Rückstoß

[225] Rückstoß, die Rückwirkung des Schusses in Richtung der Seelenachse bei Feuerwaffen, die sich bei den Geschützen als Rücklauf, bei Gewehren als Rückstoßdruck gegen die Schulter des Schützen äußert. Der R. ist für die Waffenkonstruktion von großer Wichtigkeit, weil eine gewisse Grenze nicht überschritten werden darf, anderseits, weil er neuerdings für den Schießgebrauch in verschiedener Weise ausgenutzt wird. Ein zu starker R. könnte dem Schützen die Schulter zerschmettern oder ihn bei Schnellfeuer bald erlahmen lassen. Bei Geschützen, besonders bei Steilbahngeschützen, würden die Lasseten zertrümmert werden. Die Bewegungsenergie, welche die Waffe durch den R. erhält, ist annähernd [(p+l/2)2v2]/(2gP) Kilogrammeter, wenn bedeuten, gemessen in Kilogramm, P das Gewicht der Waffe, p das Gewicht des Geschosses, l das der Pulverladung, v die Mündungsgeschwindigkeit des Geschosses in Metern pro Sekunde, g die Beschleunigung durch die Schwere (9,806 m). Hieraus kann der Rückstoßdruck berechnet werden, wenn die Elastizität von Waffe und Widerlager, Größe der Druckfläche etc. bekannt sind, ebenso der Rücklauf. Namentlich bei Einführung der kleinkalibrigen Mehrlader mußte man auf Natur, Stärke und Richtung des Rückstoßes Rücksicht nehmen. Besonderes Verdienst hat sich Prof. Hebler-Zürich in dieser Beziehung erworben (vgl. Hebler, Das kleinste Kaliber oder das zukünftige Infanteriegewehr, Zürich u. Leipz. 1886). Bei den mehr und mehr in Aufnahme kommenden automatischen Feuerwaffen (s. Selbstlader) wird der R., der früher nur als nachteilig für den Schießgebrauch angesehen wurde, so vollkommen ausgenutzt, daß dem Schützen nur noch Zielen und Abdrücken übrigbleibt. Ebenso war man bemüht, den Rücklauf der Geschütze (s. Laffete) durch Hemm- und Bremsvorrichtungen zu beschränken oder aufzuheben. Während man bei Geschützen mit festem Standort schon längst den R. benutzt hatte, das Rohr in einer Oberlaffete auf ansteigenden Laufschwellen des Untergestells, auf denen es nach dem Schuß wieder vorlief, zurückzubewegen, kam man erst neuerdings bei den Schnellfeuergeschützen auf die Notwendigkeit, die Laffete beim Schuß ganz festzustellen, was bei den Rohrrücklaufgeschützen erreicht ist. Im übrigen gelten für Rohre in Räderlaffeten noch die früher ermittelten Regeln, daß der Rücklauf um so größer ist, je größer die Pulverladung und je leichter das Geschütz, je kleiner der Laffetenwinkel, je ebener der Geschützstand ist und je mehr die Rohrrichtung sich der Wagerechten nähert. Vgl. Wille, Waffenlehre (3. Aufl., Berl. 1905, 3 Bde. und Ergänzungsheft).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 225.
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