Schmuck

[909] Schmuck (hierzu die Tafel »Schmucksachen I-III«). Bei den ältesten Kulturvölkern des Orients war die Neigung, sich zu schmücken, ebenso stark, wie sie es noch heute bei den Orientalen ist. Nach den ägyptischen und assyrischen Denkmälern sowie den Funden in Troja und Mykenä wurde die Verarbeitung der Edelmetalle[909] und der Bronze zu S. schon frühzeitig geübt. Im ganzen asiatischen Orient wurde S., selbst Ohrgehänge, von Männern und Frauen getragen. In der künstlerischen Ausbildung und technischen Behandlung des Schmuckes hatten die Ägypter eine hohe Stufe erreicht (Tafel I, Fig. 1 u. 2). Ihre Arbeiten sind von Einfluß auf den S. der Römer (Fig. 3, 10 u. 18) und besonders der prachtliebenden Etrusker gewesen, deren Halsketten (Fig. 11 u. 12) nach dem Vorgang von Castellani in Rom von der neuern Goldschmiedekunst nachgebildet werden. Die höchste künstlerische Vollendung und Feinheit der plastischen Behandlung erreichte die Verfertigung von S. bei den Griechen, die dem Golde bereits durch Filigran, Email etc. mehr Farbe und Leben zu geben wußten. Insbesondere blühte die griechische Edelmetalltechnik in den Kolonien des südlichen Rußland, wo aus Gräbern große Mengen von S. erhalten sind. Die Verzierung der obern Enden (Köpfe) der Haarnadeln mit Figuren, Köpfen, Blumen etc. (Fig. 18) soll eine römische Erfindung sein, während der Ursprung der Fibeln oder Gewandnadeln (Fig. 3) auf die Etrusker zurückgeführt wird. Die Fibel ist freilich auch der bevorzugte Schmuckgegenstand im germanischen Norden Europas (s. Tafeln »Metallzeit I-IV«) in vorchristlicher Zeit und bis in das Mittelalter hinein (Fig. 14) gewesen. Die hochentwickelte Technik der Schmuckarbeiten, besonders die Einlage farbiger Glasstücke in Gold und Goldzellen, haben die germanischen Völker auf ihren Wanderungen vom Norden des Schwarzen Meeres, wo sie Gelegenheit hatten, mit orientalischer Kunstfertigkeit in Berührung zu kommen, mitgebracht, vgl. die Fibula von Tuttlingen (Fig. 19). Eine eigne hochentwickelte Kunst zeigt der Goldschmuck von Hiddensee (Fig. 20) und zahlreicher S. im nordischen Museum zu Kopenhagen. Auch die Gallier, Germanen und Skandinavier hatten in der Bearbeitung des Edelmetalls bereits eine hohe Stufe erreicht, als sie mit den Erzeugnissen des Südens bekannt wurden, die dem eigenartigen Dekorationsstil des Nordens eine neue Richtung gaben. Die Römer verwendeten bei der Anfertigung von S. sowohl alle ihnen bekannten Edel- und Halbedelsteine als auch Korallen, Perlen etc. und waren auch im Besitz einer äußerst vielseitigen Technik, die von den byzantinischen Goldarbeitern variiert auf das romanische Mittelalter (Fig. 1) überging. Byzantinische und orientalische Einflüsse empfingen auch die Goldschmiede der Franken. Ost- und Westgoten und Langobarden, welch letztere auch in der Anfertigung von S. einen eigentümlichen Stil besaßen (Fig. 5). Unter den byzantinischen Kaisern wurde der Luxus mit S. so weit getrieben, daß die Gewänder und selbst die Schuhe mit Edelsteinen, Perlen, Goldblech etc. über und über besetzt wurden. Männer und Frauen wetteiferten in der Überladung aller sichtbaren Kostümstücke mit S. (s. Tafel »Kostüme I«, Fig. 8 u. 9), wobei der Schwerpunkt auf möglichste Buntheit gelegt wurde. Von S. romanischen Stils haben sich nur wenige Proben erhalten, obwohl nicht zu zweifeln ist, daß die Anfertigung von S. ebenso in Blüte gestanden hat wie die von Goldarbeiten für den Kirchenschmuck. Schon der bischöfliche Ornat forderte einen reichen Aufwand von S. (Ringe, Mantelschließen, Brustkreuze u. dgl.). Auch aus gotischer Zeit ist nur wenig S. auf uns gekommen, darunter die angebliche Mantelschließe Ludwigs IX. im Louvre zu Paris (Fig. 6). Doch lernen wir aus den wenigen Überresten, aus Urkunden und figürlichen Darstellungen, daß im 15. Jahrh. die Gewänder wieder reich mit allerlei Ornamenten aus Gold- oder Silberblech besetzt wurden, daß man die Hüte mit Agraffen aus Edelsteinen verzierte (Fig. 4 u. 13), und daß man namentlich in der Besetzung der Frauengürtel mit Edelsteinen und Goldschmiedewerk, oft in zierlichster Filigranarbeit (Fig. 15), seit dem 14. Jahrh. großen Luxus trieb. Eine genaue und sichere Vorstellung kann man sich dagegen von dem S. der Renaissancezeit, insbes. des 16. Jahrh., machen, von dem zwar auch nicht viel erhalten ist, da der in fürstlichem und sonstigem alten Familienbesitz erhaltene S. der Mehrzahl nach, je nach der wechselnden Mode, in andre Fassungen gebracht worden ist, dessen Charakter man aber aus Gemälden und Entwürfen hervorragender Künstler genügend kennen lernt. Von deutschen Künstlern hat besonders H. Holbein der Jüngere während seiner Tätigkeit in England zahlreiche phantasievoll und edel komponierte Entwürfe für S. geliefert (Fig. 28). In Frankreich hat Du Cerceau (Fig. 23) eine ähnliche Tätigkeit entfaltet. Der S. der Renaissance (Fig. 16, 22 u. 29) ist ebensosehr durch die seine Stilisierung des Ornaments wie durch eine reiche farbige Wirkung und Durchbrechung unter Hinzuziehung von Email, farbigen Edelsteinen, Perlen etc. ausgezeichnet, während seit dem 17. Jahrh. eine mehr naturalistische Behandlung des Schmuckes anhob, die im Laufe des 18. Jahrh. sich vollends der naturalistischen Neigung des Rokokostils ergab (Fig. 21, 30, 34 bis 39). Seit dem Beginn des 19. Jahrh. trat mit der Vorliebe für Diamanten der farblose S. in den Vordergrund. Eine besondere Gattung von S. hat sich bei den orientalischen Völkern und den europäischen Nationen ausgebildet, bei denen sich eine Volkstracht und eine sogen. Hausindustrie erhalten hat. Mit der Volkstracht steht S., zumeist silberner, in enger Verbindung, für den die reiche Anwendung von Filigranarbeit charakteristisch ist. Dieser nationale Hausschmuck, dessen Formen und ornamentale Motive zum Teil bis in das Altertum zurückreichen, hat sich besonders in Nordfrankreich, Holland, Schweden und Norwegen, Rußland, Ungarn, in den Donauländern und in der Schweiz erhalten (Fig. 9, 24, 26, 27 u. 33).

Für den orientalischen Frauenschmuck (Ohrringe, Halsbänder, Ketten, Broschen, Kopfzierate etc.) ist das Hängewerk von runden und zugespitzten Plättchen, Halbmonden, Bommeln, Kettchen u. dgl. charakteristisch, die bei Bewegungen ein klingendes Geräusch verursachen. Auch in diesem S. (Fig. 7, 8, 9, 17, 31, 25 u. 32) haben sich alte nationale Überlieferungen erhalten. Die moderne kunstgewerbliche Bewegung hat sich bei der Reform des Frauenschmucks die Aufgabe gestellt, einerseits sich von den überlieferten Stilarten, deren Nachahmung schließlich zur fabrikmäßigen Erzeugung wohlfeiler Marktware geführt hat, loszusagen und zu eignen Formen zu kommen, anderseits gegen die überwiegende Herrschaft des Brillantschmucks, der in still ofen Naturalismus ausgeartet ist und nur noch durch das Massenaufgebot kostbarer Steine zu wirken sucht, ein Gegengewicht zu schaffen. Den Zierformen der Renaissance, die seit dem Ende der 1870er Jahre in der deutschen Goldschmiedekunst besonders bei vorwiegend aus Edelmetall hergestellten S. maßgebend gewesen waren, stellt die moderne Bewegung, die in Deutschland erst gegen die Mitte der 1890er Jahre begonnen hat, die einfachsten Naturformen, Gräser, Feld- und Wiesengewächse mit ihren Blüten, gegenüber. Diese Pflanzen wurden noch stilisiert, so daß sie zumeist durch ihre Umrisse wirkten, und zu diesem Element wurden vielfach gewundene und verschlungene Linien gesellt, welche die pflanzlichen Motive umschlossen[910] und verbanden, von einigen Künstlern aber auch selbständig verwertet wurden. Die ersten modernen Schmucke dieser Art sind in Berlin nach den Entwürfen des Architekten Bruno Möhring und des Radierers Hermann Hirzel angefertigt worden. Während Hirzel fast ausschließlich seine Vorbilder aus der Pflanzenwelt wählt und nur selten, namentlich bei Verwendung von Email, lineare Motive (Linien- und Bandverschlingungen) hinzuzieht, verbindet Möhring Linien- und Pflanzenwerk zu