Geologische Beschaffenheit. Vgl. die »Geologische Karte von Österreich-Ungarn«. Der größte Teil des Königreichs Ungarn wird von diluvialen und alluvialen Bildungen zusammengesetzt; man kann mit dem österreichischen Geologen Wolf hier diluviale Randbildungen und zwar Schotter und Löß mit dem Nyirok (ein meist rötlich gefärbter Ton) von den gleichalterigen diluvialen Beckenbildungen, als Driftton, Driftsand und Lößsand, unterscheiden. Umzogen und unterlagert werden diese quartären Ablagerungen von tertiären Schichten, die teils der aquitanischen, teils den beiden mediterranen Stufen, besonders aber der sarmatischen Stufe angehören. Auf dieser lagern als jüngstes Tertiär die Kongerienschichten und hier und da noch mächtige Süßwasserkalke mit reicher Landschneckenfauna, die zur levantinischen Stufe gerechnet werden. Ältere Formationen spielen in der Bodenbildung Ungarns nur eine sehr untergeordnete Rolle; es finden sich kristallinische Schiefer in Verbindung mit Granit in Oberungarn südlich von der Tatra und in der Fruska gora, paläozoische Schichten (Devon und Karbon) bei Dobschau und weiter südlich, Trias, Jura und Kreide am Plattensee und im Bakonyer Waldgebirge, in Oberungarn und bei Fünfkirchen. Von jüngern Eruptivgesteinen sind zu erwähnen die Trachyte aus der Gegend von Schemnitz-Kremnitz und Eperjes-Tokaj, die man in Propylite, echte Trachyte und Rhyolithe einteilt, dann die Basalte, die an zahlreichen Stellen, besonders im Bakonywald, auftreten. Von nutzbaren Mineralien sind hauptsächlich wichtig die Kohlen (im Jura von Fünfkirchen und Steyerdorf), das Steinsalz (im Miocän der Karpathen), ferner silberhaltiger Bleiglanz, Blende, Eisenkies und Gold auf Gängen im Schemnitzer Trachytgebirge (vgl. Abschnitt Bergbau sowie auch unter Österreich, Karpathen, Europa etc.).
Das Klima hat infolge der Umwallung Ungarns durch die Karpathen südlichem Charakter, als man nach der geographischen Lage vermuten sollte. Nicht bloß hält das Gebirge die Nord- und Ostwinde ab, sondern es verhindert auch Stürme, so daß diese dort wenig bekannt sind (Windstärke 8 wird selten beobachtet). Die weite Donau- und Theißebene hat im Sommer große Hitze, im Winter strengen Frost; auch die siebenbürgischen Täler weisen sehr extreme Verhältnisse auf. In den höhern Lagen herrscht Gebirgsklima. Mittlere Temperaturextreme: Árvaváralya (Tatra) 30° und_26°, Budapest 33° und_12°, Fünfkirchen 33° und_13°, Agram 34° und_14°, Fiume 33° und_4°, Pancsova 37° und_16°, Kronstadt 31° und_18°, Klausenburg 34° und_22°, Debreczin 35° und_16°. Im größten Teil von Ungarn dauert die Hauptregenzeit vom Mai bis August mit dem Maximum schon im Juni; nur im SW. bis an die Adria ist sie geteilt (Juni und Oktober). Als Jahresmenge kann man für das ebnere Ungarn 5060 cm annehmen, während sie nach den gebirgigen Rändern rasch zunimmt, so hat Budapest 67, Debreczin 65, Szegedin 55, Orsova 92, Hermannstadt 68, Kozmescsek (Theißquelle) 108, Árvaváralya 89, Kremnitz 91, Preßburg 69, Fünfkirchen 84, Agram 90 und Fiume 159 cm; in Fiume kommen Tagesmengen von mehr als 150 mm öfter vor. Infolge der großen Hitze und starken Verdunstung genügen die Sommerregen, die denen Norddeutschlands an Menge gleichen, im Alföld häufig nicht; es tritt Dürre ein, bei welcher der Sandboden Temperaturschwankungen von über 60° am Tage (z.B. 67° mittags und 6° am andern Morgen) zeigt und Fata Morgana beobachtet wird.
