[229] Kohle, das Produkt der Erhitzung pflanzlicher und tierischer Stoffe bei Luftabschluß. Alle pflanzlichen und tierischen Stoffe bestehen aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, und viele enthalten auch Stickstoff. Erhitzt man sie bei Abschluß der Luft, so zersetzen sie sich unter Bildung flüchtiger Verbindungen, durch die der größte Teil des Wasserstoffs, Sauerstoffs, event. auch des Stickstoffs in Form von Gasen, Teer und Essigsäure oder Ammoniak enthaltendem Wasser fortgeführt wird, und es bleibt, oft unter Erhaltung der Struktur der angewandten Substanz, ein schwarzer Rest, die K., die überwiegend aus Kohlenstoff besteht und je nach der Temperatur, der sie ausgesetzt war, noch mehr oder weniger Wasserstoff und Sauerstoff, event. auch Stickstoff enthält. Ähnlichen Zersetzungen unterliegt die organische Substanz bei jenem Prozeß, dessen erste Produkte Torf und Braunkohle und dessen Endglieder Steinkohle und Anthrazit (s. d.) sind. Auch hier wird ein kohlenstoffreiches,[229] wasser- und sauerstoffarmes Produkt, die fossile K., gebildet; aber der Prozeß schreitet nicht so weit fort, daß nicht durch Erhitzung der K. noch flüchtige, wasserstoffhaltige Verbindungen ausgetrieben werden könnten. Der aus fossiler K. gewonnene kohlenstoffreichere Rückstand solcher Operation sind die Koks (s. d.) Die bei dem Verkohlungsprozeß sich entwickelnden flüchtigen Zersetzungsprodukte, die großenteils aus Kohlenwasserstoffen bestehen, sind zum Teil bei höherer als ihrer Entstehungstemperatur zersetzbar, wobei sie einen Teil ihres Kohlenstoffs abscheiden. Eine derartige Abscheidung ist die Gaskohle (Retortengraphit), die sich an den heißesten Stellen der Retorten, in denen das Leuchtgas dargestellt wird, ablagert, sowie auch der Ruß, der sich bei unvollständiger Verbrennung der die Flamme bildenden Gase ausscheidet. Werden Körper verkohlt, die bei der Verkohlungstemperatur schmelzen (Zucker, Stärkemehl, Leim), so entsteht eine glänzende, blasige, leicht zerreibliche Masse (Glanzkohle). Die aus Kohlenwasserstoffen abgeschiedene K. (Gaskohle) und die durch Verkohlung reiner chemischer Verbindungen (z. B. Zucker) erhaltene K. enthalten nur Kohlenstoff mit wenig Wasserstoff und Sauerstoff, während stickstoffhaltige Substanzen eine stickstoffhaltige K. und Holz, Knochen und ähnliche Substanzen eine K. liefern, die auch mehr oder weniger mineralische Stoffe enthält. Diese bleiben als Asche zurück, wenn man die K. bei Luftzutritt verbrennt. Sehr reich an Mineralstoffen ist die Knochenkohle (s. d.), bei deren Erhitzung an der Luft der Kohlenstoff verbrennt und die Mineralstoffe unter Erhaltung der Struktur der Knochen zurückbleiben.
Holzkohle wird durch Erhitzen von Holz bei Luftabschluß dargestellt (Kohlenbrennerei). Bei dem aus dem Altertum stammenden Meilerbetrieb (Köhlerei) wird das Holz in annähernd halbkugel- oder kegelförmigen Haufen (Meilern) in großen Scheiten regelmäßig (und zwar stehend oder liegend) um drei in der Mitte errichtete Pfähle (Quandel) ausgesetzt und mit einer Decke von Rasen, Erde und Kohlenklein bedeckt. Unter dieser Decke entzündet man das Holz und leitet die Verbrennung bei sorgsam geregeltem, sparsamem Luftzutritt in der Weise, daß nicht mehr Holz verbrennt, als erforderlich ist, um die gesamte Holzmasse auf die Verkohlungstemperatur zu erhitzen. Im wesentlichen sollen nur die aus dem erhitzten Holze sich entwickelnden Gase oder Dämpfe verbrennen. Ist die Verkohlung vollendet, was man an der Farbe des entweichenden Rauches erkennt, so läßt man den Meiler abkühlen und nimmt ihn auseinander (Kohlenziehen, Kohlenlangen). Bei der Verkohlung in Haufen oder liegenden Werken wird das Holz in länglichen Haufen geschichtet, und die Verkohlung erfolgt allmählich von einem Ende des Haufens zum andern, wobei die verkohlten Stücke sogleich gezogen werden. Runde oder eckige gemauerte Meileröfen gestatten eine leichtere, vollständigere Gewinnung der Nebenprodukte (Teer, Holzessig, die beim Meilerbetrieb in der Regel verloren gehen), liefern aber geringere Ausbeute und weniger gute K. Eine bessere Leitung des Verkohlungsprozesses erreicht man bei Anwendung von Retorten, Röhren oder Zylindern, die von außen, zuweilen mit erhitzter Luft, mit Gichtgasen der Hochöfen etc. geheizt werden. Hierbei gewinnt man eine K. (destillierte K.), wie sie besonders für die Schießpulverfabrikation erforderlich ist. Man benutzt große eiserne Zylinder, die außerhalb des Ofens gefüllt, mit einem Deckel verschlossen und in den Ofen geschoben werden. Ein großer beweglicher Deckel schließt den Raum, in dem der Zylinder sich befindet. Die aus dem Holze sich entwickelnden Gase leitet man in die Feuerung. Die Temperatur wird mittels eines Pyrometers bestimmt. Rotkohle für Jagdpulver wird mit überhitztem Wasserdampf dargestellt. Als Nebenprodukt erhält man Holzkohle bei der Darstellung von Leuchtgas (s. d.) aus Holz, bei der Darstellung von Holzessig (s. d.) und bei der Teerschwelerei.
