Stück [1]

[139] Stück (ital. stucco), aus Gips und verschiedenen Zusätzen hergestellte Stein- oder Holzsurrogate. Der gebräuchlichste S. (Gipsstuck), für wohlfeilen bildnerischen Schmuck am Äußern und im Innern von Gebäuden, ist ein mit dünner Borax- oder Alaunlösung, auch mit Leimwasser hergestellter Gipsguß in Leimformen, die sich nach dem Erhärten des Gipfes selbst bei stark unterschnittenen Stücken leicht abziehen lassen. Im Freien muß er unter Ölanstrich gehalten werden. An massiven Bauteilen befestigt man kleinere Zierstücke, Gliederungen etc. durch »Ansetzen« mit Gips, größere Stücke (Konsolen, Kartuschen etc.) durch Aufhängen auf Bankeisen, durch große Nägel u. dgl., an Steindecken mittels eingegipster Steinschrauben. An Holzflächen (Zimmerdecken etc.) muß der S. angeschraubt werden. Im Innern von Gebäuden ist die Anwendung von Gipsstuck auch in ästhetischer Beziehung am Platze, weil es sich dabei in der Regel um Zwecke der durch Farbe und Vergoldung belebten architektonischen Dekoration handelt. Dies gilt namentlich für die geschichtlichen Stile, für deren zeitlich letzte, den Barock und das Rokoko, die Stuckdekoration geradezu charakteristisch ist. Wird dagegen Stein- oder Holzarchitektur mittels des Stückes nachgeahmt, so sinkt dieser zum Surrogatmaterial herab. Das Mittelalter fertigte im Innern von Gebäuden, wo, wie z. B. in Backsteingegenden, der Haustein fehlte, einzelne verzierte Bauteile zwar aus S.; es bildete diese dann aber stuckgemäß, modellierte den S. freihändig an seinem Platz und sicherte ihm dadurch die lebendige künstlerische Wirkung. So sind schon von den Alten der Kalkstuck für das Äußere und der Weißstuck für das Innere von Gebäuden angefertigt worden. Die Römer benutzten nachweisbar nur Kalk und Marmorstaub (opus albarium et marmoratum, auch coronarium), fertigten also wohl nur eine Art Kalkstuck. Bei dem heutigen Weißstuck findet auch Gips Anwendung. Das Ornament wird aus dem Gips- und Kalkbewurf zunächst im Rohen herausmodelliert, und die feinern Einzelheiten werden dann in einem feinern Stuckmörtel, dem Marmorstaub zugemischt ist, ebenso durchgearbeitet, wie das beim Modellieren im Ton geschieht. Diese gesunde Technik, die sogen. angetragene Arbeit, ist neuerdings wieder in Aufnahme gekommen und verdrängt bei guten architektonischen Werken den geformten S. Da der Gipsstuck, auf Holz befestigt, leicht Risse bekommt und herabstürzt, verwendet man in neuerer Zeit mit Vorteil Staff-, Stein- oder Trockenstuck. Zu seiner Herstellung wird in die Leimform eine dünne Lage [139] Gips gegossen, auf die Metallstreifen gelegt werden, die etwas über den Rand der Form überstehen, um später zur Befestigung des Stückes zu dienen; darüber wird Nessel gebreitet und dann ein zweiter dünner Gipsguß aufgebracht. Der Gips erhält starken Leimzusatz, das Ganze verbindet sich zu einer sehr festen, leichten Masse, aus der sich bedeutend größere Stücke herstellen lassen als aus gewöhnlichem S. Ein Fabrikat von ähnlichen Vorzügen ist der weniger gebräuchliche Holzgips-Trockenstuck, dessen Hauptbestandteile neben Gips Holzstoff und Papier sind. Auch Tripolith, Steinpappe und »weißer Zement«, eine Mischung von Gips und verschiedenen andern Stoffen, dienen als Ersatz für den S. Im weitern Sinne gehört zum S. auch der Flächenstück oder Stuckputz, entweder gewöhnlicher Gipsputz (s. Putz) oder glatter, unverzierter, d. h. reliefloser Kalkstuck (Marmorinoputz) oder Weißstuck (Weißstuckputz, Stucco), oder eine jener Flächenstückarten, durch die Marmor imitiert werden soll, und für welche die Bezeichnungen Stuckmarmor, Marezzomarmor, Stucco lustro etc. gebräuchlich sind. Vgl. Heusinger v. Waldegg, Die Ton-, Kalk-, Zement- und Gipsindustrie, 3. Teil: Der Gips (2. Aufl., Leipz. 1906); Fink, Der Tüncher, Stuckator etc. (das. 1866); »Baukunde des Architekten«, Bd. 1, Teil 2 (5. Aufl., Berl. 1905); Ziller, Handbuch für Modelleure, Gipsformer, Bildhauer und Stuckateure (Dresd. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 139-140.
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