Reallast

[867] Reallast (Onus reale), eine Verbindlichkeit, welche auf einer unbeweglichen Sache so ruht, daß sie auf jeden Besitzer derselben als solchen übergeht, so daß derselbe zu gewissen ewig wiederkehrenden privatrechtlichen Leistungen verbunden wird u. für dieselben, so weit sie zur Zeit seines Besitzes fällig werden, haftet. Die R-en, dem Römischen Rechte durchaus fremd, erklären sich durch die, dem germanischen Volksgeist eigenthümliche Neigung einem Vermögen die Dauer u. Unveränderlichkeit des Grundeigenthums beizulegen. Die älteste Veranlassung zu ihrer Entstehung gaben die grund-herrlichen Verhältnisse, indem den eigenen Leuten Äcker u. Hütten zu besonderer Benutzung mit der Verpflichtung überlassen wurden, dafür dem Gutsherrn entweder gewisse Dienste zu leisten od. ein gewisses Maß von Früchten, welches bald ein ständiges war, bald sich nach dem Gesammtertrage des überlassenen Besitzthums richtete, zu entrichten. Einen weiteren Grund boten die vogteilichen Gerechtsame, bei welchen die Schutz- u. Gerichtsherrlichkeit als Grund für die Auflegung verschiedenartiger Leistungen benutzt wurde, so wie die Gewalt, welche die Kirche zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse über die Güter ihrer Religionsgenossen beanspruchte; in späterer Zeit wurden aber R-en auch durch völlig freie Übereinkunft begründet, ohne daß man dabei an eine Oberherrlichkeit od. Gewalt des Nealberechtigten über den verpflichteten Grund u. Boden zu denken hat. Als Hauptarten der R-en erscheinen die Frohnden, Zehnten u. Zinsen (s.d. a.). Die juristische Behandlung der R-en war von jeher zweifelhaft, u. die Meinungen darüber sind getheilt. Bald erklärte man das ganze Institut nur als eine Erweiterung der römischen Servituten (s.d.), indem das Deutsche Recht nur die Beschränkung der letzteren, daß dieselben nicht in einem Thun besichtigen könnten, durchbrochen habe, u. wendete deshalb die Sätze der römischen Servitutenlehre aus alle R-en an; bald behandelte man dieselben[867] als Forderungen mit einem dinglichen Zusatze, als auf dem pflichtigen Grundstücke radicirte od. fundirte Obligationen; Einige haben dem pflichtigen Grundstück selbst eine gewisse Persönlichkeit beigelegt u. dasselbe unmittelbar für den Schuldner erklärt. Im Einzelnen können die Entstehungsgründe für eine R. bald in einem allgemeinen Gesetz, bald in einem vom Richter der belegenen Sache zu confirmirenden Vertrag od. einer gerichtlich bestätigten letztwilligen Verordnung beruhen; dagegen ist die Möglichkeit einer Entstehung durch ordentliche Ersitzung zu leugnen, u. nur die unvordenkliche Verjährung sann insofern noch als ein Entstehungsgrund gelten, als sie die Vermuthung des Vorhandenseins einer rechtmäßigen Entstehungsweise begründet. Die Erlöschung tritt ein entweder durch Consolidation, d.h. dadurch, daß der Berechtigte das Eigenthum an der belasteten Sache erwirbt; od. durch Untergang des belasteten Grundstücks, durch Verzicht des Berechtigten, od. in Folge gesetzlicher Aufhebung, welche bald mit, bald ohne Entschädigung erfolgt ist (s. u. Ablösung). Dem Berechtigten steht gegen den Verpflichteten eine doppelte Klage zu, eine Klage auf Anerkennung des gesammten Rechtes (Actio confessoria utilis), welche nach Analogie der Servitutenklage behandelt wird; od. eine Klage auf Anerkennung der einzelnen fälligen Leistung, welche die Natur einer Actio in rem scripta hat. Außerdem läßt ein allgemeines Gewohnheitsrecht, welches sich auf das Canonische Recht stützt, auch einen Besitz des Rechtes der R. zu, welcher damit als erworben gilt, wenn die darin enthaltene Berechtigung einmal ausgeübt worden ist. Zum Schutze gegen Störungen dieses Besitzes wird das römisch-rechtliche Interdictum uti possidetis, zur Wiedererlangung eines verlorenen Besitzes die Spolienklage (s.d.) gewährt. Vgl. L. Duncker, Die Lehre von den R-en, Marb. 1837; Renaud, Beiträge zur Theorie der R-en, Stuttg. 1846.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 867-868.
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