Pflanzenwelt. Die ursprüngliche Flora Ungarns zeigt Anklänge an die Vegetation der südrussischen Steppen. Das zentrale ungarische Tiefland ist baumarm, während die Hügelwellen seines Randgebietes am Fuße der Berglandschaften hier und da Wälder von Stieleichen mit eingesprengten Ulmen, Espen, Silberlinden und Birken, bisweilen auch reine Birkenwälder tragen. Waldstreifen greifen auch längs der Flußläufe in das Steppenland ein; vorherrschend sind hier Pappeln und Weiden, daneben kommen auch Eschen- und Erlenbestände vor. Reich entwickelt zeigt sich die Pflanzenwelt der Schlamm-, Torf- und Salzsümpfe, mit Formationen von Rohr-, Binsen- und Riedgräsern. Von letztern bildet Carex stricta die berüchtigte Zsombekformation, die aus zahllosen, isoliert und doch dicht nebeneinander wachsenden Rasen dieser sumpfbewohnenden Art besteht; jeder Rasen gleicht einer Art von Säule, deren unterer, in das Wasser eintauchender Teil aus einem braunen, abgestorbenen und sich in Torf verwandelnden Geflecht von Wurzelfasern besteht, während der über Wasser befindliche, grüne Schopf starre und schneidend scharfe Blätter und Halme hervortreibt; ein zwischen diesen Zsombekrasen sich verirrendes Rind kommt selten wieder zurück, da es unfähig ist, auf dem Schöpf der Graspolster fortzuschreiten und es sich beim Waten im Wasser an den scharfen Blättern die Klauen verwundet. Auf Sumpfboden mit zusammenhängender Rasendecke tritt eine ziemlich reichhaltige Wiesenmoorflora auf: Salzgehalt des Bodens ruft charakteristische Halophyten, wie Statice Gmelini, Achillea crustata, Salzaster (Aster Tripolium), zahlreiche Salzmelden, auch einige Gräser (Arten von Crypsis u.a.) hervor. Die ungarische Steppenflora erstreckt sich fast über drei Breitengrade und umfaßt ein Areal von 33,000 qkm. Zu den Hauptcharakterpflanzen dieses Gebietes gehören das mannshohe, durch blaugescheckte, metallisch glänzende Ährchen ausgezeichnete Goldbartgras (Pollinia Gryllus) und zwei Arten von Federgräsern (Stipa capillata und pennata); die Grannen letztgenannter Art bilden als »Waisenmädchenhaar« einen beliebten Hutschmuck der ungarischen Landbevölkerung. Außerdem wächst eine große Schar von Schmetterlingsblumen, Korbblütlern, Nelken u.a. in der Steppe. Die Pflanzenwelt letzterer erwacht kurze Zeit nach dem Schmelzen des Schnees in zahlreichen Zwiebelgewächsen, im Mai gleicht ihre Pflanzendecke einem Blumengarten, im Juni folgen noch einige dürrblätterige, strohblumenähnliche Pflanzen, bis im Hochsommer Stauden und Halme völlig vertrocknen und das Land zu einer trostlosen Einöde wird. Erst im Spätherbst sprossen wieder einige Blumen, wie die Sandnelke und die Sandzeitlose, hervor.
Völlig abweichend von der Pflanzenwelt des ungarischen Tieflandes zeigt sich die Flora des Bihargebirges. Den Gebirgsfuß umsäumt ein breiter Gürtel von Eichenwäldern, in denen die südöstliche Cerreiche (Quercus Cerris) nicht fehlt. Als Unterholz kommt Acer tataricum vor; auch eine mannshohe Staude mit goldgelben Blütenköpfen und großen herzförmigen Blättern (Telekia speciosa) ist charakteristisch. Über dem Eichengürtel folgen Buchenbestände, weiter aufwärts Fichtenwälder, die auf der östlichen Seite viel tiefer hinabsteigen als auf der westlichen. Über der Waldzone tritt noch ein Strauchgürtel mit Krummholzfichte (Legföhre), Grünerle und Zwergwacholder auf; die Hochkämme des Gebirges werden von kurzrasigen Wiesen mit eingemengter Hochalpenflora bekleidet. Über die Flora der Karpathen s.d.
