Wassergas

[408] Wassergas (Hydrokarbongas), ein brennbares Gasgemisch, das durch Einwirkung von Wasserdampf auf glühende Kohle (Koks, Steinkohle, Braunkohle)[408] dargestellt wird. Dabei entstehen theoretisch gleiche Volumen Kohlenoxyd und Wasserstoff. Nach dem ältern, nur noch wenig angewendeten Verfahren erhitzt man die Kohle durch eine besondere Feuerung in geschlossenen Retorten und leitet Wasserdampf hinein. Nach dem neuern Verfahren (Generatorprozeß) wird Kohle in Generatoren entzündet und gebrannt, bis sie eine Temperatur von 1000–1200° erreicht hat (Heißblasen), worauf man die Luft abschließt und Wasserdampf einleitet (Gasmachen). Um hierbei zu einem kontinuierlichen Betrieb zu gelangen, muß man zwei Apparate aufstellen, die sich stets in entgegengesetzter Phase befinden. Man bläst in der Regel 2–3 Minuten heiß und macht 7–10 Minuten Gas, wobei man aus 1 kg Koks bis 2,5 cbm W. gewinnt. Sehr häufig wird das W. (blaues Gas, weil es mit nicht leuchtender, blauer Flamme brennt) mit leichtem Mineralöl (aus Kokereien, Braunkohlenteer, Erdöl etc.) karburiert, auch von Kohlensäure befreit und gewaschen, um es als Leuchtgas zu benutzen. Der Karburierungsapparat wird dann mit dem Gaserzeugungsapparat verbunden. Die Zusammensetzung des Wassergases zeigt folgende Tabelle:

Tabelle

W. besitzt als Heiz- und Leuchtmaterial große Bedeutung, es gewährt die Vorteile der Gasheizung gegenüber der Heizung mit rohen Brennmaterialien, und das karburierte ist leichter herzustellen als das alte Leuchtgas. Bei der Herstellung von W. geht Wärme verloren, allein der Heizwert des Gases ist so viel vollkommener auszunutzen als der des rohen Brennmaterials, daß das W. immer noch einen großen Vorteil gewährt. Die große Verbrennungswärme des Wasserstoffes sowie die gegen Steinkohlen- und Generatorgas viel kleinere Flamme, mithin schnellere Verbrennung, welche die Erzielung sehr hoher Temperaturen ermöglicht, der geringe Preis und die Einfachheit des Betriebes machen das W. für viele technische Zwecke sehr geeignet. Anderseits bedingen der hohe Gehalt an giftigem Kohlenoxyd und die Geruchlosigkeit des Gases große Gefahr bei der Verwendung, die freilich durch einen sehr geringen Zusatz von Äthylmerkaptan gehoben werden kann. Man benutzt W. zum Heizen, Schmelzen, Schweißen, Lochen, Löten etc. und als Leuchtmaterial unter Anwendung von Platin, Magnesiakämmen oder Glühstrümpfen (vgl. Leuchtgas, S. 465). Karburiertes W. wird wie Leuchtgas benutzt. – Fontana entdeckte 1780 die Zersetzung des Wasserdampfes durch glühende Kohle, Vere und Crane suchten 1823 das W. technisch zu benutzen, und 1824 stellte Ibbetson karburiertes W. dar. Nachhaltigen Erfolg erzielte aber erst Selligue seit 1834 mit dem Apparat von Jobard, und 1846 benutzte Gillard W. zur Darstellung von Platingas. Zu größerer Bedeutung gelangte das W. in Amerika, wo das Vorkommen von Anthrazit und Petroleum die Herstellung von karburiertem W. begünstigte. Tessié de Motay führte 1871 den Generatorprozeß ein, und durch diesen und Lowes Apparat (1873) erhob sich der Industriezweig rasch zu einer solchen Verbreitung, daß sich gegenwärtig die überwiegende Mehrzahl der größern Städte Nordamerikas des nach verbesserten Methoden (Humphreys u. Glasgow, Strache u. a.) hergestellten karburierten Wassergases als Leuchtgas bedient. Unkarburiertes W. wird zu Gasglühlicht benutzt. In Europa erwachte das Interesse am W. erst zu Anfang der 1880er Jahre besonders durch die Arbeiten von Quaglio, Schiele und Bunte.

Unter Halbwassergas (Dowsongas, Mischgas, Generatorwassergas) versteht man ein Gas, das durch kontinuierliches Einblasen mittels eines Dampfstrahlgebläses von Luft mit Wasserdampf in glühende Kohle erhalten wird. Als Material benutzt man am besten Anthrazit und Koks, für einzelne Verwendungen sind aber auch Braunkohle, Torf, Holzabfälle, Spreu etc. brauchbar. Es enthält ca 18 Proz. Wasserstoff, 0,6 Proz. Methan, 25 Proz. Kohlenoxyd, 6 Proz. Kohlensäure und 50 Proz. Stickstoff und besitzt daher geringern Heizwert als W. Es wird meist in Einzelanlagen hergestellt, da es sich zur Verteilung von einer Zentralanstalt aus nicht eignet. Man benutzt es zum Betriebe von Gasmaschinen, zum Heizen, Kochen etc. Bei der Darstellung des Wassergases und des Dowsongases wird der Wasserdampf in einem Dampfkessel erzeugt und mittels eines Gebläses in die glühenden Kohlen geführt, beim Sauggas wird dagegen der Wasserdampf in einem durch das Gas selbst erhitzten Röhrensystem erzeugt und das Gas durch den Motor, zu dessen Betrieb es benutzt werden soll, angesaugt. Vgl. Quaglio, W. als der Brennstoff der Zukunft (Wiesb. 1880); Naumann, Die Heizungsfrage mit besonderer Rücksicht auf Wassergaserzeugung und Wassergasheizung (Gieß. 1881); Geitel, Das W. und seine Verwendung in der Technik (3. Aufl., Berl. 1900); Strache, Das W., seine Herstellung und Verwendbarkeit (2. Aufl., Wien 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 408-409.
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