Deutscher Staatsbahnwagenverband

[316] Deutscher Staatsbahnwagenverband, die aus dem preußischen Staatsbahnwagenverbände hervorgegangene Vereinigung der deutschen Staatseisenbahnverwaltungen und der Reichseisenbahnverwaltung von Elsaß-Lothringen zum Zwecke der Benutzung ihrer Güterwagen als einheitlichen Wagenpark.

Der D. ist auf Grund von Übereinkommen der beteiligten Bundesregierungen am 1. April 1909 in Wirksamkeit getreten. Er umfaßt als Verwaltungen des früheren preußischen Staatsbahnwagenverbandes die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft, die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen, die Mecklenburgischen und die Oldenburgischen Staatseisenbahnen und ferner die bayerischen, sächsischen, württembergischen und badischen Staatseisenbahnen. Da die deutschen Staatseisenbahnen vielfach mit den an sie anschließenden Privateisenbahnen und nebenbahnähnlichen Kleinbahnen Abkommen dahin abgeschlossen haben, daß die letzteren ihre Wagen in den Park der ersteren einstellen und diese die Versorgung der einstellenden Bahnen mit Wagen übernehmen, so erstreckt sich der D. auch auf eine große Anzahl von Privateisenbahnen und nebenbahnähnlichen Kleinbahnen Deutschlands; nur einige wenige, wie die Lübeck-Büchener Eisenbahn, die Braunschweigische Landeseisenbahn, die westfälische Landeseisenbahn und die HalberstadtBlankenburger [316] Eisenbahn sind davon ausgenommen.

Der Güterwagenpark der so vereinigten Verbandsverwaltungen umfaßte Ende 1911 rund 560.000 Güterwagen aller Art. Der Wagenpark wird dem Güterverkehr entsprechend fortwährend vermehrt. Die Zahl der neu als Vermehrung zu beschaffenden Wagen wird in freier Vereinbarung auf die Verbandsbahnen in dem Verhältnis umgelegt, das sich aus den Wagenleistungen der einzelnen Verbandsgebiete zu den Gesamtleistungen ergibt. Die Wagen bleiben Eigentum der Eisenbahnverwaltung, die sie beschafft hat, und tragen ihr Eigentumsmerkmal, im übrigen aber gleiche Anschriften.

Die Güterwagen der Verbandsbahnen werden im ganzen Verbandsgebiete völlig freizügig benutzt; alle Beschränkungen in bezug auf die Rücksendung der Wagen zur Heimatsbahn sind weggefallen. Innerhalb des Verbandsgebietes ist für die schnellste und wirtschaftlichste Wiederverwendung der Wagen nach ihrer Entladung durch zweckmäßige, aus der steten Beobachtung der Verkehrsbewegungen gewonnene Maßnahmen Sorge getragen. Gleichzeitig ist durch die von der Verbandsversammlung (s.u.) vereinbarten Güterwagenvorschriften die Verwendung, Meldung und Verteilung der Wagen nach einheitlichen Vorschriften bis in alle Einzelheiten geregelt. Für die Gestellung der Wagen zwecks Beladung gilt als leitender Grundsatz die möglichst gleichmäßige Befriedigung, des Bedarfes innerhalb des Verbandsgebietes. Die Güterwagenvorschriften werden von der Verbandsversammlung fortgebildet.

Die Vergütung für die gegenseitige Benutzung der Wagen wird in Bausch betragen in der Weise geleistet, daß die Verbandsbahnen für die Leistung der Wagen auf ihren Bahnstrecken eine Vergütung an den Verband entrichten, die den Verhältnissen der einzelnen Bahnen vor der Gründung des Verbandes angepaßt ist und 1 Pf. oder etwas darüber oder darunter für das Achs/km beträgt. Die Summe der Vergütungen wird auf die Verbandsbahnen im Verhältnis ihres Wagenparks zum Gesamtpark verteilt. Ebenso werden die Einnahmen und Ausgaben an Wagenmieten aus dem Verkehr mit den verbandsfremden Eisenbahnen auf die Verbandsbahnen nach einem Maßstab verteilt, der aus der Abrechnung früherer Jahre hergeleitet ist.

