Bahnhofwirtschaften

[413] Bahnhofwirtschaften, Bahnhofrestaurants (station restaurants, refreshment rooms; restaurants ou buffets de la gare; ristoranti della stazione) sind für Ausgangs- und Endstationen einer Bahn, für bedeutendere Zwischenstationen, in denen Züge einen längeren Aufenthalt nehmen, für größere Anschlußstationen, die den Anschluß an Dampf- oder Postlinien bilden, ein Bedürfnis. Die Bahnverwaltungen kommen diesem Bedürfnisse insofern nach, als erforderlichenfalls gleich beim Bau der Bahnlinie geeignete Lokalitäten für B. in den Aufnahmsgebäuden vorgesehen werden.

In großen Bahnhöfen werden vielfach getrennte Räume für die verschiedenen Klassen,[413] mitunter auch für die verschiedenen Fahrtrichtungen errichtet. Sehr verbreitet ist das Aufstellen fliegender Büfette auf Inselbahnsteigen und in den Abfahrtshallen.

Vielfach, namentlich in Österreich, werden von den B., insbesondere bei einzelnen durchgehenden Zügen, die in den Mittagsstationen keinen längeren Aufenthalt nehmen und auch keine Speisewagen mit sich führen, Tabletts in die Züge verabreicht, die vollständige Mahlzeiten für die Reisenden enthalten.

Verbreitet ist auch die Einrichtung der Speisekörbchen, die von den B. in Zugsausgangs- oder in größeren Zwischenstationen den Reisenden gegen einen von den Bahnverwaltungen festgesetzten Preis verabfolgt werden. Eine ähnliche Einrichtung findet man in Japan, wo in größeren B. Kistchen mit 5–7 Fächern verabreicht werden. Jedes Fach enthält ein anderes Gericht. Ein solches Kistchen kostet 1 Yen (2 Mark).

In kleineren Stationen sind die B. in den Wartesälen untergebracht.

Mitunter befinden sich (in kleineren Orten) gegenüber den Aufnahmsgebäuden Wirtschaften, die sich B. nennen, mit den Eisenbahnverwaltungen selbst aber in keinem Zusammenhange stehen.

Für B. ist in allen Ländern Vorsorge getroffen.

In England befindet sich auf der Mehrzahl der Stationen nur ein Refreshment room, ein »Bahnhofsbüfett«, an dem Erfrischungen stehend genommen werden. Außerdem besteht bei den englischen Eisenbahnen die Einrichtung der Bahnhotels (s.d.), in denen große B. untergebracht sind. Die Frequenz dieser B. in den englischen Bahnhotels ist eine außerordentlich große, ihr Betrieb ein vorzüglicher. Ein Teil dieser B. wird von den Eisenbahnunternehmungen selbst in eigener Regie betrieben, zumeist sind sie aber verpachtet.

Ähnliche Verhältnisse bestehen bei den amerikanischen Eisenbahnen; doch wird den amerikanischen B. bei weitem nicht jenes Lob gezollt wie den englischen.

Bei den Eisenbahnen Skandinaviens sind zumeist Büfette aufgestellt, an denen von den Reisenden Erfrischungen vorzüglicher Güte gegen Entrichtung eines Einheitspreises beliebig genommen werden können.

Auch in den großen japanischen Bahnhöfen bestehen B., in denen man ganz nach europäischer Art verpflegt wird. In den kleineren B. findet man allerdings nur nach japanischer Art Verpflegung.

Die Bestimmungen über die Errichtung, den Betrieb und die Beaufsichtigung der B. sind teils durch die Gewerbeordnungen, teils durch die bahnpolizeilichen Vorschriften geregelt.

Die Errichtung der B. setzt fast in allen Ländern ein Einvernehmen der Gewerbebehörde mit der Eisenbahnverwaltung voraus.

Eine besondere Stellung nehmen in dieser Hinsicht die B. auf den Eisenbahnen der deutschen Bundesstaaten ein. Im Einklange mit verschiedenen gerichtlichen Entscheidungen führt der Erlaß der kgl. preuß. Ministers des Innern vom 27. Juli 1905 (MB. f. d. i. V., S. 134) im Einverständnis mit dem Minister für öffentliche Arbeiten aus:

