[86] Fischbeförderung. Mit Rücksicht auf die große Bedeutung, die den Fischen als Volksnahrungsmittel zukommt, sind die Bahnverwaltungen bedacht, Vorkehrungen zu treffen, um die F. selbst auf weite Entfernungen zu ermöglichen und auch insbesondere durch tarifarische Ermäßigungen, Beschleunigung der Beförderung (mit oder ohne Kürzung der Lieferfristen), Zulassung der F. bei Personenzügen, telegraphische Avisierung der Anschluß- und Bestimmungsstationen u.s.w. zu begünstigen.
Besonders großartig hat sich die Beförderung von Seefischen in Amerika sowie in England entwickelt. In Amerika werden die empfindlichen Fische zumeist unmittelbar aus dem Wasser in die Gefrierräume gebracht und gelangen in gefrorenem Zustande in die Kühlwagen. Auf solche Art werden frische Fische (beispielsweise Lachs) bis auf 5000 km versendet.
Auch in England werden die Fische zumeist nicht mehr lebend befördert, sondern vor dem Versand getötet und in Eis verpackt. Der Hauptfischverkehr geht von Great Grimsby nach London und den anderen großen Städten. Die Great Centralbahn führt allein täglich mehrere Durchgangfischzüge nach London.
Die Eisenbahnen sind gesetzlich verpflichtet, Fische auch mit Personenzügen zu befördern.
Auch der Fischversand von der Nordsee (Geestemünde) hat unter Benutzung von Kühlwagen einen großartigen Umfang genommen, so daß die oldenburgischen Staatsbahnen für die Anlage eines Fischereihafens in Nordenham Sorge getragen haben, den die »Nordsee«-Fischereigesellschaft benutzt. Sendungen für nahe Märkte werden, in geeigneter Weise in Kisten oder Tonnen mit gestoßenem Eis verpackt, oder auch lebend in mit Wasser gefüllten Behältern befördert.
In Deutschland werden frische Fische in Eispackung zur Beförderung angenommen, wenn die Körbe oder sonstigen Verpackungsmittel innen, an Böden und Seitenwänden durch Stroh, Sägespäne u.s.w. verdichtet sind.
Für lebende, frische und geräucherte Fische (s. Spezialtarif für bestimmte Eilgüter) wird bei Aufgabe als beschleunigtes Eilgut die einfache Eilgutfracht, mindestens jedoch 0∙50 M für jede Frachtbriefsendung, bei Aufgabe als gewöhnliches Eilgut nur die Fracht für Frachtgut berechnet.
Die Beförderung von lebenden Fischen in Wasser zu den Sätzen des Spezialtarifs für bestimmte Eilgüter sowie ihre Beförderung als beschleunigtes Eilgut zur einfachen Eilgutfracht ist von der Erfüllung folgender Bedingungen abhängig:
Die Fische müssen in geeichten oder eichamtlich gestempelten Gefäßen (Kübel und Fässer) von bestimmtem Höchstraumgehalt (350 l bei Eilgutsendungen, 150 l bei beschleunigtem Eilgut), die mit Handhaben und entsprechendem Verschluß versehen sind, verladen sein. Der Frachtberechnung wird der durch den Eichstempel nachgewiesene Rauminhalt (1 l = 1 kg) zugrunde gelegt. Ausnahmsweise werden Fische in ungeeichten Blechgefäßen unter Berechnung der Fracht nach dem wirklichen Rohgewicht zugelassen, sofern das letztere[86] für jedes Gefäß 25 kg nicht übersteigt. Ebenso werden lebende Fische als Wagenladungen auch in nicht geeichten oder eichamtlich gestempelten Behältern zugelassen. Auf Frachtbriefsendungen von über 1500 kg oder bei Frachtzahlung für dieses Gewicht finden die Beschränkungen wegen des Raumgehalts der Gefäße und ihrer Bauart keine Anwendung.
Die Gewährung obgenannter Begünstigungen ist bei der Beförderung von zerkleinerten frischen Fischen davon abhängig, daß sie in festen, dichtverschlossenen Fässern verpackt sind.
Zu jeder Sendung von lebenden Fischen, und wenn eine Sendung aus mehr als einer Wagenladung besteht, zu jedem Wagen wird ein Begleiter zugelassen.
Bei Aufgabe von frischen Fischen in Wagenladungen werden die gegen den Einfluß der Wärme beigegebenen Schutzmittel wie Eis, Eisbehälter u.s.w. bis zu 5% des wirklichen Gewichts der Sendung frachtfrei befördert, im übrigen wie die nicht der Eisenbahn gehörenden Ladegeräte behandelt.
Fische, auch Wasser zur F. werden zur Beförderung in Privatgüterwagen (ausgenommen Kessel- und andere Gefäßwagen) zugelassen (s. auch Fischwagen).
