Steinradierung

[912] Steinradierung, ein von R. Schulte im Hofe in Berlin erfundenes Verfahren zur Herstellung von Halbtönen auf zu ätzenden Druckplatten. Geschlossene Töne in vorher genau zu übersehender Stärke werden dadurch erzeugt, daß man die Deckschicht der Druckplatte durch Reibung zur Erzeugung von Halbtönen mechanisch entfernt. In den meisten Fällen kann man die Halbtöne durch Reiben der Deckschicht mit dem Finger erzeugen, so daß man ein ganzes Bild fertig auf die Platte wischen kann, das sich in allen seinen Tonabstufungen ätzen und drucken läßt. Man kann sich aber auch eines Wischers oder eines ähnlichen elastischen Werkzeugs bedienen. Sind die Zeichnung und ihre Halbtöne hergestellt, so wird der Stein geätzt,[912] wodurch die infolge des Ätzens bloßgelegten Stellen wasseraufnahmefähig werden. Nach Entfernung der Deckschicht durch Abwaschen mit Terpentin und Wasser sind dann die durch sie geschützten Teile des Steines für Farbe derart aufnahmefähig, daß der Abdruck genau dem in der Deckschicht hergestellten Bild entspricht. Demgemäß kann man sich schon bei Herstellung der Platte in der Deckschicht ein vollkommen getreues Bild der beim Abdruck entstehenden Wirkung machen. Die Tiefen lassen sich mit samtartiger Kraft und Weichheit drucken, wodurch eine geschlossene malerische Wirkung erzielt wird, auch gestattet das Verfahren dem Künstler volle Freiheit in der Entfaltung der persönlichen Technik. Für den mehrfarbigen Druck ist das Verfahren von Bedeutung, weil sich damit jede Farbe in allen ihren Nuancierungen mit einer Platte wiedergeben läßt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 912-913.
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