Gepäckwagen

[302] Gepäckwagen (Packmeister-, Schaffnerwagen, Dienstwagen) (luggage-van, box-wagon, guards-van; fourgon; carro a bagagli, bagagliaio), Eisenbahnwagen, die zur Beförderung des Reisegepäcks oder kleinerer Frachtstücke, zur Unterbringung der Zuggerätschaften und meist auch des Zugführers und Packmeisters dienen.

Die G. erhalten zu letzterem Zweck gewöhnlich außer dem eigentlichen Gepäckabteil eine von diesem durch eine Wand getrennte Abteilung für den Zugführer (Dienstabteil); diese beiden Abteile werden durch eine Tür verbunden.

Die Dienstabteile werden in der Wagenmitte oder an einem Wagenende, seltener an beiden Wagenenden angeordnet; bei Bahnen, bei denen dem Zugführer auch die Beobachtung der Streckensignale obliegt, werden sie überhöht oder mit seitlichem Ausbau ausgeführt; bei Anordnung überhöhter Dächer werden vielfach Winkelspiegel, zur leichteren Beobachtung der Signale vorgesehen. In Personenzugs-G. amerikanischer Bahnen fehlen die Dienstabteile, weil die Zugführer sich in den Personenwagen aufzuhalten haben.

Im Dienstabteil befinden sich in der Regel ein Tisch, ein tragbarer gepolsterter Stuhl, ein Wandregal und Spinde zur Unterbringung der Zuggerätschaften, des Verbandzeuges u. dgl. Ist das Dach der Dienstabteile überhöht ausgeführt, so wird im Aufbau ein Beobachtungs-, bzw. Bremsersitz angeordnet.

Der Gepäckabteil weist gewöhnlich keine besonderen Einrichtungen auf, doch werden vielfach an der Wagenstirnwand Legebretter zur Aufnahme kleinerer Gepäckstücke angeordnet.

G., die über eine Zollgrenze austreten, erhalten im Gepäckabteil mittels zollsicheren Verschlusses absperrbare Räume, zur Aufnahme von Zollgütern. Bei G. für den Vororteverkehr, Nahverkehr und für Nebenbahnen wird das Gepäckabteil vielfach mit Klappbänken ausgestattet, um auch als Personenabteil benutzt werden zu können. Die Fenster der Gepäckabteile werden mit Schutzgitter versehen.

Bei den Gepäckabteilen werden in den Wagenseitenwänden zum Ein- und Ausladen der Gepäckstücke Schubtüren, seltener Flügeltüren, vorgesehen; bei Wagen mit Plattformen wird das Wageninnere mit der Plattform durch eine Tür verbunden. Um während der Fahrt vom G. zu den anschließenden Wagen des Zuges gelangen zu können, werden die G. mit Laufbrettern oder Plattformen und Übergangsbrücken versehen; bei G., die für den Schnellzugsdienst bestimmt sind, werden die Plattformen zumeist geschlossen ausgeführt und Faltenbälge zur Verbindung mit den anschließenden Wagen vorgesehen.

Bei Nebenbahnen werden statt besonderer G. auch Personen- oder Postwagen mit einem Gepäckabteil (das gleichzeitig als Dienstraum dient) oder Gepäck- und Dienstabteil verwendet. In Frankreich, England und Amerika wird zuweilen auch in Personenwagen für den Fernverkehr ein kleiner Gepäckraum für das Reisegepäck der Reisenden des betreffenden Wagens vorgesehen.

Die Beleuchtung der Dienstabteile wird mittels Wandlampen sowie auch Deckenlampen, die Beleuchtung der Gepäckteile mittels Deckenlampen bewirkt.

Eine Heizeinrichtung ist vielfach nur im Dienstabteil vorhanden.

Aborte werden fast immer vorgesehen; soferne diese auch den Reisenden zugänglich sein sollen, werden sie derart angeordnet, daß die Aborteingangstür auf die Plattform mündet.

Bei den italienischen StB. wurden versuchsweise Gepäckabortwagen für den Schnellzugsverkehr in Dienst gestellt. Diese Wagen enthalten ein Gepäckabteil und ein Abteil mit einer größeren Anzahl von Wasch- und Aborträumen; für die Benützung der Wasch- und Aborträume wird eine Gebühr eingehoben.

