b. Der Stoß
§ 265

[66] Der träge Körper, äußerlich in Bewegung, die eben hiermit endlich ist, gesetzt und so auf einen anderen bezogen, macht momentan mit diesem einen Körper aus, denn sie sind Massen von nur quantitativem Unterschiede; die Bewegung ist auf diese Weise eine beider Körper (Mitteilung der Bewegung). Aber ebensosehr leisten sie sich Widerstand, indem jeder gleichfalls als unmittelbares Eins vorausgesetzt ist. Dies ihr Fürsichsein, das durch das Quantum der Masse weiter besondert ist, gegeneinander ist ihre relative Schwere, – Gewicht als die Schwere einer quantitativ besonderen Masse (extensiv als eine Menge schwerer Teile, – intensiv als bestimmter Druck, s. § 103 Anm.), welches als die reale Bestimmtheit mit der ideellen, der quantitativen Bestimmtheit der Bewegung, der Geschwindigkeit, eine Bestimmtheit (quantitas motus) ausmacht, innerhalb deren jene beiden gegenseitig die Stellen voneinander vertreten können (vgl. § 261 Anm.).
[66]


§ 266

Dies Gewicht, als intensive Größe in einem Punkt konzentriert im Körper selbst, ist sein Schwerpunkt, aber der Körper ist als schwer dies, seinen Mittelpunkt außer sich zu setzen und zu haben. Stoß und Widerstand wie die durch[68] sie gesetzte Bewegung haben daher eine substantielle Grundlage in einem den einzelnen Körpern gemeinschaftlichen, außer ihnen liegenden Zentrum, und jene ihre äußerlich gesetzte, akzidentelle Bewegung geht in die Ruhe, in diesem Mittelpunkt, über. Diese Ruhe ist zugleich, indem das Zentrum außer der Materie ist, nur ein Streben nach dem Zentrum und, nach dem Verhältnisse der in Körper besonderten und gemeinschaftlich dahin strebenden Materie, ein Druck derselben aufeinander. Dies Streben, im Verhältnisse des Getrenntseins des Körpers durch einen relativ-leeren Raum von dem Mittelpunkt seiner Schwere, ist der Fall, die wesentliche Bewegung, in welche jene akzidentelle dem Begriffe nach übergeht, wie der Existenz nach in Ruhe.

Für die äußerliche, die endliche Bewegung ist es der Grundsatz der Mechanik, daß ein Körper, der ruht, in Ewigkeit ruhen, und der in Bewegung ist, in Ewigkeit sich fortbewegen würde, wenn er nicht durch eine äußerliche Ursache von dem einen Zustand in den anderen versetzt würde. Dies heißt nichts anderes als Bewegung und Ruhe nach dem Satze der Identität (§ 115) ausgesprochen: Bewegung ist Bewegung, und Ruhe ist Ruhe; beide Bestimmungen sind gegeneinander ein Äußerliches. Diese Abstraktionen der Bewegung für sich und der Ruhe für sich nur sind es, welche die leere Behauptung von einer ewig sich fortsetzenden Bewegung, wenn nicht – usf., hervorbringen. Der Satz der Identität, der ihre Grundlage ist, ist für sich an seinem Orte in seiner Nichtigkeit gezeigt worden. Jene Behauptung hat keinen empirischen Grund; schon der Stoß als solcher ist durch die Schwere, d.i. die Bestimmung des Fallens bedingt. Der Wurf zeigt die akzidentelle Bewegung gegen die wesentliche des falls; aber die Abstraktion, der Körper qua Körper, ist unzertrennlich verknüpft mit seiner Schwere, und so drängt sich bei dem Wurf diese Schwere von selbst auf, in Betracht gezogen werden zu müssen. Der Wurf als abgesondert, für sich existierend, kann nicht aufgezeigt werden.[69] Das Beispiel für die Bewegung, die von der vis centrifuga herkommen soll, ist gewöhnlich der Stein, der in einer Schleuder, von der Hand im Kreise bewegt, immer das Streben, sich von ihr zu entfernen, zeige (Newton, Philosophiae naturalis principia mathematica, Defin. V). Aber es ist nicht darum zu tun, daß eine solche Richtung existiere, sondern daß sie getrennt von der Schwere für sich existiere, wie sie in der Kraft vollends verselbständigt vorgestellt wird. Newton versichert ebendaselbst, daß eine bleierne Kugel in coelos abiret et motu abeundi pergeret in infinitum, wenn (freilich: wenn) man ihr nur die gehörige Geschwindigkeit erteilen konnte. Solche Trennung der äußerlichen und der wesentlichen Bewegung gehört weder der Erfahrung noch dem Begriffe, nur der abstrahierenden Reflexion an. Ein anderes ist es, sie, was notwendig ist, zu unterscheiden sowie mathematisch sie als getrennte Linien zu verzeichnen, als getrennte quantitative Faktoren zu behandeln usf., ein anderes, sie als physisch selbständige Existenzen zu betrachten.14[70]

