[927] Blutrache, die Sitte, nach welcher die Anverwandten eines Erschlagenen die Pflicht haben, am Mörder blutige Rache zu nehmen. Für den unabsichtlichen Mörder bestimmte Moses bei den Juden Freistätten (s. Asyl), wohin er fliehen u. sich da aufhalten konnte bis zum Tode des Hohenpriesters, wo der Blutbann aufgehoben war; wogegen absichtliche Mörder von Gerichten zurückgefordert u. dem nächsten Verwandten u. Erben des Gemordeten zur B. ausgeliefert wurden. Bei den Griechen[927] galt die B. für vorsätzlichen u. unvorsätzlichen Mord, u. um der B. zu entrinnen, mußte der Mörder aus dem Lande gehen u. sich bei einem auswärtigen Mächtigen ein Asyl suchen, od. durch ein Lösegeld Sicherheit erwerben. In der nach homerischen Zeit fiel die B. weg, die Mörder mußten aber durch religiöse Weihungen entsühnt werden; wo Gesetze eingeführt wurden, wie in Athen durch Drako. hörte ebenfalls die B. auf, u. die Bestrafung ward den Richtern überlassen. Bei den ältesten Römern wurde die B. durch strenge Talion (s.d.) vollzogen Auch den Germanen war die B. eigen, doch konnte dieselbe durch Geld (Blutgeld), od. Geldeswerth abgewendet werden, s. Wehrgeld. Bei den alten Skandinaviern bestand die B. darin, daß der Rächer dem zu Bestrafenden die Rippen vom Rückgrat losschnitt u. die Lunge herausholte (den Blutaar ritzen). In Abyssinien wird noch jetzt der Mörder dem nächsten Verwandten zur Bestrafung übergeben. Bei den Tscherkessen erstreckt sich die B. auf alle Verwandte des Mörders u. pflanzt sich oft durch viele Generationen fort. So auch bei den Arabern; Muhammed milderte die B. durch Gesetze dahin, daß der Mörder sich durch ein Blutgeld lösen konnte Auch mehrere tatarische Stämme, wie die Nogaier, üben B. In Europa fand sich die B. im 9._ 11. Jahrh. auch bei den Russen, noch jetzt in Irland u. Hochschottland, u. noch bis in die neueste Zeit in Sardinien u. Corsica. Die Übung der B. verwickelt oft ganze Stämme in vernichtende Fehden, indem der Bluträcher, wenn er etwa an einem Unschuldigen Rache nimmt, von Neuem der B. verfällt, u. so fort. Vgl. Tobien, Die B. nach altem russischen Rechte, Dorp. 1840.