Valentiniānus

[995] Valentiniānus, 1) V. I., Flavius, röm. Kaiser, aus Pannonien gebürtig, Sohn eines höhern Offiziers, geb. 321 n. Chr., zeichnete sich namentlich unter Julianus durch Tapferkeit aus und war Tribun der Leibwache, als er nach dem Tode des Jovianus 26. Febr. 364 in Nikäa vom Heere zum Kaiser ernannt wurde. Er war während seiner ganzen Regierung hauptsächlich damit beschäftigt, die Grenzen des Westreichs (das Ostreich hatte er seinem Bruder Valens überlassen) gegen die anwohnenden kriegerischen Völker zu schützen, obwohl er auch nicht versäumte, das Wohl des Reiches durch friedliche Maßregeln zu fördern und namentlich der Verödung des Reiches abzuhelfen suchte. Er starb in Bregetio (in der Nähe des heutigen Komorn) 17. Nov. 375, eine stattliche Erscheinung und ein kraftvoller Herrscher, persönlich sittenstreng und ein Freund der Wissenschaften, ein Christ aus Überzeugung und dabei doch tolerant gegen die Heiden.

2) V. II., röm. Kaiser, Sohn des vorigen und der Justina, wurde nach des Vaters Tod, obgleich erst vier Jahre alt, als Kaiser ausgerufen und von seinem ältern Bruder, Gratianus, als Mitaugustus anerkannt; als sein Anteil wurden ihm Italien, Illyrien und Afrika zugewiesen. Nachdem Gratianus 383 durch Maximus (s. d. 2) gestürzt und getötet worden war, wurde auch V. 387 von ihm aus Italien vertrieben, aber 388 durch Theodosius wieder in seine Herrschaft eingesetzt, die nunmehr das ganze Westreich umfaßte. Die Regierung führte für ihn erst sein älterer Bruder Gratianus, dann seine kluge Mutter, nach deren Tod der Franke Arbogast (s. d.), der ihn 392 in Vienna ermordete, als V. sich ihm entziehen wollte. Vgl. H. Richter, Das weströmische Reich, besonders unter den Kaisern Gratian, V. II. und Maximus (Berl. 1865).

3) V. III. (Flavius Placidius V.), röm. Kaiser, Sohn des Constantius, eines ausgezeichneten Feldherrn des Honorius, der mit diesem eine kurze Zeit die Herrschaft über das weströmische Reich geteilt hatte, und der Placidia, einer Tochter Theodosius' d. Gr., wurde, sechs Jahre alt, von Theodosius II. 425 als Kaiser des Westens eingesetzt. Seine Regierung, die hauptsächlich von seiner Mutter Placidia geführt wurde, ist außer durch Feigheit und Grausamkeit nur durch große Verluste des Reiches bezeichnet; denn infolge der Zwietracht seiner an sich trefflichen Feldherren Bonifatius und Aëtius (s. d.) ging 429 die Provinz Afrika an die Wandalen (s. d.) verloren, dann ein großer Teil von Gallien an die Franken, 449 Britannien an die Sachsen. 452 brach der Hunnenkönig Attila, nachdem ihn Aëtius im Verein mit den Westgoten auf den Mauriazensischen Feldern 451 glorreich geschlagen hatte, in Italien selbst ein, und nur sein plötzlicher Tod (453) verhinderte Wiederholung dieses Unternehmens. 454 stürzte V. durch Ermordung des Aëtius die letzte Säule seiner Herrschaft, bald darauf (455) fiel er selbst durch Mörderhand.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 995.
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