Es soll aber auch bei solchem Fliegen der Bleikugel ins Unendliche von dem Widerstande der Luft, der Reibung, abstrahiert werden. Daß ein Perpetuum Mobile, nach der Theorie noch so richtig berechnet und bewiesen, [zu] seiner Zeit, die nicht ausbleibt, zur Ruhe übergeht, dabei wird von der Schwere abstrahiert und das Phänomen ganz der Reibung zugeschrieben. Eben diesem Hindernisse wird die allmähliche Abnahme der Pendelbewegung und ihr endlicher Stillstand zugeschrieben; es wird von der Pendelbewegung gleichfalls gesagt, daß sie ohne Aufhören fortdauern würde, wenn die Reibung entfernt werden könnte. Dieser Widerstand, den der Körper in seiner akzidentellen Bewegung erfährt, gehört allerdings zur notwendigen Erscheinung seiner Unselbständigkeit. Aber wie der Körper Hindernisse findet, in den Mittelpunkt seines Zentralkörpers zu gelangen, ohne daß diese Hindernisse sein Drücken, seine Schwere, aufhöben, so hemmt jener Widerstand der Reibung die Wurfbewegung des Körpers, ohne daß damit dessen Schwere weggefallen wäre oder die Reibung deren Stelle verträte. Die Reibung ist ein Hindernis, aber nicht die wesentliche Hemmung der äußerlichen, akzidentellen Bewegung. Es bleibt, daß die endliche Bewegung unzertrennlich mit der Schwere verbunden ist und als akzidentell für sich in die Richtung der letzteren, der substantiellen Bestimmung der Materie, übergeht und ihr unterliegt.[71]

14

Newton (ibid. Defin. VIII) sagt ausdrücklich: »Voces Attractionis, Impulsus vel Propensionis cuiuscunque in centrum, indifferenter et pro se mutuo promiscue usurpo, has vires non Physice, sed Mathematice tantum considerando. Unde cavcat lector, ne per huiusmodi voces cogitet me speciem vel modum actionis causamve aut rationem Physicam alicubi definire vel centris (quae sunt puncta Mathematica) vires vere et Physice tribuere; si forte aut centra trahere, aut vires centrorum esse dixero.« Allein durch die Einführung der Vorstellung von Kräften hat Newton die Bestimmungen aus der physikalischen Wirklichkeit hinweggerückt und sie wesentlich verselbständigt. Zugleich hat er selbst von physikalischen Gegenständen in diesen Vorstellungen allenthalben gesprochen, und so wird denn auch in den nur physisch, nicht metaphysisch seinsollenden Darstellungen des sogenannten Weltgebäudes von solchen gegeneinander selbständigen und unabhängigen Kräften, deren Attraktionen, Stößen u. dgl. als von physischen Existenten gesprochen und sie nach der Grundlage des Satzes der Identität behandelt.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 66-72,75.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 8: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Erster Teil. Die Wissenschaft der Logik. ... Zusätzen (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 9: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Zweiter Teil. Die Naturphilosophie. Mit ... Zusätzen (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 10: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Dritter Teil. Die Philosophie des ... Zusätzen (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Gesammelte Werke, Bd.13, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817).
Philosophische Bibliothek, Bd.33, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830).