|
[817] Dieses Werk verdankt seine Entstehung wahrscheinlich nur dem Wunsche, der Nṛisiṅha-uttarâ eine entsprechende Râma-uttarâ gegenüberzustellen. Zu diesem Zwecke raffte man allerlei Upanishadstücke zusammen und gab ihnen, unter Beseitigung oder Modifikation der ursprünglichen Tendenz, eine dem Râmakultus entsprechende Gestalt, wobei das Verfahren einigermassen an jene römischen Kaiserinnen und vornehmen Damen erinnert, welche griechischen Götterstatuen den Kopf abschlagen liessen, um ihn durch ihr eigenes Porträt zu ersetzen.
Das Grundgewebe bilden als §§ 1 und 4 die beiden ersten Kapitel der Jâbâla-Upanishad, welchen als §§ 2 und 3 zwei aus Târaka- und Mâṇḍûkya-Upanishad entlehnte Stücke eingeschoben und als § 5 eine nach Nṛisiṅhapûrvatâp. 4,3 (wie diese wieder nach Atharvaçiras 2) modellierte Doxologie angehängt wurden.
1. Zunächst wird die Stelle Jâbâlop. 1 reproduziert, welche lehrt, dass der, welcher in Avimuktam (einer Örtlichkeit in Benares) sterbe, durch Rudra sofortige Erlösung erlange, dass aber der Sannyâsin, wo er auch immer wandere, Avimuktam bei sich habe. Die Lösung des Rätsels folgt im nächsten Kapitel, Jâbâlop. 2. Auch dieses eignet sich unsere Upanishad an, jedoch erst als § 4, nachdem zwei andre Stellen vorher eingeschoben worden.
2. Die erste dieser Einschiebungen ist die kleine, nur im Oupnek'hat erhaltene1 Târaka-Upanishad (bei Anque til II, 378-379), welche den Om-Laut als târaka »rettend« feiert, dabei sechs Elemente an demselben (a, u, m, Halbmora, bindu, nâda) unterscheidet und zum Schlusse versichert,[818] sichert, dass, wer Om kenne, nach Avimuktam gelangt sei (so 'vimuktam âçrito bhavati; bei Anquetil: scit, quod in locis benedictis, quod sedes liberationis est, sit, d.h. er weiss, dass er in Avimuktam sei). – Diese Erwähnung von Avimuktam mag, neben der Ähnlichkeit der Einkleidung, der Hauptgrund für die Heranziehung der Târaka-Upanishad gewesen sein; hinzu kam noch die Leichtigkeit, mit der sich den von ihr genannten Elementen des Om-Lautes (die Stelle ist bei Anquetil nicht völlig klar) die Râmaformel: » Om! Râm Râmâya namaç, candrâya namo, bhadrâya namaḥ« substituieren liess. Ausser dieser Substitution der Formel scheint der Rest der Upanishad wörtlich inkorporiert zu sein; da aber derselbe nicht den Râma, sondern nur den Om-Laut und seine Bestandteile verherrlicht, so war noch eine weitere Umdeutung dieser auf den Râmamythus erforderlich.
3. Dies geschieht im folgenden Abschnitte, welcher zunächst in vier Çloka's den a-Laut (viçva) dem Lakshmaṇa, den u-Laut (taijasa) dem Çatrughna, den m-Laut (prâjña) dem Bharata, die Halbmora dem Râma und den ganzen Praṇava der Sîtâ als Mûlaprakṛiti gleichsetzt. Da diese ganze Konstruktion wesentlich auf der Mâṇḍûkya-Upanishad (oben S. 577- 582) beruht, so wird weiter, gleichsam als Kommentar dazu, Mâṇḍûkya-Up. 1-7 wörtlich zitiert. Eine Hinweisung auf die Identität der individuellen mit der, als Râma vorgestellten, höchsten Seele bildet den Schluss.
4. Jetzt erst greift unser Kompilator auf die Jâbâla-Upa nishad zurück, indem er ihr zweites Kapitel wörtlich ausschreibt, in welchem Avimuktam auf den Ort zwischen Augenbrauen und Nase gedeutet wird, wodurch erst die frühere Äusserung, dass der Wissende Avimuktam überall bei sich habe, verständlich wird. – Indes wird dieser Gedanke von unserm Autor nicht mehr verstanden oder doch verdunkelt, sofern er in den weiter folgenden Versen erzählt, wie Râma dem Çiva als Gnadengabe verliehen habe, dass alle in Avimuktam Sterbenden zur Erlösung eingehen sollten, – wodurch Avimuktam doch wieder auf die Lokalität in Binares beschränkt wird.
5. Wie Râma im vorigen Abschnitte über Çiva, so wird er im gegenwärtigen über Brahmán gesetzt, indem der persönliche Brahmán in 47 Sprüchen den Râma als Inbegriff aller Götter, Welten und Wesen feiert. Nach Form und Inhalt ist das Ganze eine Nachbildung von Atharvaçiras 2 und Nṛisiṅhapûrvat. 4,3.
Die von Weber beigefügten §§ 6-7 fehlen in den meisten Handschriften, werden aber doch schon mitsamt der ganzen übrigen Upanishad von der Târasâra-Upaniskad der Muktikâ-Sammlung vorausgesetzt und benutzt (oben S. 818, Anm.).