürsten (Titel: Sultan, Panumbahan oder Pangeran): an der Nordküste Brunei, an der Westküste Sambas, Pontianak, Mampawa, Matan, Landak, Sukadana, an der Südküste Bandschermassing etc. Andre Reiche wurden an der Ostküste (namentlich im Gebiet von Kutei) von den ebenfalls mohammedanischen Bugi gegründet. Von all diesen Staaten, durch ihre kühne Seeräuberei gefürchtet, hat sich nur das sehr zusammengeschrumpfte Sultanat Brunei (s.d.) erhalten. (Vgl. die betreffenden Abbildungen auf Tafel »Malaiische Kultur I und II«.)

Die Portugiesen entdeckten 1521 die Insel und knüpften Handelsverbindungen an, mußten aber den seit 1600 dorthin gekommenen Holländern weichen. Diese suchten zuerst Niederlassungen an der Westküste zu gründen mit ebensowenig Erfolg wie die Engländer an der Südküste; die letztern wurden schließlich von den Niederländern verdrängt, die sich allmählich zur herrschenden Macht auf B. emporschwangen und ein Gebiet besitzen, das den weitaus größten Teil der Insel, z. T. freilich nur dem Namen nach, vom Vorgebirge Datu im NW. bis zum Kap Kaniungan im O., nordwärts bis 4°12' nördl. Br. umfaßt. Namentlich die von den Niederländern 1850–54 an der Westküste und 1859–62 an der Südküste geführten Kriege haben ihren Besitz wesentlich vergrößert. Er umfaßt 553,340 qkm mit 1,181,000 Einw. und zerfällt in zwei Hauptteile: 1) die Westabteilung mit der Hauptstadt Pontianak, enthält die Staaten Sambas, Mampawa, Pontianak, Kubu, Simpang, Sukadana und Matan längs der Küste und die von Landak, Tajan, Meliau, Sekadau, Sangau, Sintang u. a. im Innern; 2) die Süd- und Ostabteilung mit der Hauptstadt Bandschermassing, umfaßt das ehemalige Reich von Bandschermassing oder die Landschaften Berouw, Kutei, Pasir und Tanah Bumbu längs der Ostküste und Bandschermassing, Pulupetak und Kahajan, Mendawei, Sampit, Pembuang und Kota-Waringin an der Südküste. Die Engländer besitzen seit 1846 die Insel Labuan (s.d.), die Landschaft Sarawak (s.d.) und den nordöstlichen Teil der Insel, Saba oder Nordborneo, der von den Sultanen von Brunei und Sulu 1878 an die Britische Nordborneogesellschaft (s. Britisch-Nordborneo) abgetreten wurde. Letztere ergriff 1881 Besitz von dem Lande, das wie Sarawak und Brunei seit 1888 unter direkter Schutzherrschaft Englands steht.

Tabelle

Vgl. S. Müller, Reizenen onderzoekingen in den Indischen Archipel (neue Ausg., Amsterd. 1857, 2 Bde.); Veth, Borneos Wester-afdeeling (Zalt-Bommel 1846); Keppel, Expedition to B. (Lond. 1847, 2 Bde.); Mundy, B. and Celebes (das. 1848, 2 Bde.); Wallace, Malay-Archipelago (neue Ausg., das. 1891); Hatton, The New-Ceylon, a sketch of British North B. (das. 1882); Derselbe, North [233] B. (mit Medhurst, das. 1885); Bock, Unter den Kannibalen auf B. (Jena 1882); Meyners, Bijdragen tot de kennis der geschiedenis van het Bandjermasinsche Rijk (Leiden 1886); Posewitz, Borneo, Entdeckungsreisen und Untersuchungen. Verbreitung der nutzbaren Mineralien (Berl. 1889); Molengraf, Geolog. Verkenningstochten in Centraal-B. (Leid. 1900); Nieuwenhuis, In Centraal-B. (das. 1901, 2 Bde.); Kükenthal, Forschungsreisen in den Molukken und in B. (Frankf. 1896); Roth, The natives of Sarawak and North B. (Lond. 1896, 2 Bde.); Breitenstein, 21 Jahre in Indien, 1. Teil: Borneo (Leipz. 1899); Beccari, Nelle foreste di B. (Flor. 1902, botanische Forschung); Furneß, Home life of B. head hunters (Lond. 1902). Karten: »Map of B., 1:3,200,000« (Lond. 1886); »Map of Brithish B.«, 1:640,000 (das. 1886); »Residentië Wester Afdeeling van B.« 1:200,000 (26 Blatt, Batavia 1888–97); »Kaart van het eiland B.«, 1:2,000,000 (das. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 232-234.
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