In G. für Personen- und Schnellzüge werden zur Unterbringung von Hunden besondere Kasten am Untergestell oder am Stirnende der Gepäckabteile angeordnet. Die Wände der Hundeabteile werden zumeist mit Zinkblech verkleidet; für die Fußbodenverkleidung, für die Zinkblech mit Rücksicht auf sein Wärmeleitungsvermögen nicht gut anwendbar ist, wird besser Xylolith oder eine ähnliche Masse verwendet. Die Fußböden werden mit Abflußöffnungen versehen. Um die Hunde vor Zugluft zu schützen, ist es zweckmäßiger, die Luftschlitze nicht an der Kastenaußentür anzubringen. Die Wände der Hundeabteile werden vielfach bis an die Decke durchgeführt um eine leichtere Reinigung und zweckmäßigere Lüftung zu erzielen. Die Hundeabteile werden mit Tränkgefäßen und Anbindringen ausgestattet und zuweilen auch geheizt.

Bei G. für Güterzüge werden vereinzelt (bei den österr. Staatsbahnen, belgischen, französischen, englischen Bahnen) zur Erhöhung der Bremswirkung die Untergestelle oder Zwischenräume zwischen den doppelten Fußböden mit Eisenplatten beschwert oder alte Schienen oder dgl. als Ballast in den Böden eingelagert. Derartige Wagen (sog. Ballastwagen) finden dann zweckmäßig bei leeren Güterzügen oder leicht beladenen Gütereilzügen Verwendung.[302]

[304] Die Anordnung der Untergestelle, Drehgestelle, Achsen und Tragfedern stimmt bei G. im allgemeinen mit der bei Personenwagen üblichen überein. Die Wagenkasten werden teils wie bei Personenwagen teils wie bei bedeckten Güterwagen mit Blech- oder Holzbekleidung ausgeführt.

In Schnellzüge werden zumeist drei- oder vierachsige (von nordamerikanischen Bahnen auch sechsachsige) G. eingestellt. Für Personenzüge werden zwei und dreiachsige G., für Güterzüge meist zweiachsige G. verwendet.

Die G. werden in der Regel hinter die Lokomotive eingestellt, insbesondere bei den personenführenden Zügen derjenigen Bahnen, die Schutzwagen oder ein Schutzabteil vorschreiben.

Die TV. des VDEV. enthalten diesbezüglich nachfolgende empfehlende Bestimmungen, die mit verschiedenen geringfügigen Abänderungen von den einzelnen dem VDEV. angehörenden Verwaltungen für ihren Geltungsbereich bindend vorgeschrieben werden:

»In den zur Personenbeförderung bestimmten, von Lokomotiven geführten Zügen ist von den Reisenden freizuhalten:

1. bei Hauptbahnen:

a) die vorderste Abteilung des ersten Wagens bei den Zügen:

α) die mit mehr als 40 km, aber höchstens mit 50 km Geschwindigkeit in der Stunde fahren;

β) die mit mehr als 50 km, aber höchstens mit 60 km Geschwindigkeit in der Stunde fahren, mit durchgehender Bremse ausgerüstet sind, nicht mehr als 40 Wagenachsen führen und auf zweigleisigen Strecken verkehren, wo alle Züge einander mit derselben Geschwindigkeit folgen;

b) der erste Wagen bei Zügen, die mit mehr als 50 km Geschwindigkeit in der Stunde fahren.

2. Bei Nebenbahnen:

die vorderste Abteilung des ersten Wagens bei Zügen, die mit mehr als 40 km Geschwindigkeit in der Stunde fahren.

Im Dienst befindliche Eisenbahn-, Post- und Zollbeamte sowie Begleiter von Leichen und Tieren gelten nicht als Reisende im Sinne dieser Bestimmung.«

Als Kurswagen beigegebene G. werden auch in die Mitte des Zuges eingestellt. Bei Lokalpersonenzügen wird vielfach ein G. hinter die Lokomotive und ein solcher am Zugsende eingestellt, damit in Umkehrstationen keine Umstellung des G. nötig ist.

Bei den englischen Bahnen werden bei Güterzügen die G. stets am Ende des Zuges eingestellt, der Zugführer hat dann gleichzeitig den Dienst des Schlußbremsers (Stockmann) zu versehen.

