[463] Bosnisch-hercegovinische Eisenbahnen. Die Geschichte der Eisenbahnen Bosniens und der Hercegovina beginnt mit ihrer im Jahre 1878 erfolgten Besetzung durch Österreich und Ungarn. Die traurige Lage des Landes vor diesem Zeitpunkte kennzeichnet am besten ein Versuch, den die ottomanische Regierung im Jahre 1872 mit der normalspurigen Eisenbahnlinie Banjaluka-Novi (87 km) unternommen hatte. Ihr Betrieb mußte bereits nach 3 Jahren (1875) eingestellt werden.
I. Bau der Militärbahn Banjaluka-Doberlin.
Unmittelbar nach dem Einmarsch der österr.-ungar. Truppen in Bosnien wurde die Eisenbahnlinie Banjaluka-Novi über Auftrag des Reichskriegsministeriums durch eine Militärbauleitung umgestaltet. Am 1. Dezember 1878 erfolgte die Wiedereröffnung des Betriebs auf der 56∙2 km langen Strecke Banjaluka-Prijedor. Mit diesem Tage beginnt sonach eigentlich die Geschichte der Eisenbahnen Bosniens.
Am 24. März 1879 konnte bereits die ganze 104∙31 km lange Linie bis Doberlin für den Gesamtverkehr eröffnet werden. Diese Bahnlinie wurde unter dem Namen »K. u. k. Militärbahn Banjaluka-Doberlin« der Militärverwaltung unterstellt und wird durch eine unmittelbar dem Reichskriegsministerium untergeordnete Direktion mit dem Sitze in Banjaluka geleitet.
II. Sonstige Normalspurbahnen.
In den Jahren 1878/79 wurde die normalspurige Verbindungsbahn Slawon.-Brod-Bosn.-Brod (3∙6 km), die die Save auf einer eisernen Brücke übersetzt, gebaut und der Betrieb am 10. Juli 1879 eröffnet. Die Savebrücke dient sowohl für den Eisenbahn- als auch für den Straßenverkehr.
Die Kosten dieser Verbindungsbahn wurden aus dem Okkupationskredit bestritten, die Bahn ist jetzt Eigentum der bosn.-herceg. Landesverwaltung.
Der Betrieb wird von den ungar. Staatsbahnen auf eigene Rechnung geführt.
An normalspurigen Linien wurde in der Folge nur mehr die Lokalbahn Vinkovce-Brčka von der auf slawonischer Seite liegenden Station Gunja mit Überbrückung der Save bis nach Brčka, einer größeren Handelsstadt am bosnischen Saveufer, fortgesetzt (0∙9 km).
Die Lokalbahn Vinkovce-Brčka ist, mit Ausnahme der Savebrücke, Eigentum der Vinkovce-Brčkaer Lokaleisenbahngesellschaft. Die Savebrücke ist Eigentum des ungarischen Staates und des bosn.-herceg. Landesärars.
Die bosn.-herceg. Landesregierung hat zum Brückenbau einen Beitrag von 800.000 K geleistet.
Der Betrieb wird durch die ung. Staatsbahnen geführt.
III. Die schmalspurigen Landesbahnen.
Das Schwergewicht des Eisenbahnwesens in Bosnien und der Hercegovina liegt in den Schmalspurbahnen (Spurweite 76 cm), die von den bosn.-herceg. Landesbahnen betrieben werden.
Die heutigen bosn.-herceg. Landesbahnlinien sind aus einer militärischen Rollbahn von 76 cm Spurweite hervorgegangen, die ursprünglich nur den Zweck hatte, die militärischen Operationen zur Zeit der Okkupation zu erleichtern, insbesondere das am bosnischen Saveufer gelegene Bosn.-Brod mit dem Bosnatale zu verbinden und die besonders beschwerliche Durchführung von Transporten aus den sumpfigen Niederungen von Brod über die vom Bosnatale trennende Hügelkette zu überwinden.
Diese Übergangslinie wurde bald weiter in das Innere des Landes verlängert, u. zw. im April 1879 bis Žepče und im Juli 1879 bis; Zenica.
Die Bahn hat eine Länge von 185∙8 km.
Mit Rücksicht auf den provisorischen Charakter der Rollbahn und die Notwendigkeit sie rasch zu bauen, kamen Halbmesser[463] bis zu 30 m in Anwendung. Das Schienengewicht wechselte zwischen 9∙8 und 17∙5 kg/m.
