Torf

[621] Torf (hierzu Tafel »Torfgewinnung« mit Text), eine aus pflanzlichen Substanzen in verschiedenem Grade der Zersetzung bestehende Masse. Der aus abgestorbenen Pflanzen gebildete T. läßt in den ersten Stadien der Bildung die Struktur der Pflanzen noch deutlich erkennen; bei tiefergreifender Zersetzung entsteht ein homogener, anscheinend strukturloser Körper. Nicht selten sind im Torflager die untern Schichten, als die ältern und die dem größern Druck ausgesetzten, in der Zersetzung weiter vorgeschritten (reifer) als die obern (unreifen). Der T. bildet sich in den Mooren (Lohden der Oberpfälzer, Ried in Schwaben und Thüringen, Moos in Bayern, s. Moor) und erreicht in denselben eine Mächtigkeit von 1–11 m. In abgebauten Torflagern pflegt der T. nachzuwachsen, wenn mit der Entfernung der Torfmasse nicht zugleich auch die Ursachen zur Moorbildung hinweggenommen wurden. Nur wo (natürliche oder künstliche) Entwässerung und (natürliche oder künstliche) Änderung des wasserundurchlassenden Untergrundes in einen durchlassenden vorliegt, unterbleibt das Nachwachsen. Das Alter mancher Moore beweisen die in den untern Schichten derselben aufgefundenen vorgeschichtlichen Gegenstände (s. Moorfunde) und Reste jetzt ausgestorbener Tiere (Riesenhirsch, Bos primigenius, Elephas primigenius). – Bei der Umwandlung der abgestorbenen Pflanzensubstanz in T. zersetzen sich zunächst unter dem Einfluß fermentartig wirkender Organismen die eiweißartigen Körper, Kohlehydrate und andre lösliche Bestandteile der Pflanzen unter Bildung von Kohlensäure, Schwefelwasserstoff, Phosphorwasserstoff, Ammoniak und Humussäuren. Langsamer zersetzt sich die Holzfaser zu einer erst gelben (Ulmin), später braunen Masse (Humin), während der Gehalt der Pflanzen an unlöslichen Mineralsalzen und Kieselsäure unverändert in das Zersetzungsprodukt übergeht. Durch eigne Schwere und durch den Druck nachwachsender Generationen von Pflanzen sinken die Massen zusammen, verdichten sich und unterliegen einer stetig fortschreitenden Umsetzung, als deren gasige Hauptprodukte sich Kohlensäure und Kohlenwasserstoffe bilden, während die Masse selbst schwärzer, homogener und reicher an Kohlenstoff wird. Die entwickelten Gase rufen mitunter in der zähflüssigen Masse Aufblähungen hervor, die, wenn die Masse den Rand übersteigt, zu Moorausbrüchen führen können. Übrigens ist die große wasseraufsaugende Kraft des Torfes ebenfalls oft die Ursache solcher Aufblähungen und Ausbrüche. – T. besitzt keine bestimmte chemische Zusammensetzung und ist auch in seinen physikalischen Eigenschaften je nach dem Grad, bis zu dem die Umsetzung sich bereits vollzogen hat, sehr verschieden. So ist der T. bald schlammartig, bald dicht, hellgelb, dunkelbraun oder pechschwarz. Oberflächlich getrocknet, kann er 50–90 Proz. Wasser aufnehmen und gibt es in trockener Luft nur sehr allmählich ab, verliert aber diese Eigenschaft, sobald er vollkommen ausgetrocknet ist. Bei Abschluß der Luft erhitzt, gibt er Kohlensäure, Kohlenoxyd, Kohlenwasserstoffe, Ammoniak, Teer und Wasser; seine Asche ist arm an Alkalien, sie