Zur Regelung und Ordnung des Umlaufs der Fischsendungen gelten wie für alle leichtverderblichen Lebensmittel besondere Leitungsvorschriften. Bestimmte Stationen sind zur Sicherung der Mitgabe der Wagen mit den bezeichneten Zügen beauftragt, der Zugbildungsstation telegraphische Vormeldung zu geben. An den Wagen werden häufig Plakate mit der Bezeichnung des Inhaltes angebracht. Die gewöhnlichen Beklebezettel tragen außerdem meist die Bezeichnung der Züge (Ausschlußzüge), mit denen der Wagen bis zur Bestimmungsstation befördert werden soll.
In Österreich-Ungarn werden Sendungen von lebenden Fischen in Wasser in geeichten und nicht geeichten Gefäßen zur Beförderung angenommen. Solchen Sendungen sind besondere, andere Gegenstände nicht umfassende, Frachtbriefe beizugeben. Bei Auflieferung in geeichten Gefäßen darf der Raumgehalt eines Gefäßes 400 l, bei Auflieferung in nicht geeichten Gefäßen das Rohgewicht eines Gefäßes 400 kg nicht übersteigen. Gefäße mit mehr als 50 l Raumgehalt oder 50 kg Rohgewicht müssen mit umlegbaren Handhaben versehen sein. Die Gefäße müssen zur tunlichsten Verhütung des Ausspritzens von Wasser einen passenden, gegen unbefugtes Öffnen gesicherten Verschluß besitzen. Sendungen in Gefäßen von 150 l Raumgehalt oder 150 kg Rohgewicht aufwärts sind durch den Absender zu verladen und durch den Empfänger auszuladen.
Die Beförderung der Sendungen erfolgt in der Regel mit beschleunigten Güterzügen, über Vereinbarung auch mit Personen- und Schnellzügen. Bei Frachtzahlung für mindestens 1500 kg für den Frachtbrief kann die Beistellung eines eigenen Wagens beansprucht werden, für den ein Begleiter zugelassen wird.
Die Fracht wird bei Auflieferung zum Personenzuge nach Klasse I berechnet, wenn sich die Fracht zu den Frachtsätzen für ermäßigtes Eilgut nicht billiger stellt, und bei Auflieferung zu einem gemischten-, Vieh- oder Güterzuge nach Klasse II (bei Frachtzahlung für mindestens 5000 kg für den Frachtbrief und Wagen nach Klasse A). Bei Auflieferung in geeichten Gefäßen wird für jedes angefangene Liter des durch den Eichstempel nachgewiesenen Raumgehalts des Gefäßes der Frachtberechnung 1 kg zugrunde gelegt, auch wenn das Gefäß nicht vollständig gefüllt ist. Bei Auflieferung in nicht geeichten Gefäßen wird die Fracht für das durch die Verwägung festgestellte Rohgewicht berechnet.
Lebende Fische in Wasser, in kleinen, leicht unterzubringenden und handlichen, mit einer Versicherung gegen das Ausspritzen von Wasser versehenen Gefäßen, können von Reisenden III. Klasse gegen Entrichtung der Gepäckfracht auch in die Personenwagen mitgenommen werden, doch darf jeder Reisende nur einen Fischbehälter mitnehmen.
Die Beförderung von lebenden Fischen in Einsatzplachen ist nur in bedeckten Wagen zulässig, die mit Anbindringen an den Stirn- und Seitenwänden und mit Schloßblechen in den Ecken versehen sind. Die Einsatzplachen müssen Ösen haben, damit sie an den Anbindringen mit Schnüren festgebunden werden können. Jede andere Art der Befestigung ist unzulässig. Bei den Wagentüren sind 2 Ösen der Plache übereinanderzulegen, so daß eine Falte entsteht, durch die das Wasser, wenn die Plache an dieser Stelle losgebunden wird, abgelassen werden kann. Die Befestigung und Füllung der Plachen und die Verladung der Fische ist vom Absender, das Ausladen der Fische, das Entleeren und Entfernen der Plachen vom Empfänger zu besorgen. Vor die Wagentüren sind vom Absender beizustellende Vorlegbretter von mindestens 30 cm Höhe zu stellen, damit der Wagen unterwegs geöffnet werden kann. Das Ladegewicht des Wagens darf nur mit höchstens 70% ausgenutzt werden. Die Einsatzplachen und die Einrichtungen für deren Füllung müssen von solcher Beschaffenheit sein, daß der Wagen nicht vernäßt werden kann. Die[87] Sendungen müssen begleitet sein. Die Beigabe und etwaige Erneuerung des Wassers hat der Absender auf seine Kosten und Gefahr zu besorgen. An den beiden Langseiten des Wagens sind vom Absender Anklebezettel anzubringen, die die Worte »Fische in Einsatzplachen« zu enthalten haben.