Die Baukosten wurden aus dem Okkupationskredit bestritten und betrugen einschließlich jener der Verbindungsbahn Slawon.-Brod-Bosn.-Brod rund 16 Mill. K.
Die Spurweite von 76 cm, die die Rollbahn von Bosn.-Brod nach Zenica erhielt, ist auf allen weiteren Linien der bosn.-herceg. Landesbahnen beibehalten worden. Sie ist nicht auf Grund besonderer Erwägungen oder Versuche gewählt worden, sondern weil sich der Heeresverwaltung bei Erbauung der Rollbahn die Möglichkeit geboten hat, das Schienen- und Fahrmaterial einer andern Rollbahn zu erwerben, und mit Rücksicht auf die große Dringlichkeit der Herstellung eine Bauform gewählt werden mußte, die sofort zur Hand war.
Gleich nach Vollendung der Bahnstrecke bis Zenica wurde an die Fortführung der Bahn bis Sarajevo geschritten.
Auf Grund österreichischer und ungarischer Gesetze wurde die bosn.-herceg. Landesverwaltung ermächtigt, den Ausbau der Bosnatalbahn von Zenica bis Sarajevo durchzuführen und zu diesem Ende ein Darlehen von 3,831.000 fl. (7,662.000 K) aufzunehmen.
Die 78∙3 km lange Linie Zenica-Sarajevo wurde mit normalspurigem Unterbau gebaut. Der kleinste Halbmesser betrug 100 m, das Gewicht der Schienen 13∙9 kg/m.
Im Oktober 1882 wurde die Linie bis Sarajevo dem öffentlichen Verkehr übergeben. Der Betrieb wurde auf der ganzen Linie von Bosn.-Brod bis Sarajevo (k. u. k. Bosnabahn) einheitlich von der Militärverwaltung geleitet. Zu diesem Ende war eine Direktion zuerst in Dervent und später in Sarajevo errichtet.
Erst im Juli 1895 wurde der Betrieb auf der Linie Bosn.-Brod-Sarajevo der bosn.-herceg. Landesverwaltung übergeben. Von da ab bildete diese Linie nur noch eine Teilstrecke der bosn.-herceg. Landesbahnen.
Als die dringendste Aufgabe der bosn.-herceg. Landesbahnen erschien es nun, die von der Militärverwaltung bereits begonnene Umgestaltung der ursprünglich nur als Rollbahn gebauten Strecke Bosn.-Brod-Zenica mit Beschleunigung durchzuführen. Alle scharfen Bogen unter 60 m Halbmesser wurden beseitigt, die Brücken und der Oberbau wurden verstärkt.
Ein großer Teil der Bahn hat zurzeit bereits Schienen im Gewicht von 21∙8 kg/m und nur mehr ein kleiner Teil noch Schienen von 17∙8 kg.
Nachdem durch die Vollendung der Linie Bosn.-Brod-Sarajevo die Eisenbahnverbindung der Landeshauptstadt mit der Monarchie hergestellt war, war die nächste Sorge der Verwaltung, die zweite Hauptstadt des Landes, Mostar, einerseits mit dem Meere, dem Narentahafen Metković, anderseits mit Sarajevo durch einen Schienenstrang zu verbinden.
Zuerst wurde die 42∙4 km lange Strecke Mostar-Metković gebaut und im Juni 1885 dem Verkehr übergeben. Die Kosten dieser Bahnstrecke (3,400.000 K) wurden im Wege eines Darlehens beschafft.
Zur selben Zeit wurde im Innern des Landes eine Flügelbahn von der Station Doboj der Linie Bosn.-Brod-Sarajevo durch das Sprečatal nach der Kreisstadt Dol. Tuzla und zu den Salinen bei Siminhan (66∙7 km) gebaut und im April 1886 eröffnet. Die Kosten dieser Flügelbahn (2,600.000 K) wurden aus den Überschüssen der Landeseinkünfte bedeckt.
