Tagewählerei

[283] Tagewählerei, der fast bei allen Kulturvölkern sich findende Glaube an Glücks- oder Unglückstage. Über die T. der Griechen belehrt uns das Hesiodsche Gedicht »Werke und Tage«; bei den Römern galten alle auf die Iden folgenden Tage als unglücklich, und dazu kamen die drei großen Unglückstage: 7. Mai, 8. Juli und 8. Nov., die den Toten gewidmet waren, und der gesamte Maimonat. An solchen Unglückstagen, deren Zahl sich durch die Daten verlorner Entscheidungsschlachten oder sonstiger nationaler Unglücksfälle vermehrte, durften keine neuen Unternehmungen begonnen werden, für die Eheschließung galt der ganze Monat Mai wie noch jetzt in Schottland und andern Ländern als unglücklich. Bei den Germanen galten die den Hauptgöttern Wotan und Donar heiligen Wochentage (Mittwoch und Donnerstag) für Glückstage, Dienstag und Freitag für unglücklich, und der Freitag gilt noch heute unzähligen Menschen als ein Tag, an dem man nichts beginnen darf. Im Mittelalter dehnte sich die T. bis auf die im Kalender verzeichneten Tage aus, an denen es gut sei, Haare zu schneiden, zu purgieren etc. Besonders lebendig ist die T. heute noch bei den Russen und Finnen, Indern, Chinesen und Japanern. Für den Wetteraberglauben sind die sogen. Lostage (s. d.) noch heute in Ansehen. Vgl. Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche (Stuttg. 1878).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 283.
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