Leibgedinge

[236] Leibgedinge, 1) (Dotalitium), ein von dem Ehemann der Ehefrau zu dem Zwecke gewidmeter Vermögenstheil, um der Ehefrau für ihr in die Ehe gebrachtes Heirathsgut nach dem Tode des Mannes eine lebenslängliche Versorgung zu verschaffen. Im Mittelalter geschah dies gewöhnlich durch Anweisung gewisser Grundstüche, welche dann während der Ehe ohne Einwilligung der Frau von dem Ehemann nicht veräußert werden durften, u. von denen die Frau nach dem Tode des Ehemanns den lebenslänglichen Nießbrauch zog. Der aus dem L. fließende Nießbrauch dauert bis zum Tode der Wittwe fort, so daß auch die Eingehung einer neuen Ehe ihn nicht aufhebt; stirbt die Wittwe, so hört alles Anrecht auf, u. es können die Erben namentlich nicht die Dos zurückfordern. Bei vertragsmäßiger Bestellung des L-s ist nur der Contrahent u. sein Universalnachfolger zur Erfüllung gebunden; bei Stamm- u. Fideicommißgütern begründet Familienobservanz aber häufig einen Übergang der Verbindlichkeit auf alle Nachfolger im Gut. Im Concurse hat die Wittwe wegen ihres L-s die Privilegien, welche der Ehefrau landesgesetzlich wegen Rückforderung der Dos zustehen. Eine besondere in Sachsen, Brandenburg, Schlesien u. Pommern übliche Art des L. besteht darin, daß die adelige Wittwe statt eines Nießbrauchs eine lebenslängliche Reute bezieht, welche den doppelten od., wenn neben der Dos eine besondere Contrados (Donatio propter nuptias, Widerlage, s.d.) verschrieben wurde, den vierfachen Zinsen der Dos gleichsteht. Die Wittwe hat hierbei, insofern nicht durch den Heirathsvertrag ein Anderes ausgemacht ist, die Wahl, ihr Heirathsgut nebst dem Gegenvermächtniß zurückzufordern, od. die Leibrente von den Erben des Mannes zu verlangen; 2) (Auszug, Leibzucht), der meist nach den Grundsätzen einer Reallast zu behandelnde Vorbehalt von Wohnungsrechten, Recht auf Unterhalt u. gewisse Natural- od. Geldprästationen, welche sich der Bauerngutsbesitzer bei Abtretung des Gutes an den Anerben ausbedingt; 3) so v.w. Leibrentencontract, s.d.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 236.
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