Nun schritt die bosn.-herceg. Verwaltung an die Ausführung der äußerst schwierigen Bahnlinie von Mostar nach Sarajevo. Diese Bahn hat durchaus den Charakter einer Gebirgsbahn; sie verfolgt von Mostar bis Konjica das Narentatal, steigt von da auf den Ivansattel, der in einer Seehöhe von 876 m mit einem Scheiteltunnel von 648 m Länge durchfahren wird, und fällt dann bis in das Polje von Sarajevo, woselbst das Bosnatal und der Anschluß in Sarajevo erreicht wird.
Mit Rücksicht auf die Höhe von 600 m, die von Konjica bis zum Scheiteltunnel am Ivan ohne die Möglichkeit einer längeren Entwicklung erstiegen werden mußte, wurde das Abtsche Zahnstangensystem mit einer Höchststeigung von 60‰ angewendet. Dasselbe System wurde auch für den Abstieg gegen Sarajevo verwendet. Die Länge der Zahnstangenstrecken beträgt auf beiden Seiten des Sattels zusammen 25∙2 km.
Der kleinste zur Anwendung gekommene Halbmesser beträgt 125 m.
Auf der Strecke Mostar-Konjica liegen Schienen im Gewichte von 17∙8 kg, auf der Strecke Konjica-Sarajevo von 21∙8 kg/m.
Die Kosten für den Bau der Bahn von Mostar nach Sarajevo beliefen sich auf 16,600.000 K und wurden im Wege von Darlehen bestritten.
Die Linie Mostar-Sarajevo (134∙6 km) wurde in drei Teilstrecken eröffnet, u. zw. Mostar-Ostrožac im August 1888; Ostrožac-Konjica im November 1889 und Konjica-Sarajevo im August 1891.
Die nächste Erweiterung des bosn.-herceg. Schmalspurnetzes erfolgte durch die Herstellung eines Schienenweges vom Bosnatale bei Lašva[464] abzweigend über Travnik und den Komarsattel in das Vrbastal bis Bugojno mit einer Abzweigung von Dol. Vakuf zur alten Königsstadt Jajce.
Der Übergang über den Komarsattel wird in einer Seehöhe von 779∙5 m mit einem Scheiteltunnel von 1362 m Länge bewerkstelligt.
Für den Übergang über den Komar wurde ebenfalls das Abtsche Zahnstangensystem, jedoch mit einer Höchstneigung von 45‰, auf eine Länge von 6∙8 km in Anwendung gebracht.
Der kleinste Halbmesser für die Bogen beträgt 125 m das Gewicht der Schienen 21∙8 kg/m.
Die Geldmittel für diesen Bahnbau (14,600.000 K) wurden durch ein Darlehen beschafft.
Die Linie Lašva-Bugojno (70∙8 km) wurde bis Travnik im Oktober 1893 und bis Bugojno im Oktober 1894; die Linie Dol. Vakuf-Jajce (33∙6 km) im Mai 1895 dem Verkehr übergeben.
Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Entwicklung Bosniens und der Hercegovina, insbesondere mit Rücksicht auf den starken Holzverkehr machte sich bald die Unzulänglichkeit des Narentahafens in Metković, in den nur Schiffe mit geringem Tiefgang einfahren können, empfindlich geltend. Das Streben der Verwaltung mußte daher dahin gehen, mit den bosn.-herceg. Schmalspurbahnen einen dalmatinischen Seehafen zu erreichen. Sonach wurde der Bau einer Bahnlinie, abzweigend von der Bahn Mostar-Metković nach Gravosa (Ragusa) und in die Bocche di Cattaro mit einem Flügel nach Trebinje in Aussicht genommen, nachdem die österr. Regierung sich bereit erklärt hatte, die dalmatinischen Anschlußstrecken ebenfalls als Schmalspurbahnen mit 76 cm Spurweite auszuführen.
Diese Bahnlinie zweigt in der Station Gabela der Linie Mostar-Metković ab und verläuft im Karst 93 km bis zur Landesgrenze bei Uskoplje, woselbst sie an die dalmatinische Teilstrecke Uskoplje-Gravosa (16∙5 km) anschließt. Von Uskoplje zweigt ein 21∙0 km langer Flügel zur Landesgrenze bei Glavska zum Anschluß an die dalmatinische Teilstrecke Glavska-Bocche di Cattaro-Zelenika (53∙4 km) ab.
Bei Hum zweigt der 16∙7 km lange Flügel nach der Stadt Trebinje ab.
Die Betriebseröffnung auf diesen Bahnlinien erfolgte im Juli 1901.
