Retorsion

[828] Retorsion (lat., Jus retorsionis), völkerrechtlich die Erwiderung nachteiliger und vor allem unbilliger Anordnungen der einen Staatsregierung durch gleichartige Maßregeln seitens einer andern. Die R. ist der Veranlassung und dem Zweck nach mit den Repressalien (s. d.) verwandt, unterscheidet sich aber insofern von ihnen, als letztere die Erwiderung einer ungerechten Handlung sind, während die R. sich nur gegen eine unbillige Maßregel des andern Teiles richtet. Die R. hält sich daher an und für sich innerhalb der Grenzen eines rechtlich zulässigen Verfahrens. Als R. wird z. B. gebraucht die Entziehung von Vergünstigungen, die den Untertanen des andern Staates eingeräumt waren, und die Erklärung des Zollkrieges, d. h. die Auflegung von Eingangszöllen (Retorsionszöllen) auf dort erzeugte Waren, indem das Prohibitivsystem des einen durch ein Retorsionssystem des andern Staates erwidert wird (vgl. Zölle). R. von Verbrechen (auch Kompensation genannt), s. Erwiderung. In der Rhetorik ist R. eine Redefigur, darin bestehend, daß man einen vom Gegner vorgebrachten Beweis zu seinen (des Redners) eignen Gunsten gebraucht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 828.
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