enthält tonigen Sand, Magnesium- und Calciumsulfat sowie Eisenoxyd neben wenig Phosphorsäure und Chlor. Für die quantitative Zusammensetzung ergeben sich folgende ungefähre Grenzwerte für die organische Substanz: Kohlenstoff 40–60 Proz., Wasserstoff 4–6,5, Sauerstoff 25–35, Stickskoff 1–6. Benennungen einzelner Varietäten des Torfes sind, solange sich die die Hauptmasse bildenden Pflanzen erkennen lassen, diesen entnommen, so: Konserventorf (wesentlich aus Konserven gebildet), Moostorf (Sphagnum), Wiesentorf (Ried- und Wollgräser [Eriophorum], Binsen), Heidetorf (Calluna), Holztorf (Wurzel- und Stammteile von Weiden, Erlen etc.). Der sogen. Meertorf ist wohl ebenfalls aus Süßwasserpflanzen entstanden, und sein heutiges Vorkommen am Meeresgrund oder am Ufer in einem tiefern Niveau als die Meeresoberfläche ist eine Folge von Senkungen. Nach dem Zustand, in dem sich die in Zersetzung begriffenen Substanzen befinden, unterscheidet man mehrere Sorten: Fasertorf (Moos-, Heide-, Schilf-, Wurzeltorf) bildet die jüngern Schichten, ist noch reich an wenig vermoderten Pflanzenfasern, daher hell und leicht und verbrennt schnell ohne große Heizkraft. Sumpf- oder Modertorf, braun, schwer, gut durchmodert, aus tiefern Schichten oder ältern Mooren. Pech-, Spicktorf, die schwerste und älteste Sorte, mit nur noch wenig erkennbaren Pflanzenresten, getrocknet mit tiefdunkler, wachsglänzender Schnittfläche. Im Papiertorf ist unvollkommen zersetzte Pflanzenmasse in dünne, leicht voneinander abzuhebende Lagen geteilt. Der Bagger- oder Schlammtorf stellt frisch einen Brei dar, der beim Trocknen fest und kompakt wird. Als gelegentliche Bestandteile finden sich im T., außer Fragmenten noch nicht vollkommen zersetzter Vegetabilien, menschliche und tierische Reste, die sich meist in einem sehr vollkommenen Erhaltungszustände befinden (vgl. Moorfunde und Moorleichen). Ferner kommen vor Eisenkies und Strahlkies, seltener Kupferkies, Zinkblende und sonstige Reduktionsprodukte von Sulfaten. Erstere geben durch gelegentliche Oxydation die Veranlassung zur Bildung von Gips, Bittersalz, Alaun, Glaubersalz und besonders Eisenvitriol, der bisweilen in solchen Mengen dem T. beigemengt ist, daß er daraus gewonnen wird (Vitrioltorf). Ferner ist Blaueisenerde ziemlich häufig, seltener Kochsalz, letzteres nur in tief gelegenen, dem Meere benachbarten Mooren. Über die Verbreitung der Torfmoore in Deutschland s. Moor. Deutschland besitzt vielleicht an 10 Milliarden Ton. T., man gewinnt jährlich 9–10 Mill. Ton., da der T. in weiten Gebieten fast ausschließliches Brennmaterial ist. Auch in der nördlichen Schweiz, am Südabhang der Alpen, in den Tiroler, Salzburger und Kärntner Alpen bis nahe zur Schneegrenze kommen Moore vor; 10 Proz. des irischen Landes sind von ihnen bedeckt. Ebenso zahlreich sind sie in Schottland, Skandinavien, Rußland. Asien ist arm an T.; aus Afrika ist keine echte Torfbildung bekannt. Dagegen sind die Moore in Nordamerika stark verbreitet, und auch in Südamerika werden viele aus den Anden beschrieben. Über die Gewinnung des Torfes s. die beifolgende Tafel.