Holz gibt beim Erhitzen bis 150° nur hygroskopisches Wasser ab; dann entwickeln sich saure Dämpfe, von 300° ab immer dichter werdender gelber oder gelbbrauner Dampf und Gase. Beim Abkühlen der entweichenden Produkte erhält man Teer und Holzessig, der auch Methylalkohol, Aceton etc. enthält. Die Ausbeute an K. ist um so geringer, je höher die Temperatur gesteigert wurde, und zugleich wird die K. beständig reicher an Kohlenstoff und Asche und entsprechend ärmer an Wasserstoff und Sauerstoff. Die fortschreitende Zersetzung zeigt folgende Tabelle:
Das zwischen 270 und 300° erhaltene Produkt ist braunschwarz (Rotkohle, Röstkohle), sehr leicht entzündlich (bei 300°), hat bei einer um die Hälfte größern Ausbeute fast denselben Wirkungswert wie die über 340° erhaltene Schwarzkohle und wird deshalb zu metallurgischen Zwecken und wegen gewisser Eigenschaften zur Schießpulverfabrikation benutzt. Mit der Verkohlungstemperatur wächst die Dichtigkeit und die Leitungsfähigkeit der K. für Wärme und Elektrizität; zugleich aber sinkt die Entzündlichkeit der K. und ihre Neigung, Feuchtigkeit anzuziehen.
Vergleicht man das scheinbare Volumen (ohne Abzug der Zwischenräume) des Holzes mit dem der K., so liefern Eichenholz 71,874,6, Rotbuchenholz 73, Birkenholz 68,5, Hainbuchenholz 57,3, Föhrenholz 63,6 Proz. K. Dem wirklichen Volumen nach beträgt die Kohlenausbeute im Durchschnitt 47,6 Proz. 100 kg lufttrocknes Holz geben langsam, bez. schnell verkohlt:
Harzfreies, nicht saftreiches Holz gibt glanzlose, höchst poröse K.; die aus harzigem, saftreichem Holz erhaltene K. enthält im Innern der Zellen die aus den Saftbestandteilen gebildete Glanzkohle. Stets ist Holzkohle leicht zerreiblich, aber nur infolge ihrer Struktur;[230] die Kohlensubstanz ist hart und ein gutes Poliermittel für Metall. Bei gewöhnlicher Temperatur ist sie höchst beständig und liegt jahrhundertelang im Boden, ohne sich zu verändern; sie absorbiert begierig Gase und Dämpfe (85100 Vol. Ammoniak, 1,75 Vol. Wasserstoff, an der Luft etwa 8 Proz.) und aus Flüssigkeiten gelöste Stoffe. Im allgemeinen absorbiert bei niedriger Temperatur dargestellte K. am stärksten.
Der von der K. absorbierte Sauerstoff wirkt kräftig oxydierend, er verwandelt z. B. Schwefelwasserstoff in Schwefelsäure und Wasser, Ammoniak in salpetersaures Ammoniak, Schwefelammonium in schwefelsaures Ammoniak; auch Fäulnisprodukte werden energisch zerstört, und mit K. umgebenes Fleisch zersetzt sich erst nach längerer Zeit u. ohne Fäulniserscheinungen. K. wirkt geruchlos machend, indem sie riechende Stoffe absorbiert; übelriechendes, fauliges Wasser wird durch frisch ausgeglühte Holzkohle gereinigt, Weingeist vom Fuselöl befreit. Aber die K. wirkt nicht auf die im Wasser enthaltenen Bakterien, die auch beim Filtrieren des Wassers durch K. durch das Filter gehen; das Wasser wird also geruchlos, aber nicht von den Krankheit erregenden Organismen befreit. K. absorbiert Farbstoffe, insbes. wirkt die stickstoffhaltige K. (Knochenkohle in erster Reihe) stark entfärbend. Neben den Farbstoffen werden auch Salze von der K. absorbiert, und darauf beruht zum großen Teil der Wert der Knochenkohle für die Zuckerfabrikation. K. entzieht dem Kalkwasser den Kalk, fällt Metalloxyde, besonders die der schweren Metalle, aus den wässerigen Lösungen ihrer Salze oder absorbiert letztere unverändert; Silber- und Kupfersalze werden durch K. reduziert. Bitterstoffe, Glykoside, besonders Alkaloide, werden ebenfalls absorbiert. Bei längerm Liegen an der Luft verliert die K. ihr Absorptionsvermögen, erlangt es aber wieder durch Ausglühen; auch können der K. die aus Flüssigkeiten aufgenommenen Substanzen wieder entzogen werden (Wiederbelebung), so daß sie namentlich nach darauffolgendem Ausglühen von neuem benutzbar ist.
