[666] Rechtsfall, ein Vorkommnis, auf das eine Rechtsvorschrift Anwendung findet. Die gleichmäßige Entscheidung gleichartiger Rechtsfälle bildet den Gerichtsgebrauch (s. d.), der für die künftige Entscheidung analoger Rechtsfälle von großer Wichtigkeit ist. Besonders in England wird ein großes Gewicht auf frühere rechtliche Entscheidungen gelegt, weshalb sich die englische Rechtswissenschaft vorzugsweise auf die seit dem 14. Jahrh. vorhandenen Sammlungen gerichtlicher Entscheidungen (report of adjudged cases) gründet. Das vielseitigste Interesse für den Juristen nicht allein, sondern auch für den Psychologen und Menschenbeobachter gewähren die kriminalistischen Rechtsfälle, und zwar steht auch hier, was die Auszeichnung und Sammlung von solchen anbelangt, England obenan. Sammlungen von »State trials«, d. h. solchen Kriminalprozessen, in denen die Staatsregierung die Anklägerin war, gaben Hargrave (9 Bde.), von Heinrich IV. bis 1779, Howell (seit 1809), von 1163 bis 1784 und später, heraus. Pitavals (s. d.) »Causes célèbres« machten in Frankreich Epoche. Für Österreich sind die wichtigsten Sammlungen von Entscheidungen: a) in Zivilsachen: »Sammlung der Plenar-Entscheidungen des obersten Gerichtshofes«; die Glaser-Unger-Walthersche Sammlung, fortgesetzt von Pfaff und Schey; die Riehlsche zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch; die Adler-Clemenssche zum Allgemeinen Handelsgesetzbuch; endlich eine Sammlung wechselrechtlicher Entscheidungen; b) in Strafsachen: eine nicht bis auf die neue Zeit fortgesetzte Sammlung, begonnen von Glaser-Adler; endlich die im Auftrage des obersten Gerichtshofes erscheinende (jährlich ein Band). Für den akademischen Gebrauch wurden Zivilrechtsfälle herausgegeben von Ihering für gemeines Recht, von Hellwig, Josef, Dinkel, Schuck, Heinsheimer, Örtmann für bürgerliches Recht und Prozeß, von F. v. Liszt, Rohland, Beling, Stelling für Strafrecht und Strafprozeß.