Der kleinste angewendete Halbmesser beträgt 100 m, die größte Neigung 25‰, das Schienengewicht 21∙8 kg/m.
Die Baukosten (22,000.000 K) wurden durch Aufnahme eines Darlehens gedeckt.
Nach Fertigstellung der Bahnlinie zum Meere schritt die bosn.-herceg. Landesverwaltung an die Ausführung einer weiteren, äußerst schwierigen Bahnverbindung nach dem Osten zur türkischen und zur serbischen Grenze.
Im Juni 1902 wurden sowohl in Österreich als auch in Ungarn Gesetze erlassen, wodurch die bosn.-herceg. Verwaltung ermächtigt wurde, für diesen Bahnbau ein Darlehen im Höchstbetrage von 75 Mill. K aufzunehmen.
Die Trasse dieser Bahn, die in Sarajevo an die übrigen Linien der bosn.-herceg. Staatsbahnen anschließt, steigt von Sarajevo im Miljačkatale aufwärts bis zur Wasserscheide am Karolinensattel, woselbst sich der 850 m lange Scheiteltunnel in der Seehöhe von 946 m befindet. Von da fällt die Bahn, dem Laufe der Prača folgend bis in das Drinatal. Bei der Mündung des Lim verläßt die zur türkischen Grenze führende Hauptlinie das Drinatal und steigt den Lim aufwärts bis zur Landesgrenze bei Uvac. Sarajevo-Uvac (137∙6 km).
Der Flügel zur serbischen Grenze führt von der Limmündung die Drina abwärts bis Višegrad und dann in einem Seitentale bis zur Landesgrenze bei Vardište (31∙5 km).
Die ganze Bahnlinie zur Ostgrenze hat durchaus den Charakter einer Gebirgsbahn; über 100 Tunnel und Galerien, eine große Anzahl hoher Stützmauern, zahlreiche Brücken mußten hergestellt werden. Sie ist zwar als Schmalspurbahn, aber mit dem Unterbau einer Normalspurbahn gebaut; der kleinste Halbmesser beträgt 200 m; die Höchstneigung 18‰; das Gewicht der Schienen 21∙8 kg/m.
Im Juli 1906 wurde die Bahn von Sarajevo zur Ostgrenze dem öffentlichen Verkehr übergeben.
Technische Anlage der Landesbahnen.
Der Vervollkommnung der baulichen Anlagen und der Betriebsmittel haben die bosn.-herceg. Landesbahnen ihre gegenwärtige Leistungsfähigkeit zu danken.
Die offenen Durchlässe über 2 m Lichtweite sowie die Brücken haben eisernen Überbau. Für den Oberbau sind ausschließlich Stahlschienen verwendet. In den Zahnradstrecken gelangen eiserne Querschwellen zur Verwendung. Alle Stationen haben in Mauerwerk ausgeführte Aufnahmsgebäude sowie die erforderlichen Frachtenmagazine u.s.w. Die Stationen sind durch Morse-Telegraphen und Fernsprecher verbunden.
Mit den steigenden Anforderungen des Verkehres mußte auch die Ausgestaltung der Fahrbetriebsmittel[465] Schritt halten. Die kleinen Lokomotiven und Wagen der ersten Jahre des Betriebs sind längst außer Verkehr. Die Lokomotiven waren damals zweiachsige Kraussche Tenderlokomotiven von 20 bis 60 H. P. Die Wagen hatten einen Radstand von 1∙05 m, ein Eigengewicht von 1 t, eine Tragfähigkeit von 2 t, eine größte Länge von 2∙36 m und eine größte Breite von 1∙45 m.
Eine wesentliche Verbesserung der Fahrbetriebsmittel erfolgte im Jahre 1885 durch die Einführung von Radiallokomotiven mit drei gekuppelten Achsen mit Lenkvorrichtung nach System Klose. Gleichzeitig gelangten auch dreiachsige Personen- und Güterwagen mit Lenkachsen nach System Klose mit einem Radstand von 5 m und einer Gesamtlänge von 8 m zur Einführung.
Die Wagen neuerer Bauart haben statt der Kloseschen Stellvorrichtung durchaus freie Lenkachsen.
Betriebsergebnisse und Verkehr der Landesbahnen:
Bei den Personenzügen auf den Hauptstrecken verkehren ausschließlich vierachsige Durchgangswagen von 12∙4 m Länge und 2∙2 m Breite. Alle Personenwagen sind mit Dampfheizung versehen.
Im Jahre 1910 standen in Verwendung: 208 Lokomotiven, 351 Personenwagen und 3480 Güterwagen.
Anlagekapital der Landesbahnen.
Dasselbe betrug 1896 bis 1900 61,442.324 K, 1907 bis 1910 158,442.324 K.
Tarifwesen.
Durch die im Juli 1895 erfolgte Übernahme der k. u. k. Bosnabahn in die Verwaltung der bosn.-herceg. Landesbahnen gelangten sämtliche Schmalspurbahnen in die einheitliche Leitung der bosn.-herceg. Landesverwaltung und diese war so in der Lage, durch tarifarische Maßnahmen einen nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung von Handel, Industrie und Landwirtschaft auszuüben.
Im Jahre 1896 wurde ein Lokalgütertarif für sämtliche bosn.-herceg. Landesbahnen erlassen, der in seinen Grundzügen noch gegenwärtig in Geltung steht.
Die den österr. und ungar. Eisenbahnen gemeinsamen Bestimmungen des Betriebsreglements und des allgemeinen österr.-ungar.-bosn.-herceg. Tarifs, Teil I, bilden auch für die bosn.-herceg. Landesbahnen die grundlegenden Normen. Im Lokalgütertarif für die bosn.-herceg. Landebahnen erfolgt sonach die Aufstellung der Tarifeinheitssätze im Rahmen des gemeinsamen Tarifschemas.
Die bosn.-herceg. Landesbahnen haben erheblich höhere Einheitssätze als die großen Bahnen der Monarchie. Dies hat aber in den besonderen Verhältnissen Bosniens und der Hercegovina seinen Grund. Während der Massenverkehr, für den selbstverständlich Ausnahmetarife erstellt werden, von Jahr zu Jahr bedeutend zunahm, war die Steigerung der überall höchst tarifierenden Gegenstände eine bedeutend geringere. Dies kommt darin zum Ausdrucke, daß bei den bosn.-herceg. Landesbahnen die zu niedrigen Tarifsätzen beförderten Massengüter etwa 90 bis 92% der gesamten Güterbewegung ausmachen. Die an und für sich schwache Bevölkerung Bosniens und der Hercegovina sowie ihre überaus einfache Lebensweise ist die Ursache hiervon.[466]
Die für Massenartikel, wie Schnittholz, Kohle, Erde u.s.w., die auch die wichtigsten Ausfuhrartikel sind, geltenden Einheitssätze sind jedoch denen der Hauptbahnen der Monarchie vollkommen gleichgehalten.
Aber auch für die Erzeugnisse der Industrien in Bosnien und der Hercegovina ist eine Reihe von Tarifbegünstigungen gewährt, und es ist den bosn.-herceg. Landesbahnen auf diesem Wege möglich, sich bei Aufrechterhaltung des an sich hohen Tarifbarêmes gleichwohl den Bedürfnissen des Handels und Verkehrs möglichst anzuschmiegen.
Die bosn.-herceg. Landesbahnen sind im Jahre 1901 dem Berner Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnfrachtverkehr beigetreten.
Verwaltung der Landesbahnen.
Nach der im Jahre 1895 erfolgten Übernahme der k. u. k. Bosnabahn in die Zivilverwaltung des Landes wurde die Leitung des gesamten Betriebsdienstes der »Direktion der bosn.-herceg. Landesbahnen in Sarajevo« übertragen und diese der Landesregierung für Bosnien und die Hercegovina unterstellt. An der Spitze der Direktion steht der Direktor (Landesbeamter in der V. Diätenklasse). Die Rechte und Pflichten des Personals sind in einer Dienstpragmatik (Dienstordnung) festgesetzt; die Gebühren sind durch eine besondere Gebührenvorschrift geregelt. Das Personal gliedert sich in die mit Jahresgehalt angestellten Beamten, Unterbeamten und Diener und in die im Taglohne stehenden ständigen Bediensteten und Arbeiter.
Im Jahre 1910 standen in Diensten der Landesbahnen:
Beamte | 375 |
Unterbeamte | 470 |
Diener | 1172 |
Beamtenaspiranten u.s.w. | 40 |
Unterbeamtenanwärter und Kanzleigehilfen | 13 |
Aushilfsdiener | 349 |
Ständige Professionisten und Arbeiter | 3958 |
Zusammen | 6377 |
Wohlfahrtsinstitute der Landesbahnen.
Für die festangestellten Bediensteten (Beamte, Unterbeamte und Diener) besteht eine Pensionskasse, für die Arbeiter eine allgemeine Altersversicherung sowie ein Kranken- und Unterstützungsfonds.
Eine berufsgenossenschaftliche Versicherungskasse besteht noch nicht. Die Versicherung der Bahnangestellten erfolgt durch die Erste österr. Unfallversicherungsgesellschaft auf Grund eines zwischen der Bahnanstalt und der Gesellschaft abgeschlossenen Vertrags. Für die nicht fest angestellten Bediensteten und die Arbeiter ist die Versicherung obligatorisch. Die Versicherung der Beamten, Unterbeamten und Diener ist eine freiwillige.
IV. Lokalbahnen.
a) IlidžeIlidže Bad. Diese 1∙3 km lange Flügelbahn führt von der Station Ilidže zum landesärarischen Badeetablissement »Bad Ilidže«, ist Landeseigentum und wurde im Juni 1892 eröffnet. Während der Badesaison (Mai-September) verkehrt zwischen Sarajevo und Bad Ilidže täglich eine größere Anzahl von Lokal zügen.
b) Karanovac-Gračanica. Diese 6 km lange Lokalbahn zweigt in der Station Karanovac der Linie Doboj-Siminhan ab und dient für den Personen- und Frachtenverkehr der abseits der Bahn gelegenen Stadt Gračanica. Diese Bahnstrecke ist Eigentum des Landesärars und wurde im Januar 1898 dem öffentlichen Verkehr übergeben.
V. Industrie- und Schleppbahnen.
a) Montanbahn Vogošća-Čevljanović. Diese 24∙1 km lange Bahn ist Eigentum des bosn.-herceg. Landesärars und wurde im Jahre 1885 eröffnet. Sie dient insbesondere zur Abbeförderung von Erzen und Holz.
b) Schleppbahn Podlugovi-Vareš. Diese 24∙7 km lange Schleppbahn verbindet das Eisenwerk Vareš mit der Station Podlugovi der bosn.-herceg. Landesbahnlinie Bosn.-Brod-Sarajevo. Die Schleppbahn wurde im November 1895 eröffnet, ist Eigentum der Varešer Eisenindustrie-Aktiengesellschaft und dient hauptsächlich zur Zufuhr der Betriebsmaterialien und zur Abfuhr der Erzeugnisse des Werkes. Es findet jedoch auch ein regelmäßiger Personen verkehr statt. Der Betrieb wird von der Direktion der bosn.-herceg. Landesbahnen für Rechnung der Industrie-Aktiengesellschaft geführt.
c) Kleinere Schlepp- und Industriegleise. Die meisten längs der Bahnlinien der bosn.-herceg. Landesbahnen gelegenen Industrieetablissements sind mit der Hauptbahn durch Schleppgleise verbunden. Diese Gleise werden in der Regel auf Kosten der Industrien hergestellt und von den bosn.-herceg. Landesbahnen auf Grund besonderer Verträge betrieben.
VI. Die elektrische Stadtbahn in Sarajevo.
Der Bahnhof von Sarajevo liegt 3 km vom Mittelpunkt der Stadt. Da sich aber aller Geschäftsverkehr dort abwickelt, hat die Landesverwaltung schon im Jahre 1884 zwischen Stadt und Bahnhof eine Trambahn mit Pferdebetrieb ins Leben gerufen und in der Stadt[467] einen Stadtbahnhof gebaut. Die ankommenden Güterwagen werden auf diesem Gleise bis zum Stadtbahnhof geführt und gelangen daselbst zur Abgabe. Im Jahre 1895 wurde diese Trambahn für den elektrischen Betrieb umgestaltet. Seit dem Jahre 1897 ist die Bahn (5∙7 km) Eigentum der Stadt Sarajevo und erfuhr seitdem mehrfache Änderungen. Der Betrieb wird für Rechnung der Stadt von der Direktion der bosn.-herceg. Landesbahnen geleitet. Im Jahre 1910 wurden auf der Stadtbahn 3,254.000 Personen und 72.500 t Güter befördert. Die Einnahmen betrugen in diesem Jahre 340.000 K, die Ausgaben 259.000 K.
VII. Waldbahnen.
a) Waldbahn Usora-Pribinić. Diese ist 40∙8 km lang, zweigt in der Station Usora der Linie Bosn.-Brod-Sarajevo ab und zieht westlich im Usoratale über Teslić nach Pribinić.
Die Bahn ist Eigentum des bosn.-herceg. Landesärars und wird von der bosn.-herceg. Forstverwaltung für eigene Rechnung betrieben.
b) Waldbahn Zavidović-Olovo-Kusače. Diese 118∙7 km lange Bahn zweigt in der Station Zavidović der Linie Bosn.-Brod-Sarajevo ab und führt östlich im Krivajatale aufwärts nach Olovo und Kusače.
Die Bahn ist Eigentum des Landesärars, jedoch auf Grund eines Vertrages an eine Firma verpachtet und dient ausschließlich für deren Holztransporte.
c) Waldbahn Dalmat. Grenze-Drvar-Ostrelj-Ribnik. Diese hat eine Länge von 102∙0 km. Sie ist Eigentum der bosn. Forst-industrie-Aktiengesellschaft Otto Steinbeis und wird auch von dieser Gesellschaft selbst für Zwecke ihres Holzexportes betrieben. Die Bahn hat auf dalmat. Gebiete eine Fortsetzung bis Knin, woselbst der Anschluß an die österr. Staatsbahnen erreicht wird.
d) Verschiedene kleine Waldbahnen. Auf die Dauer der Holzabstockungsverträge sind in den einzelnen Abstockungsgebieten verschiedene kleinere Waldbahnstrecken gebaut, deren Gesamtlänge im Jahre 1907 256∙1 km betrug.
Gesamtnetz der B. Ende 1910:
VIII. Eisenbahnpläne.
Seit der Vollendung der Ostbahn (1906) hat das Bahnnetz keine weitere Ausgestaltung erfahren. Ende 1911 wurde von der bosnischen Landesregierung dem bosn.-herceg. Landtage eine Gesetzesvorlage wegen Baues von drei normalspurigen Eisenbahnen unterbreitet u. zw.:
1. von Brčka über Čelić einerseits nach Tuzla, anderseits nach Bijeljina und Rača (99∙6 km);
2. von Banjaluka nach Jajce (70∙7 km);
3. von Novi nach Bihač (67 km).
Damit sollen neue Bahnverbindungen geschaffen werden, die an sich schon von der größten Bedeutung sowohl für die Verkehrsbedürfnisse der Länder selbst als auch für die Handelsinteressen der Monarchie sind, denn sie verknüpfen die bisher anschlußlosen Endpunkte Tuzla und Jajce des bosn.-herceg. Bahnnetzes mit jenem der Monarchie und geben dem noch jeder Eisenbahnverbindung entbehrenden Kreise Bihač eine solche sowohl mit den anderen Landesteilen als auch mit der Monarchie.
Gleichzeitig mit diesen Bahnbauten sollen zwei normalspurige Verbindungen von Nord nach Süd nach den beiden Hauptstädten des Landes hergestellt werden.
Es handelt sich hierbei einerseits um den Neubau der Strecke Šamac-Doboj und den Umbau der Linie Doboj-Sarajevo, ferner um die Fortführung der Linie Banjaluka-Jajce im Vrbas-Tale und nach Übersetzung der Wasserscheide im Rama- und Narenta-Tale bis Mostar.
Endlich soll eine schmalspurige Bahnverbindung von der westlichen Hauptlinie bei Bugojno abzweigend nach dem Adriahafen in Spalato ausgeführt werden.
Im April 1912 sind zwischen der gemeinsamen Regierung und den Regierungen Österreichs und Ungarns über diese Bahnbauten sowie über die Beitragsleistung der beiden Staaten zu den Baukosten Verhandlungen geführt worden, die voraussichtlich bald zu einem befriedigenden Abschlüsse gelangen werden.
Literatur: Die k. k. Bosnabahn in ihrer Entwicklung 18791889. Sarajevo 1889. Geschichte der Eisenbahnen der österr.-ungar. Monarchie. Bd. III, S. 565, Bd. V, S. 545.
Kalmann.
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