»B., die innerhalb der Bahnsteigsperre, oder bei denen ein Verkehr des nichtreisenden Publikums durch andere besondere Einrichtungen ausgeschlossen ist, sind als Teile des Eisenbahnunternehmens anzusehen, unterliegen daher gemäß § 6 daselbst nicht der Gewerbeordnung und bedürfen insbesondere keiner Konzession nach § 33 daselbst. Alle übrigen B. sind, soweit sie dem Verkehr des nichtreisenden Publikums dienen, wie sonstige Schankwirtschaften zu behandeln und bedürfen namentlich auch der Konzessionen.«

Danach muß man zwischen B. innerhalb der Bahnhofssperre und B. außerhalb der Bahnhofssperre unterscheiden. Beide Arten von B. können in einem Bahnhofe vorkommen. Über die Errichtung der B. innerhalb der Sperre entscheidet die Bahnverwaltung allein, außerhalb der Bahnhofssperre entscheidet über die Notwendigkeit die Gewerbebehörde, die die Konzession zu erteilen hat. Dieser Unterschied ist auch rücksichtlich der Polizeistunde von Bedeutung. Während die B. innerhalb der Bahnhofssperre nur an die Weisungen der Bahnverwaltungen gebunden sind, unterliegen die B. außerhalb der Sperre der Gewerbeordnung und der Beaufsichtigung durch die Gewerbebehörde.

Außer in den deutschen Bundesstaaten findet man diese Rechtsstellung der B. ähnlich und in gewisser Hinsicht noch schärfer in Rußland ausgeprägt, wo der Minister der Verkehrsanstalten darüber entscheidet, in welchen Stationen die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet sind, B. zu errichten. In den anderen Stationen, in denen die Errichtung der B. nicht angeordnet ist, sind die Bahnverwaltungen berechtigt, einfache Büfettische aufzustellen.

In Frankreich unterliegt die Errichtung der buvettes der Zustimmung der Verwaltungsbehörde, die auf Grund des Gutachtens des Chef du service du contrôle d'exploitation und im Einvernehmen mit den beteiligten Bahnverwaltungen erfolgt.[414]

In Österreich entscheiden ausschließlich die Bahnverwaltungen darüber, in welchen Stationen B. errichtet werden sollen. Die faktische Errichtung der B. ist jedoch erst nach erfolgter Konzessionserteilung seitens der Gewerbebehörde möglich, die bei der Überprüfung der Bedürfnisfrage regelmäßig auf die Erklärungen der Bahnverwaltungen und auf die Bedürfnisse des reisenden Publikums Bedacht nimmt. Die gewerberechtliche Konzession erwerben die Bahnverwaltungen mitunter selbst, zumeist aber die Pächter der B. auf eigenen Namen. In Österreich unterliegen sonach die B. der Gewerbeordnung gänzlich.

Die Vergebung der B. erfolgt gewöhnlich im Wege der öffentlichen Ausschreibung unter Bedachtnahme auf die fachliche Eignung an einen der Meistbietenden. Dem Pächter wird oft auch ein Teil des Inventars und zumeist auch eine Wohnung im Bahngebäude überlassen. Die Pachtzinse werden periodisch nach den Erträgnissen der B. geregelt. Die Pächter der B. werden zumeist verhalten, den Bahnbediensteten und im Dienst stehenden Militär- und Polizeipersonen Nachlässe von den allgemeinen Preisen zu gewähren. Vielfach werden ihnen auch Fahrpreisermäßigungen und bisweilen auch Frachtbegünstigungen für Lebensmittel zugestanden.

In England erfolgt die Vergebung der B. zumeist an eine Generalpachtunternehmung; in Österreich mißglückte ein solcher s. Z. unternommener Versuch.

Als besondere Art der B. wären die Kantinen im Bahnhofsrayon zu nennen, die ausschließlich den Bedürfnissen der Bahnbediensteten zu dienen haben. Solche Kantinen sind zumeist innerhalb größer Verschiebebahnhöfe und Werkstättenanlagen untergebracht.

Der Betrieb der B. wird von den Bahnverwaltungen auch im Interesse der Antialkoholbewegung (s.d.) beeinflußt.

In den B. müssen zur Vermeidung von Übervorteilungen der Reisenden die Speise- und Getränketarife, die der Genehmigung der Bahnverwaltung unterliegen, öffentlich ausgehängt sein.

Die unmittelbare Aufsicht über die B. und über die Einhaltung der Preise obliegt dem Stationsvorstande. Die weitere Betriebsführung wird teils durch die Vorschriften der Gewerbeordnungen, teils durch die Verfügungen der Eisenbahnverwaltungen geregelt.

Riesenfeld.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 413-415.
Lizenz:
Faksimiles:
413 | 414 | 415
Kategorien: