Wagenverbände

[260] Wagenverbände (wagons union; syndicate ou réunion de waggons; sindicato o riunione di vagoni), Vereinigungen von Eisenbahnverwaltungen zum Zwecke der gemeinschaftlichen Benutzung ihrer Wagen. Die Vereinbarungen gehen entweder dahin, daß die Bahnen sich gegenseitig in gewissem Umfange die Benutzung ihrer Wagen, über die sie sich im übrigen freie Verfügung vorbehalten, zugestehen, oder sie schaffen eine engere Gemeinschaft dadurch, daß die den Verbandsverwaltungen gehörigen Wagen zu einem gemeinschaftlich verwalteten und benutzten Wagenpark vereinigt werden. Zu den Vereinigungen der letzteren Art zählen der Schweizerische W. (s. Schweiz. Eisenbahnen unter IV), der Deutsche Staatsbahnwagenverband (s.d.), zu denen der ersteren u.a. der VDEV., der Deutsch-italienische und der Internationale W. Beim Übergang der Staatsbahnen in den Besitz des Deutschen Reiches ist auch die Verwaltung des Staatsbahnwagenverbandes auf die Reichsbahn übergegangen und damit der Verband als solcher aufgelöst worden.


Die Möglichkeit und Notwendigkeit der Benutzung fremder Wagen ergab sich, als mit der allmählichen Ausdehnung der Bahnen die verschiedenen Eisenbahnunternehmungen miteinander in Berührung kamen. Sollte die Umladung der für das Verkehrsgebiet einer anderen Bahn bestimmten Güter auf der Übergangsstation unterbleiben, mußte der sie enthaltende Wagen von der anschließenden Bahn übernommen und bis zur Bestimmungsstation weitergeführt werden. Dies machte besondere Vereinbarungen erforderlich. Solche wurden zunächst zwischen den unmittelbar anstoßenden Bahnen getroffen. Im Jahre 1850 bestanden Sondervereinbarungen z.B. bei den Köln-Mindener, Hannoverischen, Braunschweigischen, Rheinisch-Bergischen, Schlesisch-Österreichischen, Berlin-Hamburger und Sachsisch-Böhmischen Bahnen. – Verdienst des 1846 gegründeten Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen ist es, zuerst für ein größeres Gebiet einheitliche Grundsätze für den Wagenübergang geschaffen zu haben, indem einmal der Grundsatz des Übergangs beladener Wagen von Bahn zu Bahn im Vereinsverkehr ausgesprochen und durch Vereinbarung einheitlicher Vorschriften für den Bau und Betrieb der Eisenbahnen und für die Beschaffenheit der Fahrzeuge die Möglichkeit des Übergangs geschaffen wurde. Während diese Vorschriften in den von der ersten Technikerversammlung des Vereins aufgestellten und von der Generalversammlung im Jahre 1850 angenommenen Grundzügen für die Gestaltung der Eisenbahnen Deutschlands und einheitlichen Vorschriften für den durchgehenden Verkehr auf den bestehenden Vereinsbahnen Ausdruck fanden, wurde der Grundsatz des Übergangs beladener Wagen im § 2 des vom 1. Juli 1850 ab gültigen Übereinkommens zwischen den zum deutschen Eisenbahnvereine gehörenden Verwaltungen über den direkten Güterverkehr ausgesprochen, allerdings noch mit der beschränkenden Bestimmung, daß es den benachbarten Verwaltungen überlassen bleibe, sich über die näheren Bedingungen des Übergangs zu einigen1. Schon 1852 aber hielt der Verein es auf Anregung des Sächsischen Finanzministeriums für geboten, die Festsetzung der Bedingungen nicht den einzelnen Verwaltungen zu überlassen, sondern selbst in die Hand zu nehmen. Diese Regelung erfolgte durch die von der Breslauer Generalversammlung 1855 genehmigten »Normalbestimmungen für die wechselseitige Wagenbenutzung im Bereiche der dem Übereinkommen über den direkten Güterverkehr beigetretenen Eisenbahnverwaltungen«, die sog. Breslauer Vereinbarungen. Noch enthielten diese Bestimmungen kein bindendes Recht, da sie weder bestehende Verträge gefährden, noch den Abschluß neuer verhindern und nur in Ermangelung von Sonderbestimmungen Geltung haben sollten. Gleichwohl erlangten sie im Laufe der Zeit mit der Zunahme des Verkehrs auf weitere Entfernungen immer größere Bedeutung, da sie in Kraft traten, wenn Sondervereinbarungen fehlten, zugleich aber trat immer stärker das Bedürfnis hervor, für den Wagenübergang zwingendes Vereinsrecht[260] zu schaffen. So wurde 1867 durch die Mainzer Generalversammlung das Regulativ für die gegenseitige Wagenbenutzung im Bereiche der Verwaltungen des deutschen Eisenbahnvereins beschlossen, das sich an bereits bei zahlreichen Vereinsmitgliedern geübte Sondervereinbarungen anschloß, am 1. März 1868 in Kraft trat und für alle Verwaltungen verbindlich war, soweit es nicht durch besondere Abmachungen einzelner Verwaltungen für ihren Verkehr außer Kraft gesetzt wurde. Wesentlich umgestaltet wurde das Regulativ 1873 durch die Frankfurter Vereinsversammlung.


Das Regulativ für die gegenseitige Wagenbenutzung vom 1. Juli 1873, das zum erstenmal auch Bestimmungen über Personen- und Gepäckwagen traf, bildet für den Güterwagendienst die Grundlage der noch heute geltenden Bestimmungen. Es sind verschiedene Neuausgaben veranstaltet worden. Zu erwähnen ist die Ausgabe vom 1. Oktober 1887 mit der Bezeichnung: Übereinkommen, betreffend die gegenseitige Wagenbenutzung im Bereiche des VDEV., und die vom 1. Januar 1889, die außerdem die abgekürzte Bezeichnung »Vereinswagenübereinkommen« (VWÜ.) trug. Die letzte Ausgabe stammt aus dem Dezember 1912 mit Gültigkeit vom 1. Januar 1913 ab.

Über alle aus den Vereinsbestimmungen nicht technischer Art bezüglich des Wagenverkehrs zwischen Vereinsmitgliedern entstandenen Streitigkeiten entscheidet mit Ausschluß des Rechtswegs der Vereinsausschuß für Angelegenheiten der gegenseitigen Wagenbenutzung und über Streitigkeiten in technischen Angelegenheiten der Technische Ausschuß des Vereins. Der VDEV. umfaßte 1913 die deutschen, österreichischen, ungarischen, niederländischen, luxemburgischen, rumänischen sowie einige russische und belgische Bahnen. Demgemäß galt das VWÜ. für den Verkehr der diesen Bahnen angehörenden Wagen im gesamten Bereiche des Vereins. Als Vereinsbahnen galten ferner auch die dem Vereine nicht angehörigen Bahnen, auf die die Bestimmungen des VWÜ. für anwendbar erklärt worden waren. Das VWÜ. fand weiter auch Anwendung für die auf Vereinsbahnen übergehenden Wagen vereinsfremder Verwaltungen, die als Wagen der einführenden Verwaltung angesehen wurden. Dank dieser Bestimmung war es möglich, daß die Grenzbahnen des Vereins auf Grund von Vereinbarungen mit fremden Bahnen deren Wagen über ihre Strecken hinweg in das Vereinsgebiet einführten. Anderseits war es ebenso angängig, Vereinswagen auf vereinsfremde Bahnen übergehen zu lassen, auch wenn die Wageneigentümerin selbst mit den fremden Bahnen Vereinbarungen nicht getroffen hatte, sofern nur die angrenzende Vereinsbahn solche abgeschlossen hatte. Sache der Vereinsgrenzbahn war es, die Rechte der beteiligten Vereinsmitglieder zu wahren und sie schadlos zu halten. So wurde von den Ungarischen Staatsbahnen der Wagenverkehr zwischen den anderen Bahnen des VDEV. und den serbischen, bulgarischen und orientalischen Bahnen vermittelt, durch die ED. Altona der Verkehr mit den dänischen, schwedischen und norwegischen Bahnen. Maßgebend waren die Bestimmungen des VWÜ. Die schweizerischen Bahnen hatten vom 1. April 1874 an für ihren Wagenverkehr mit den Bahnen des VDEV. das Vereinswagenregulativ vom 1. März 1874 angenommen. Am 14. April 1890 erklärten sie ihren Beitritt zum VWÜ. unter dem Vorbehalt, daß alle bestehenden besonderen Vereinbarungen mit Vereinsmitgliedern unberührt und in technischer Beziehung die Vorschriften für die technische Einheit maßgebend bleiben sollten. Der Übergang österreichisch-ungarischer Wagen nach Frankreich und französischer Wagen nach Österreich-Ungarn durch die Schweiz war durch das Übereinkommen betreffs die Behandlung der Güterwagen im österreichisch-ungarisch-schweizerisch – französischen Verkehr vom 1. Juli 1890 zwischen dem Schweizerischen W. und Österreich-Ungarn geregelt, dem abgesehen von der abweichenden Bemessung der Mieten, Verzögerungsgebühren, Fristen u.s.w. das VWÜ. und die Bestimmungen über die technische Einheit zu grunde lagen. Nach § 1 des VWÜ. war den Verwaltungen die Vereinbarung von Zusatz und Ausnahmebestimmungen für den Wagenverkehr innerhalb bestimmter Bahnbereiche vorbehalten. Derartige Sondervereinbarungen sind getroffen worden für den deutschen Staatsbahnwagenverband sowie für die österreichischen, ungarischen und bosnisch-hercegovinischen und die niederländischen Eisenbahnen. Zu erwähnen sind ferner die Allgemeinen Bedingungen für die Benutzung von Güterwagen auf Privateisenbahnen im Verkehr mit den Verwaltungen des deutschen Staatsbahnwagenverbandes und die Allgemeinen Bedingungen für den Wagenübergang auf Kleinbahnen, die darauf beruhen, daß die Privateisenbahnen und Kleinbahnen ihre Wagen in den Park einer anschließenden Bahn einstellen und dafür wenigstens für den Übergangsverkehr mit Wagen versorgt werden.

Bald nach Beendigung des Krieges – Oktober 1919 – berieten die meisten europäischen Bahnverwaltungen in Rom über den Ersatz des deutsch-italienischen Regulativs und des internationalen Reglements durch ein neues internationales Regulativ (RIV.), nachdem der Umsturz der politischen und wirtschaftlichen[261] Verhältnisse, die ungewöhnlich große Steigerung der Betriebsausgaben und das damit verbundene Fehlergebnis der Bahnen den Gedanken auf eine weitgehende Vereinfachung der gehemmten Wagengebarung im Verkehr der festländischen Bahnen in verstärkter Form aufleben ließen. Die Vorarbeiten für das RIV. wurden im April 1921 in Stresa abgeschlossen. Sitz des geschäftsführenden Bureaus ist Bern.

Von ähnlichen Erwägungen geleitet, hatte das Eisenbahnzentralamt in Berlin im Januar 1921 einen Antrag auf schleunige Umarbeitung des VWÜ. mit dem Ziele größtmöglicher Vereinfachung gestellt und hierbei insbesondere den Wegfall der Laufmiete, Verzögerungsgebühren und Geldbußen sowie Einführung einer neuen gestaffelten Zeitmiete angeregt. Nachdem bald darnach, wie vorhin erwähnt, in Stresa ein neues, vereinfachtes Wagenrecht für den internationalen Verkehr geschaffen war und dieses dem Ziele des von Berlin damals gestellten Antrags weitgehendst Rechnung trug, wurde vom Wagenausschuß beschlossen, das VWÜ. nach dem Vorbilde des RIV. umzuarbeiten. Die Fassung des neuen VWÜ. schließt sich möglichst wörtlich an das RIV. an. Änderungen wurden nur insoweit vorgenommen, als es die besonderen Verhältnisse im Verein geboten erscheinen ließen. Es wurde in der am 7. bis 9. September 1921 abgehaltenen Generalversammlung des Vereins genehmigt, mit dem neuen RIV. in einem Druckheft vereinigt bekanntgegeben und am 1. Januar 1922 zugleich mit diesem in Kraft gesetzt.

Die gegenseitige Wagenbenutzung im Verkehr mit den italienischen Bahnen zu regeln, war Aufgabe des Deutsch-italienischen W., der nunmehr gleich dem Internationalen Verband durch das RIV. ersetzt wird. Ihm gehörten an die hauptsächlichsten deutschen, österreichischen, ungarischen, bosnisch-herzegowinischen, schweizerischen, belgischen, niederländischen, luxemburgischen, rumänischen Bahnen, die Warschau-Wiener Bahn und die italienischen Bahnen. Das »Regulativ für die gegenseitige Wagenbenutzung (IWR.)« (letzte Ausgabe, gültig vom 1. April 1914 an) war dem VWÜ. nachgebildet und stimmte mit diesem fast wörtlich überein.

Als dritter großer Wagenverband ist zu nennen der Internationale Verband (Union internationale pour l'emploi réciproque du matériel). Er wurde auf der Brüsseler Konferenz vom 22. November 1876 gegründet, nachdem zunächst auf Anregung der Belgischen Staatsbahn und der ehemaligen Rheinischen Eisenbahngesellschaft in Köln Bahnen des VDEV. sowie französische und belgische Bahnen ein Reglement für den internationalen Verkehr mit Geltung vom 1. November 1875 vereinbart hatten. Zugleich wurde ein Technisches Reglement für die gegenseitige Zulassung des Betriebsmaterials und die Haftpflicht für Beschädigungen mit Gültigkeit vom 1. Januar 1877 vereinbart. Dem Verbande schlossen sich bis Ende 1877 die meisten Verwaltungen des VDEV., die belgischen und schweizerischen Bahnen (die dann 1893 wieder ausschieden) und die französische Nordbahn an, während die französische Ostbahn nur dem Technischen Reglement beitrat. Durch Vermittlung der dem Verbande angehörenden belgischen und französischen Bahnen war aber auch ein Wagenaustausch zwischen den übrigen französischen und den Bahnen des VDEV. ermöglicht. Das Reglement für die Benutzung des Fahrmaterials zwischen allen an dem Internationalen Verband teilnehmenden Verwaltungen (Inter. Rgl.) und das Technische Reglement sind mehrfach umgearbeitet worden. Die letzte Ausgabe des Int. Rgl. galt vom 1. Oktober 1882, seine Bestimmungen lehnten sich an das VWÜ. an. Nachdem auf der internationalen Eisenbahnkonferenz in Bern im Mai 1886 Bestimmungen über die Technische Einheit im Eisenbahnwesen (s.d.) vereinbart worden waren, wurde das Technische Reglement einer Umarbeitung unterzogen. Das Technische Reglement für die gegenseitige Zulassung der Fahrzeuge und die Haftpflicht für Beschädigungen zwischen den Verwaltungen des Internationalen Verbandes, gültig vom 1. Juli 1908 (abgekürzt Tech. Regl.), gab die Bestimmungen über die Technische Einheit als technische Bedingungen für die Überwachung der Fahrzeuge wörtlich wieder. Geschäftsführende Verwaltung für den ganzen Verband war die Generaldirektion der Belgischen Staatsbahnen in Brüssel, Vertreterin der Bahnen des VDEV. die Eisenbahndirektion in Köln. Streitigkeiten zwischen den Bahnen wurden durch einen Ausschuß aus 7 Verwaltungen entschieden.

Der Nordische W. Die gegenseitige Wagenbenutzung zwischen den dänischen, schwedischen und norwegischen Bahnen wird durch das Wagenübereinkommen der nordischen Bahnen von 1891 geregelt (Overenskomst angaande den gensidige Vognbeuyttelse mellem danske, svenske og norske Ioernbaner). Sein Inhalt stimmt im wesentlichen mit dem VWÜ. in der Fassung von 1890 überein. Es sieht gleich hohe Mietbeträge vor nur in Kronen statt in Mark. Als technische Bedingungen enthält es in Anlage I die Bestimmungen über die Technische Einheit. Zu erwähnen ist ferner die Konvention zwischen den Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen und der [262] französischen Ostbahn von 1880 (Konvention). Sie regelte die gegenseitige Benutzung der Personen-, Gepäck- und Güterwagen der beiden Verwaltungen. Sie ermöglichte aber auch den Wagenverkehr mit den beiderseitigen Hinterbahnen. Die von einer Verwaltung der andern zugeführten fremden Wagen wurden als Eigentumswagen der zuführenden Verwaltung behandelt. In technischer Beziehung galt das Technische Reglement und als Ergänzung das jeweilige Preisverzeichnis des VWÜ. Die Regelung aller den Austausch der Wagen und die Entschädigungen betreffenden Fragen erfolgte ausschließlich zwischen den beiden Vertragsbahnen, denen es überlassen blieb, auf die beteiligten weiteren Bahnen ihren Rückgriff zu nehmen. Meinungsverschiedenheiten sollten durch ein Schiedsgericht entschieden werden. Außer den vorerwähnten Hauptübereinkommen bestanden bei den deutschen, österreichischen, ungarischen, belgischen, dänischen, französischen, italienischen, schwedischen, norwegischen, rumänischen, schweizerischen u.s.w. Bahnen noch besondere Vereinbarungen über den Wagenübergang. So das Übereinkommen zwischen den großen französischen Eisenbahngesellschaften (Fr. Übk.), das Übereinkommen betreffend die gegenseitige Wagenbenutzung im Verkehr der Südbahn und der Orléansbahn u.s.w. Wegen der nordamerikanischen Eisenbahnen s. American Railway Association und Master car Builders Association, wegen der englischen Eisenbahnen s. Clearing House. Wegen der Bestimmungen der Übereinkommen s. Wagenübergang. Von den russischen Bahnen hatten nur die Warschau-Wiener Bahn und die Lodzer Fabrikbahn die Regelspur von 1∙435 m, alle übrigen vollspurigen Bannen die Breitspur von 1∙523 m. Die ersteren hatten sich dem VDEV. angeschlossen, die übrigen 1889 im »Übereinkommen über die gegenseitige Ausnutzung der Güterwagen für alle russischen Bahnen« zusammengeschlossen. Nach diesem werden die Güterwagen von den Verbandsbahnen gemeinschaftlich wie eigene benutzt. Eine Mietabrechnung findet nicht statt. Bei der Übergabe hat die übernehmende Bahn der übergebenden die gleiche Anzahl Wagen zurückzugeben, die sie erhalten hat; dabei sind leere und beladene, offene und bedeckte Wagen zu unterscheiden; wenn bei einem Überschuß an bedeckten Wagen diese gegen offene ausgetauscht werden, wird ein bedeckter gleich vier offenen gerechnet. Zu unterscheiden ist: a) wirklicher Austausch ohne Rückgabefrist (Wagen gegen Wagen); b) wirklicher Austausch mit Rückgabefrist; c) Übergabe und Übernahme ohne tatsächlichen Austausch mit Rückgabefrist. Da das Verfahren zu a für die Wagen gewöhnlicher Bauart gilt, bildet es die Regel. Die Verwaltung, die mit dem Austausch in Verzug gerät, hat für jeden rückständigen Wagen eine Verzugsstrafe von 3 Rubeln für 24 Stunden zu zahlen. Dem Rechte, die Wagen unbeschränkt wie die eigenen zu benutzen, steht die Pflicht gegenüber, sie auch wie die eigenen zu behandeln. Nur die bahnpolizeiliche Untersuchung ist Sache der Heimatbahn. Dazu müssen die Wagen alle 2 Jahre ihrer Heimat zugeführt werden. Kehrt ein Wagen nicht rechtzeitig zurück, so wird er gesucht. Alle 2 Jahre findet auch eine Bestandaufnahme statt, deren Ergebnis allen Verwaltungen mitgeteilt wird. Wird aus gewissen Gründen die Rückleitung von Wagen gewöhnlicher Bauart verlangt, so hat diese innerhalb einer bestimmten Frist stattzufinden, die für je 60 Werst 1 Tag beträgt. Bei Überschreitung dieser Frist ist der Wageneigentümerin eine Verzögerungsgebühr von 50 Kopeken für Tag und Wagen zu zahlen. Andererseits hat die Eigentümerin die befördernde Verwaltung mit 2 Kopeken für Werst und Achse zu entschädigen, wenn der Wagen auf dem Heimwege nicht ausgenutzt werden konnte, sondern leer zurückbefördert werden mußte. Das Verfahren zu b und c findet nur bei Wagen mit besonderer Bauart und für besondere Zwecke statt. Wagen, die unter einer für die Rückgabe gestellten Frist übergeben worden sind, müssen innerhalb dieser Frist zurückgegeben werden, u. zw. müssen sie auf denselben Strecken und nach denselben Übergangsstationen zurückkehren, von denen sie ausgegangen sind. Jeder solche Wagen soll 120 Werst am Tage laufen. Bei Verzögerung der Rückgabe ist im allgemeinen eine Verzögerungsgebühr von 3 Rubeln für 24 Stunden zu zahlen. Bei Übergabe von Spezialwagen, wie zweibödigen Wagen für Kleinvieh, Kühlwagen für Milch, Gemüse, frisches Fleisch und Fische, bei Wagen für Obst und Mehl, ist, wenn nicht Wagen gleicher Art zurückgegeben werden, ein den regelmäßigen Satz von 3 Rubeln für 24 Stunden um 1 Rubel übersteigender Betrag für den Wagen so lange zu zahlen, bis die übergebenen Wagen oder Wagen gleicher Art zurückgegeben werden.

Um den Wagenübergang unter Vermeidung der kostspieligen und zeitraubenden Umladungen zu ermöglichen, hatten die russischen Bahnen einerseits und die früheren preußisch-hessischen und österreichischen Bahnen anderseits eine Anzahl Umsetzgüterwagen nach Bauart Breidsprecher (s.d.), welche die Auswechslung der Achsen gestatten, beschafft und in Verkehr gesetzt. Auch diese Wagen wurden[263] bei der Übergabe Wagen gegen Wagen ausgetauscht. Für jeden fehlenden Wagen war eine Vergütung von 4 M. für jeden angefangenen Tag zu zahlen.

Infolge dieser Vereinbarungen war ein Übergang von Wagen zwischen allen vollspurigen Eisenbahnen des europäischen Festlandes – mit Ausnahme von Rußland – möglich und tatsächlich in Übung und auch nach Rußland bahnte sich ein solcher Wagenübergang mit Einstellung von Umsetzgüterwagen an.

Fabiunke.

1

§ 2 lautet: Rücksichtlich des § 1 des Reglements (d.i. des »Reglements für den Güterverkehr«, welches die unmittelbare durchgehende Beförderung zwischen allen für den direkten Verkehr bestimmten Vereinsstationen vorsah) ist man übereingekommen, daß die Umladung der Güter beim Übergang von einer Bahn auf eine andere möglichst vermieden werden soll, soweit das Durchgehen derselben in denselben Wagen zu ihrer Konservation oder schnelleren Beförderung beitragen kann. Die Verwaltungen werden daher gegenseitig gestatten, daß fremde Wagen auf ihre Bahnen und ihre Wagen auf fremde Bahnen übergehen, vorbehaltlich der Kontrolle über die Sicherheit der Wagen und mit der Beschränkung, daß eine Verwaltung nur dann verbunden ist, ihre Wagen auf eine fremde Bahn übergehen zu lassen, wenn ihr eigener Dienst es gestattet. Den benachbarten Verwaltungen bleibt es überlassen, sich über die näheren Bedingungen des Übergangs zu einigen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 260-264.
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