Man benutzt Holzkohle zur Erzeugung intensiver Hitze besonders überall da, wo Rauch- und Flammenbildung vermieden werden muß, z. B. im Schmiedefeuer, beim Glühendmachen von Plättstählen, bei chemischen Operationen, beim Erhitzen von Gegenständen im Zimmer etc. Da sie Metalloxyde reduziert, dient sie zur Gewinnung von Metallen aus den Erzen. Doch sucht man sie soviel wie möglich durch die billigere Steinkohle oder Koks zu ersetzen. Holzkohle dient ferner zur Darstellung von Schießpulver und Stahl, zum Entfuseln des Branntweins, zum Klären und Entfärben von Flüssigkeiten, zum Filtrieren des Wassers, zum Konservieren fäulnisfähiger Substanzen, zum Desinfizieren, zum Reinigen von Kohlensäure (für Mineralwässer), Wasserstoff, ranzigen Fetten und dumpfigem Getreide, als Zahnpulver, als Poliermittel für Metalle, zur Füllung von Aspiratoren für die Benutzung in Räumen, in denen schädliche Gase befindlich sind. In Fässern, die inwendig verkohlt sind, bleibt Wasser sehr lange frisch. Zierpflanzen mit faulenden Wurzeln pflanzt man in mit Holzkohle gemischte Erde. Große Wunden an Saftgewächsen heilen leicht, wenn man sie mit Kohlenpulver bestreut, auch kann man solche Gewächse, Knollen und Samen für langen Transport vorteilhaft in K. verpacken. Retortengraphit und nach besonderm Verfahren bereitete Koks werden zu galvanischen Batterien und zu den Polspitzen beim elektrischen Licht benutzt (s. unten). Tierische K. dient zum Entfärben von Flüssigkeiten, Knochenkohle namentlich in der Zuckerfabrikation. Manche Kohlensorten benutzt man als schwarze Farbe (Frankfurter schwarz, Beinschwarz, chinesische Tusche etc.) und Linden- und Weidenkohle zum Zeichnen.
wird aus Anthrazit, Koks, Ruß, Steinkohlenteer, Graphit, auch aus Retortengraphit dargestellt, der sich aber wegen seiner großen Härte nur mit Diamantsägen und Karborundumscheiben bearbeiten läßt. Anthrazit und Koks werden gemahlen, Ruß wird zunächst mit Teer gemischt und zu Nudeln geformt, die man im Ofen brennt und dann mahlt. Das Pulver aller Materialien wird mit Teer angeknetet und die Masse im Stampfwerk bearbeitet. Zur Herstellung größerer Kohlenplatten benutzt man hydraulische, für Mikrophonkohle und Elementenplatten Schraubenpressen. Eine gut gepreßte Platte muß glatte Oberfläche besitzen und so hart sein, daß man nur mit Anstrengung ein Messer hineinstecken kann. Die Enden der Platten werden sauber beschnitten und geglättet, ferner werden Löcher gebohrt und Ansätze für Fassungen und Zuleitungen gefräst. Die fertigen Platten bestäubt man zur Verhinderung des Zusammenklebens mit Graphit, verpackt sie, um sie vor Zutritt der Luft zu schützen, mit Kokspulver in Tiegeln oder Kassetten aus Schamotte und brennt sie in Ringöfen, die man mit Steinkohlen- oder Wassergas heizt. Dabei ist Sorge zu tragen, daß die Kohlenkörper nicht zu schnell erwärmt oder abgekühlt werden, damit sie nicht Risse bekommen. Das Brennen nimmt etwa zehn Tage in Anspruch, dabei muß die Masse vollständig zusammensintern, so daß die Platten beim Anschlagen einen klingenden, metallischen Ton geben. Zu schwach gebrannte Platten haben kurze Lebensdauer und großen elektrischen Widerstand. Die Kohlenstifte für Bogenlampen werden aus Ruß und Teer hergestellt, wobei jede geringste Verunreinigung sorgfältig zu vermeiden ist. Zur sichern Entfernung von Eisenteilen leitet man das Material über einen mit kleinen Stahlmagneten besetzten endlosen Riemen. Nach dem Brennen werden die Stäbe abgeputzt, poliert und auf Karborundumscheiben zugespitzt. Die künstliche K. wird benutzt als Elektroden in galvanischen Elementen, bei Trockenelementen, für Mikrophone, Bogenlicht, zu den Kohlebürsten, die als Stromabnehmer auf dem Kollektor der elektrischen Maschinen schleifen, u. für die Elektroden des elektrischen Ofens bei der Darstellung von Aluminium und Karbiden. Vgl. Zellner, Die künstlichen Kohlen für elektrotechnische und elektrochemische Zwecke, ihre Herstellung und Prüfung (Berl. 1903).
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