[519] Samenanlage (Samenknospe, Eichen, Ovulum, Gemmula), bei den Blütenpflanzen das an den Fruchtblättern der Blüte in Ein- oder Mehrzahl auftretende weibliche Organ, in dem die Eizelle sich befindet, ihre Befruchtung empfängt und zum Embryo sich ausbildet, womit die S. zum Samen wird. Sie entspricht dem Makrosporangium (s. Geschlechtsorgane der Pflanzen) der mit zweierlei Sporen ausgestatteten Gefäßkryptogamen und enthält eine der Makrospore derselben gleichwertige Zelle, den Embryosack (s. d.), in dem der eigentliche Geschlechtsapparat in einer mehr oder weniger an die niedern Pflanzen erinnernden Form zur Entwickelung kommt.
Die S. ist ein kleines, noch mit freiem Auge erkennbares, rundliches Körperchen, an dem man folgende Teile unterscheiden kann: 1) Der Nabelstrang oder Knospenträger (funiculus) ist ein meist deutlich entwickelter, bald langer. bald kurzer Stiel (s. in Fig. 1), mit dem die S. an der Samenleiste (Placenta) des Fruchtblattes befestigt ist; 2) der Knospenkern (Eikern oder Kern, nucellus, nc in Fig. 1) ist der Hauptteil der S., in den der Nabelstrang sich fortsetzt, und dessen Übergangsstelle in den letztern Knospengrund oder Hagelfleck (chalaza, ch in Fig. 1) genannt wird. Die Stelle, an der die S. dem Funikulus oder, wenn dieser fehlt, der Samenleiste ansitzt, wird Nabel (hilum) genannt.
Der Eikern wird meistens umgeben 3) von der Eihülle (integumentum), die als ein ringförmiger Wulst um den Knospengrund sich erhebt und um den Kern bis an dessen Spitze (die sogen. Kernwarze, mamilla nuclei) emporwächst, dort den Keimmund (micropyle, m in Fig. 1) bildend. Bei vielen Pflanzen entsteht nach dem ersten Integument (ii in Fig. 1) an dessen Grunde noch ein zweites äußeres (ie in Fig. 1), das jenes überwächst; in diesem Falle wird die S. als dichlamydeïsch, beim Vorhandensein von nur einem Integument als monochlamydeïsch bezeichnet. In ihren Richtungsverhältnissen zeigen die Samenanlagen folgende für die einzelnen Pflanzenfamilien charakteristische Verschiedenheiten: 1) gerade (atrop, orthotrop, Fig. 1 A) heißt die S., wenn der Nabelstrang, die Chalaza und der Keimmund in einer geraden Linie übereinander liegen, der letztere also der Placenta abgewendet ist (z. B. bei den Polygonazeen und Piperazeen); 2) krummläufig (kampylotrop, amphitrop, Fig. 1 C) ist diejenige S., bei welcher der Kern samt der Eihülle selbst gekrümmt ist, so daß die Mikropyle zur Seite gewendet und in die Nähe des Nabels zu liegen kommt (z. B. bei den Karyophyllazeen, Chenopodiazeen, Gramineen); 3) gegenläufige oder anatrope S. (Fig. 1 B) ist die am häufigsten vorkommende Form, bei welcher der Kern samt den Hüllen am Grunde umgebogen ist, so daß er an der einen Seite mit dem Nabelstrang verwächst, wodurch die Naht (raphe, r in Fig. 1 B) gebildet wird. Außerdem heißt die S. ohne Rücksicht auf diese Formverhältnisse aufrecht (ovulum erectum), wenn sie aus dem Grunde der Fruchtknotenhöhle oder des Fruchtknotenfaches in gerader Richtung sich erhebt, horizontal (ovulum horizontale), wenn sie wagerecht steht, hängend (ovulum pendulum), wenn sie im obern Teil dieser Höhlen sitzt und sich abwärts richtet.
Mittelstellungen zwischen aufrecht und horizontal werden als aufsteigend, zwischen horizontal und hängend als absteigend bezeichnet. Ferner heißt die Raphe ventral, wenn sie der Placenta zugekehrt ist, bei entgegengesetzter Lage dagegen dorsal. Bei gegen- und krummläufigen Samenknospen kommt endlich in Betracht, ob die Umwendung oder Krümmung des Eikörpers dem Grunde, der Spitze oder den Flanken des Fruchtknotens zugekehrt ist, wonach apotrope, epitrope und pleurotrope Samenanlagen unterschieden worden sind. In dem Gewebe[519] des Nucellus eingeschlossen findet sich der Embryosack (Fig. 1, s e), in dem sich bei den Gymnospermen ein rudimentäres Prothallium mit Archegonien entwickelt, während bei den Angiospermen durch freie Zellbildung ein wenigzelliger Eiapparat mit einer einzigen Eizelle entsteht (Fig. 2, S. 519, s. Embryosack). Durch die Befruchtung der Eizelle wird die Entwickelung derselben zum Keimling (s. Embryo) und bei den Angiospermen die nachträgliche Ausbildung eines Nährgewebes (Endosperm) im Embryosack angeregt (Fig. 3 u. 4) und damit zugleich diejenigen Veränderungen in der S. eingeleitet, durch die sie zum Samen wird.
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