Die Fracht wird für das Gewicht der Fische samt Wasser, Plachen u.s.w. mindestens für 5000 kg für den Frachtbrief und Wagen berechnet, u.zw. bei Auflieferung zum Personenzuge nach Klasse I, wenn sich die Fracht zu den Frachtsätzen für ermäßigtes Eilgut nicht billiger stellt, und bei Auflieferung zu einem gemischten-, Vieh-, oder Güterzuge nach Klasse A.
In Fischspezialwagen erfolgt die F. mit Benzinmotoren oder mit Gefäßen für verdichteten Sauerstoff.
Über Bauart und Einrichtung der Wagen (s. Fischwagen).
Jedem Fischspezialwagen muß ein sachverständiger Begleiter beigegeben werden. Das zur Füllung der Fischbehälter erforderliche Wasser kann in bestimmten Stationen aus den Lokomotivkranen und Hydranten zum Preis von 20 h für 1 m3 entnommen werden. Die Fracht wird für mindestens 5000 kg berechnet, u.zw. bei Auflieferung zum Personenzuge zu den tarifmäßigen Frachtsätzen für ermäßigtes Eilgut und bei Auflieferung zu einem gemischten-, Vieh- oder Güterzug zu den Frachtsätzen der Klasse II. Die leeren Wagen werden unter der Voraussetzung frachtfrei befördert, daß jedem Leerlauf eine Beförderung des beladenen Wagens über eine gleichlange Strecke vorangegangen ist oder nachfolgt.
Lebende Fische (mit Ausnahme solcher in Wasser), auch frische, getrocknete, geräucherte Fische werden als ermäßigtes Eilgut befördert.
Für Relationen, in denen erfahrungsgemäß regelmäßige Fischsendungen vorkommen, werden im Einvernehmen mit den Interessenten die geeignetsten Zugsverbindungen zusammengestellt und den Stationen und Parteien bekanntgegeben. Die Benachrichtigung der Empfänger erfolgt sofort nach Anlangen der Sendungen, allenfalls telegraphisch.
Bei den belgischen Staatsbahnen können frische Fische, die nach dem Tarif II aufgegeben werden, im Bedarfsfalle ausnahmsweise mit den gewöhnlichen Personenzügen befördert werden. Lebende Fische, die nach dem Tarif I aufgegeben werden oder auf Grund der internationalen Expreßtarife, werden mit allen Personenzügen (mit Ausnahme der Tramwayzüge) nach allen Bestimmungsorten befördert. Lebende Fische, die nach dem Tarif II aufgegeben werden oder auf Grund der gewöhnlichen internationalen Eilguttarife mit Eilgutlieferfristen, werden mit den Personenzügen befördert, deren Benutzung nicht untersagt ist.
Die Aufgabestationen verständigen telegraphisch die Bestimmungsstationen über die voraussichtliche Ankunftszeit der Sendung, letztere benachrichtigen hievon den Empfänger. Die Versandstationen verständigen überdies die Anschlußstationen, damit diese die nötigen Vorkehrungen treffen können. Das Eis wird zu denselben Bedingungen wie die Sendung selbst befördert. Fische, für die tarifmäßig die Frachtgutlieferfristen gelten, werden gewöhnlich mit Güterzügen befördert.
In der Schweiz werden lebende Fische in Wasser als Reisegepäck und Expreßgut zur Beförderung zugelassen, wobei bezüglich der Beschaffenheit und Eichung der Gefäße sowie der Frachtberechnung ähnliche Vorschriften gelten wie in Deutschland bei der begünstigten Eilgutbeförderung. Bei Verwendung von Gefäßen, an deren Seitenflächen oder in deren Innerem je eine Sauerstofflasche aus Stahl (Metallzylinder) mit Druckreduzierventil und Manometer angebracht ist, sind dem Taxgewicht 10 kg für das Gefäß zuzuschlagen.
Die Haftung der Eisenbahnen für die Beförderung lebender Fische ist selbstverständlich wesentlich beschränkt. Lebende Fische gehören zu den Gütern, die vermöge ihrer eigentümlichen natürlichen Beschaffenheit der besonderen Gefahr ausgesetzt sind, Verlust, Beschädigung oder inneren Verderb zu erleiden, und haften die Eisenbahnen nicht für den Schaden, der aus dieser Gefahr entsteht. Auch für Gewichtsverluste haben die Eisenbahnen im allgemeinen nicht aufzukommen.
Literatur: Bericht des internationalen Eisenbahnkongresses v. J. 1910. Frage XVI. Leicht verderbliche Lebensmittel. Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911.
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