Um die freizügige Benutzung der Verbandswagen in vollem Umfange zu ermöglichen, gelten für die Bauart der Wagen, der Bremsen und der anderen Wagenteile sowie für den Laderaum der einzelnen Wagengattungen einheitliche Normen, deren Fortbildung dem Güterwagenausschusse und dem Bremsausschusse übertragen ist.

Die Unterhaltung der Verbandswagen geschieht in der Weise, daß jede Verbandsbahn die Wagen der anderen Verbandsbahnen wie ihre eigenen zu unterhalten hat. Nur die an feste Fristen gebundenen Vollrevisionen der Wagen unternimmt der Regel nach die Heimatsbahn. Eine Untersuchung beim Übergang der Wagen von der einen auf die andere Verbandsbahn findet nicht statt. Die Kosten der Wagenunterhaltung trägt die Heimatsbahn; es werden ihr die Selbstkosten an Werkstoffen und Löhnen und ein gleichmäßig bemessener Verwaltungskostenzuschlag in Rechnung gestellt; die Festsetzung von Bauschvergütungen ist zum Zwecke der Vereinfachung der Abrechnung vorbehalten. Für die Art der Unterhaltung und für die Ausmusterung der Güterwagen sind übereinstimmende Vorschriften vereinbart, deren Fortbildung dem Werkstättenausschuß (s.d.) übertragen ist.

Die Leitung des Verbandes steht der preußisch-hessischen Staatseisenbahnverwaltung zu und das Eisenbahnzentralamt in Berlin hat die Geschäftsführung im Verbände. Das mit dem Zentralamt verbundene Hauptwagenamt in Berlin besorgt mit Unterstützung der Wagenbureaus der einzelnen Verwaltungen und der für einzelne Verkehrsgruppen gebildeten Ausgleichstellen den Ausgleich zwischen Last und Bedarf an Wagen auf Grund täglicher telegraphischer Meldungen. Es ist – zur Erzielung gleichmäßiger Wagengestellung im ganzen Verbandsgebiete – befugt, die Abgabe von Wagen an andere Bezirke trotz eigenen Bedarfes des abgebenden Bezirkes zu verfügen. Die bayerischen, sächsischen, württembergischen und badischen Staatseisenbahnen sind berechtigt, bei dem Eisenbahnzentralamt je einen Beamten zu bestellen, der in Angelegenheiten, die den Verband berühren, an seine Verwaltung zu berichten befugt ist. Das dem Eisenbahnzentralamt unterstellte Wagenabrechnungsbureau in Magdedurg besorgt auch die Abrechnung der Wagenmieten und der anderen Vergütungen für die Wagenbenutzung im Verkehr mit verbandsfremden Eisenbahnen; die bayerischen, sächsischen, württembergischen und badischen Staatseisenbahnen sind berechtigt, zu diesem Bureau eine entsprechende Zahl von Beamten zu entsenden. Das Eisenbahnzentralamt hat als geschäftsführende Verwaltung das Recht, sich durch örtliche Prüfungen der Dienststellen[317] von der einheitlichen Durchführung der Verbandsvorschriften aller Art zu überzeugen.

Für die Verbandsversammlung, der die Fortbildung der Güterwagenvorschriften obliegt, und für den Güterwagen-, Brems- und Werkstättenausschuß sind Geschäftsordnungen erlassen, die den Geschäftsgang regeln; den Vorsitz führt das Eisenbahnzentralamt. An den Verbandsversammlungen und Ausschüssen sind alle Verbandsbahnen beteiligt, die Stimmberechtigung ist so geregelt, daß jeder Verbandsbahn für je angefangene 10.000 Achsen ihres Güterwagenparks eine Stimme zusteht. Mehrheitsbeschlüsse sind unter gewissen Beschränkungen für alle Verbandsbahnen bindend.

Die Verwaltungskosten des Verbandes werden auf die Verbandsverwaltungen nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung umgelegt.

Das Verbandsübereinkommen kann unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist zum 31. März jeden Jahres gekündigt werden. Es hat sich seit seinem Bestehen gut bewährt.

Literatur: Grunow, Güterwagendienst in: »Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart«. Berlin 1911.

Hoff.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 316-318.
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