einer einheitlichen, auch im Umriß geschlossenen Komposition, bei der sich die scheinbare Willkür der Einzelheiten dem Gesetze der Symmetrie unterordnet und die reiche koloristische Wirkung der Renaissanceschmucksachen erhalten worden ist (Tafel II, Fig. 14). In derselben Richtung bewegt sich der Juwelier Max Werner, der nach noch reicherer farbiger Wirkung durch vielfache Färbung des Goldes, durch Inkrustationen mit bunten Steinen und durch Emaillierung strebt (Fig. 1, 4, 13). Im Anschluß an diese Bestrebungen hat Felix Friedländer in Berlin auch eine Reform des Brillantschmucks versucht, indem er einfache, vegetabilische Formen in strenger Stilisierung zur Grundlage nahm und den kalten Glanz der Brillanten durch Verbindung mit Rubin und Olivin milderte (Fig. 2 u. 3). Vgl. F. Friedländer, Kleinodien (Berl. 1899). Lukas von Cranach hat in seinem Verständnis für koloristische Wirkung Schmuckstücke von eigenartig phantastischer Schönheit geschaffen (Fig. 5, 6 u. 7). Neuerdings herrscht die Neigung, die naturalistischen Motive durch abstrakte Bildungen abzulösen. Besonders van de Velde (Weimar; Tafel III, Fig. 12) und P. Behrens (Düsseldorf; Tafel II, Fig. 12 u. 15) sind hier zu neuen organischen Formen gekommen. – Auch in München und Wien haben sich Zeichner und Maler einer Umgestaltung des Schmuckes angenommen, in München mit besonderm Erfolg Rothmüller, Nicolai (Fig. 8), Gack und die für die »Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk« tätigen Künstler (Fig. 10), in Wien Gatterer und Waschmann (Fig. 9 u. 11). Die leitenden Grundsätze sind dieselben wie in Berlin. In München werden bereits wohlfeile Schmucke aus vergoldetem Silber in modernem Stil angefertigt, um sie durch niedrige Preise volkstümlich zu machen. In Belgien haben sich besonders Morren und Wolfers hervorgetan, die mit einem reichern und bewegtern Linienspiel arbeiten (Tafel III, Fig. 13, 14 u. 15). In Frankreich hat diese Bewegung zur Reform des Frauenschmucks noch wenig Boden gefunden, weil der Geschmack des Publikums tiefer in der Überlieferung wurzelt, namentlich in der Barock- und Rokokokunst, den eigentlich französischen Stilen. Außerdem hat auch die hohe künstlerische Vollendung, welche die französische Plastik in der Kleinbildnerei, in Medaillen und Plaketten, erreicht hat, einen starken Einfluß auf die modernen S. geübt, bei denen in ähnlicher Weise wie bei den Medaillen und Plaketten figürliche Motive (Köpfe, Büsten, Halbfiguren in zartem Flachrelief) die Hauptsache sind, der sich das ornamentale Element unterordnet. Medailleure wie Chaplain (Tafel III, Fig. 3) und Roty (Fig. 4) haben für S. dieser Art, besonders Broschen, Modelle geliefert, und auch die eigentlichen französischen Schmuckkünstler, die auf vielen Gebieten der dekorativen Künste tätig sind, A. Charpentier, Vevet, Jean Dampt, J. Chéret, Vernier, Fouquet u.a., haben beim S. diese figürliche Richtung bevorzugt und in ihr den eigentlich modernen Grundzug der französischen Plastik zum Ausdruck gebracht (Fig. 1, 8, 9, 10 u. 11) Nur Lalique hat für den französischen Geschmack typische Schmuckstücke geschaffen, die besonders durch die Eigenart einer kostbaren Materialverwendung hervorragen (Fig. 2, 5, 6 u. 7). S. auch die Artikel »Bijouterien, Juwelierkunst und Goldschmiedekunst« mit Literatur, die Artikel »Armband, Halsschmuck, Ring« u.a. Vgl. Luthmer, Der Goldschmuck der Renaissance (Berl. 1881); Koch, S. und Edelmetallarbeiten (Darmst. 1906); Creutz, Kunstgeschichte der Edelmetalle (Stuttg. 1907); Riester, Moderne Schmuck- und Ziergeräte nach Tier- und Pflanzenformen (Pforzh. 1898); Rücklin, Das Schmuckbuch (Leipz. 1901); Barth, Das Geschmeide (Berl. 1903–04, 2 Bde.); Forrer, Geschichte des Gold- und Silberschmucks (Straßb. 1905); Selenka, Der S. des Menschen (Berl. 1900); Haberlandt, Völkerschmuck (Wien 1906, 109 Tafeln).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 909-911.
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