Nachstehend sind einige Gepäckwagentypen dargestellt:


Taf. II, Abb. 1. Zweiachsiger Personenzuggepäckwagen der preuß.-hess. Staatsbahnen.


Der Wagen hat eine geschlossene Plattform. Das Dienstabteil ist stirnseitig angeordnet, besitzt überhöhtes Dach und hoch angeordneten Bremsersitz. Der Wagen ist mit Dampfheizung, Gasglühlichtbeleuchtung und Luftdruckbremse ausgerüstet. Der Hundekasten ist nieder und dient seine Decke als Gepäckauflagebrett.


Abb. 216. Dreiachsiger Personen- und Schnellzuggepäckwagen der österreichischen Staatsbahnen.


Der Wagen hat eine geschlossene Plattform. Das Dienstabteil ist stirnseitig angeordnet. Der Wagen ist mit Dampfheizung, Gasglühlichtbeleuchtung und Luftsaugebremse ausgerüstet. Im Gepäckabteil sind zwei voneinander getrennte niedere Hundekasten angeordnet.


Taf. II, Abb. 2. Vierachsiger Schnellzuggepäckwagen der österreichischen Staatsbahnen.


Der Wagen hat eine geschlossene Plattform, das Dienstabteil ist stirnseitig angeordnet. Der Wagen ist mit Dampfheizung, Luftsauge- und Luftdruckbremse ausgerüstet. Im Gepäckabteil sind Zollverschlußräume angeordnet.


Taf. II. Abb. 3. Zweiachsiger Postgepäckwagen der preußisch-hessischen Staatsbahnen und der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen.


Der Wagen hat eine geschlossene Plattform. Das Dienstabteil ist an einem, das Postabteil am zweiten Stirnende, das Gepäckabteil in der Wagenmitte angeordnet. Im Gepäckabteil sind Legebretter für kleinere Gepäckstücke und ein Hundekasten vorgesehen. Der Abort ist im Dienstabteil. Der Wagen ist mit Gasglühlichtbeleuchtung, Luftdruckbremse und Dampfheizung, im Postabteil außerdem mit Füllofenheizung ausgerüstet.


Taf. II, Abb. 4. Zweiachsiger Güterzuggepäckwagen der preußisch-hessischen Staatseisenbahn und der Reichseisenbahn in Elsaß-Lothringen.


Der Wagen hat eine geschlossene Plattform. Das Dienstabteil ist stirnseitig angeordnet, besitzt überhöhtes Dach und hoch angeordneten Bremsersitz. Im Gepäckabteil sind aufklappbare Bänke und ein aufklappbarer Tisch angeordnet. Der Wagen ist mit Gasglühlichtbeleuchtung, Preßkohlenheizung im Dienstabteil und einem Kochofen im Gepäckabteil ausgerüstet.


Abb. 217. Zweiachsiger Spezialgüterzuggepäckwagen der österreichischen Staatsbahnen.


Der Wagen ist als Ballastwagen ausgebildet, hat nur ein Abteil und eine offene Plattform. Am Untergestell, von den Wagenstirnwänden bis zur Wagenbrust sind Gußeisenplatten von einem Gesamtgewicht von 17 t angebracht. Das Gesamtgewicht des Wagens beträgt 24∙5 t. Der Wagen ist mit Ölbeleuchtung, Leitung für Luftsaugebremse und Füllofenheizung ausgerüstet.


Reicht ein G. für das zu befördernde Reisegepäck nicht aus, so werden Gepäckbeiwagen in die Züge eingestellt. Es sind dies gewöhnliche gedeckte Güterwagen, die mit den nötigen Leitungen für durchgehende Bremsen,[305] Heizung und dgl., in der Regel auch mit Laufbrettern versehen sind.

Schützenhofer jun.

Abb. 216. Gepäckwagen der österr. Staatsbahnen.
Abb. 216. Gepäckwagen der österr. Staatsbahnen.
Abb. 217. 2achsiger Spezial-Güterzugspackwagen (Ballastwagen) der österr. Staatsbahnen.
Abb. 217. 2achsiger Spezial-Güterzugspackwagen (Ballastwagen) der österr. Staatsbahnen.
Tafel II.
Tafel II.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 302-306.
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