Im allgemeinen enthält lufttrockener T. 15 Proz Wasser, 75 Proz. organische Substanz und 10 Proz. Mineralstoffe. Der Aschengehalt schwankt zwischen 0,5 und 50 Proz. Bei mehr als 25 Proz. ist der T. als Brennmaterial unbrauchbar. Das spezifische Gewicht des Torfes beträgt etwa 0,2–1,04, so daß in 1 cbm 213–1039 kg trockene Masse enthalten sein können. Nach Karsten leisten bei Siedeprozessen 2,5 Gewichtsteile T. so viel wie 1 Gewichtsteil Steinkohle. Nach Vogel ist die Verdampfungskraft von lufttrockenem Fasertorf mit 10 Proz. Wasser 5,5 kg, von Maschinentorf mit 12–15 Proz. Wasser 5–5,5 kg und von[621] Preßtorf mit 10–15 Proz. Wasser 5,8–6,0 kg. Man benutzt T. als Heizmaterial für Hausfeuerungen, seltener in industriellen Anlagen. Für manche Zwecke wird homogener, dichter T. in Meilern, Haufen oder Öfen verkohlt. Die Torfkohle gibt wegen ihrer geringen Dichtigkeit und des großen Aschengehalts kein intensives Feuer und ist leichter zerdrückbar als Holzkohle. Recht günstige Resultate hat man durch Verkokung von gutem aschearmen Preßtorf nach dem Zieglerschen Verfahren erzielt. Man gewinnt sehr festen und reinen Koks, der einen schätzenswerten Ersatz für Holzkohle bietet, und außerdem Ammoniak und andre Destillationsprodukte. Torfgasfeuerungen sind für Puddel- und Schweißöfen, für Glashüttenbetrieb, zum Brennen von Tonwaren, Ziegeln etc. und namentlich für den Betrieb von Großgasmaschinen angewendet worden, im allgemeinen aber konnte sich der T. gegenüber der Stein- und Braunkohle weder bei Hausfeuerungen noch in der Industrie behaupten. Die Unsicherheit des Bezuges und die Schwierigkeit, das sehr voluminöse und durch Witterungseinflüsse leicht entwertete Material aufzustapeln, trat als besonders hinderlich hervor. Wenn auch der Heizeffekt des Torfes, für die Gewichtseinheit berechnet, ein günstiger ist, so setzt doch das drei- bis vierfache Volumen gegenüber der Steinkohle der Verwendung sehr bald Schranken. Aussichtsvoll ist nur die Vergasung des Torfes in einem Gemisch von Luft und hoch erhitztem Wasserdampf und die Benutzung des erhaltenen Gases zum Betrieb von Gaskraftmaschinen und zur Erzeugung von Elektrizität. Hierbei kann ungeformter T. mit 50–55 Proz. Wassergehalt benutzt werden. 100 kg wasserfreie Torfmasse mit etwas mehr als 1 Proz. Stickstoff lieferten dabei 2,8 kg schwefelsaures Ammoniak und 250 cbm Kraftgas mit einem Heizwert von 1300 Kalorien. Diese Verarbeitung des Torfes kann in den Moorgebieten selbst ausgeführt werden, da die Elektrizität auf weite Entfernungen hin verwertbar ist. Man hat auch T. der trockenen Destillation unterworfen, um Leuchtgas (s. d., S. 467), Paraffin, Photogen, Ammoniak etc. zu gewinnen. Weitere Anwendung findet der T. zur Pappenfabrikation, zur Gewinnung von Torfwolle (s. d.), als Dungmittel, als Streumaterial (s. Torfstreu), als Isolations- und Packmaterial zur Schalldämpfung, in Form von Moostorfsteinen für Zwischenwände, als Platten für Insektensammlungen etc. Vgl. Wiegmann, Über die Entstehung, Bildung und das Wesen des Torfes (Braunschw. 1837); Grisebach, Über die Bildung des Torfes in den Emsmooren (Göttingen 1846); Senft, Die Humus-, Marsch-, Torf- und Limonitbildungen (Leipz. 1862); Vogel, Der T., seine Natur und Bedeutung (Braunschw. 1859) und Praktische Anleitung zur Wertbestimmung von Torfgründen etc. (Münch. 1861); Hausding, Industrielle Torfgewinnung (2. Aufl., Berl. 1904); E. u. K. Birnbaum, Die Torfindustrie etc. (Braunschw. 1880); Sitenský, Über die Torfmoore Böhmens (Prag 1891); Schreiber, Neues über Moorkultur und Torfverwertung (Verlag des österreich. Moorvereins, seit 1900); Thenius, Die technische Verwertung des Torfes (Wien 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 621-622.
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