Die Tierwelt Ungarns, zur europäischen Subregion der paläarktischen Region gehörig, weist entsprechend seiner südlichen Lage einzelne Formen der mediterranen Subregion auf. Charakteristisch für Ungarn ist auch die Ausbildung einer Steppenfauna, der eigne Formen, wie die Blindmaus (Spalax typhlus), die Streifenmaus (Sminthus vagus) und die Johanniseidechse (Ablepharus pannonicus), angehören. Von den größern Raubsäugetieren kommt der Wolf in einzelnen Teilen von Ungarn, Siebenbürgen und Kroatien noch vor. Im ungarischen Tiefland tritt, wenn auch selten, der Schakal auf; nicht allzu selten findet sich in Oberungarn der Nörz. Im kroatischen Hochland und in den von dichten Wäldern bestandenen Überschwemmungsgebieten, besonders im sogen. Drau-Eck, ist noch ein prachtvoller, freier Rotwildstand vorhanden. Für die Vogelwelt Ungarns ist der große Wasserreichtum größerer Bezirke des Landes von Bedeutung; an der untern Donau, wie überhaupt am Lauf dieses und der andern großen Flüsse, speziell auch in deren Überschwemmungsgebieten, wo die mit Röhricht bewachsenen Niederungen ausgezeichnete Brutplätze bieten, finden sich Scharen von Vögeln zu ganzen Brutkolonien zusammen, die man mit den nordischen Vogelbergen verglichen hat. Von den interessantern Formen seien erwähnt: Kormoran, schwarzer Ibis, Silber-, Mähnen-, Seiden-, Schöpf- und Purpurreiher, Zwergrohrdommel. Eine eingehende Schilderung dieser großartigen Vogelniederlassungen und genauere Angaben über die Fauna Ungarns gibt A.v. Mojsisovics (»Zoologische Übersicht der österreichisch-ungarischen Monarchie«, I, Wien 1887). Reptilien besitzt Ungarn 14 Arten, unter ihnen die Äskulapschlange und den bis zu 2,5 m langen Coluber caspius, eine östliche Form; zu den vier besonders an den Flußläufen lebenden Schildkrötenarten kommt als Ausnahme, nämlich in der Donauniederung bei Orsova, noch die griechische Schildkröte hinzu; von Amphibien scheint Ungarn charakteristische Arten nicht aufzuweisen. Die Flüsse Ungarns sind sehr fischreich; in Betracht kommt vor allem der Donaukarpfen, sehr häufig sind ferner Sterlet, Wels, Zander, Hecht, Barsch, Schleie, Weißfische; Störe gibt es in der Donau unterhalb Apatin und in der Theiß; der Buchen fehlt der ungarischen Donau, wird dagegen in den Nebenflüssen Dran, Waag und Körös gefangen. Sehr fischreich ist auch der Plattensee, er enthält neben Wels, Zander, Karpfen und den bekanntern Formen auch Ukelei und Rapfen; fischarm oder auch ohne Fische sind die Seen der Tatra. Die Molluskenfauna gehört zu Kobelts germanischer Provinz der paläarktischen Region, doch treten in der Hohen Tatra alpine Formen auf, und in der Ebene finden sich Vertreter der levantinischen Fauna. Von den Insekten sind als eigenartig einige Schmetterlinge (Colis, Agrotis) und Käfer (Sand- und Laufkäfer) als Steppenformen zu erwähnen.
Brockhaus-1809: Ungarn · Ungarn
DamenConvLex-1834: Theresia, Maria, Königin von Ungarn und Böhmen und Kaiserin von Oestreich · Ungarn · Anna von Ungarn · Maria, Königin von Ungarn
Meyers-1905: Ungarn
Pataky-1898: Maria, Königin von Ungarn
Pierer-1857: Ungarn [1] · Ungarn [2] · Schwarz-Ungarn · Nieder-Ungarn · Ober-Ungarn
Buchempfehlung
Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro