Fleischer, Familie

[251] Fleischer, Familie. Theodor Fleischer, geboren 1651 zu Thum im sächsischen Erzgebirge, hatte sich durch Uebernahme der Sengewaldschen Buchhandlung in Jena selbständig gemacht. Um das Jahr 1680 verheiratete er sich mit der Witwe des Buchdruckers Johann Erich Hahn zu Leipzig. Um die Uebernahme der Hahnschen Buchdruckerei zu ermöglichen, erbot er sich, die Buchdruckerkunst unter gewissen von ihm vorgeschlagenen Bedingungen zu erlernen. Die »Buchdrucker-Societät« konnte jedoch diese Bedingungen nicht gutheißen und sah sich Fleischer infolge dessen veranlaßt, die seiner Frau gehörige Buchdruckerei im Jahre 1681 an seinen Bruder Christoph, der Buchdrucker war, zu verkaufen.

Christoph Fleischer hatte die Buchdruckerkunst bei Georg Sengewald in Jena ordnungsgemäß erlernt und im Jahre 1675 die Schmidtsche Druckerei in Rudolstadt erworben, welche er nunmehr bei Uebersiedelung nach Leipzig an den Buchdrucker Friedrich verkaufte. Christoph Fleischer, der ein tüchtiger Fachmann war, sodaß er eine Reihe von Jahren das Amt des Oberältesten der Leipziger Buchdruckerinnung bekleidete, war bis 1709 thätig; er hinterließ die Druckerei seiner Ehefrau, welche dieselbe mit Unterstützung ihres Schwiegersohnes Georg Saalbach bis 1724 betrieb. Bei ihrem Ableben übernahm Saalbach die Druckerei für eigene Rechnung.

Johann Friedrich Fleischer (Sohn von Christoph) übernahm den Verlag der väterlichen Firma und wandte sich 1710 nach Frankfurt a. M., wo er unter seiner Firma eine Buchhandlung eröffnete.[251]

Seine Söhne Johann Georg und Johann Christian Fleischer standen beide dem Vater in der Führung des Geschäftes zur Seite. Der jüngere, Johann Christian, starb im Alter von 30 Jahren und ihm folgte am 30. Juni 1765 der Vater, den von fünf Söhnen nur Johann Georg überlebte, auf welchen auch die Handlung überging.

Johann Georg Fleischer war bei der Uebernahme derselben schon reiferen Alters. Seine zweite Ehefrau Charlotte Wilhelmine geb. Triller war eine Tochter des Professors der Medizin an der Universität Wittenberg, Dr. Daniel Triller, dessen Werke zum größeren Teile im Verlage des Hauses erschienen sind. Fleischer starb im April 1796, seine Frau führte das Sortiment unter der Firma Johann Georg Fleischerische Buchhandlung noch zwei Jahre, bis zur Liquidation 1798, weiter, worauf es von Philipp Heinrich Guilhaumain unter dessen Namen übernommen wurde.

Noch zu Lebzeiten des Vaters (Johann Georg), am 30. September 1788, eröffnete Johann Benjamin Georg Fleischer eine Sortimentsbuchhandlung im Fürstenhause zu Leipzig und auf ihn ging 1796, nach dem Tode Johann Georg Fleischers, der Verlag des Frankfurter Hauses über. Sein umfangreiches Sortimentsgeschäft hielt vorzugsweise ein umfassendes Lager ausländischer Werke und auch im Verlage war er nicht unthätig. Neben einer Reihe eigener Unternehmungen erwarb er eine Menge fremder Verlagswerke, so den Verlag von Quien in Berlin, ferner den von Carl Aug. Solbrig in Leipzig. 1803 starb Fleischer und hinterließ die Handlung seiner Gattin, Eleonore geb. Lübeck, die sie am 1. April 1819 an ihren Sohn Friedrich Georg abtrat.

Friedrich Georg Fleischer, geb. am 6. April 1794, legte das Hauptgewicht auf die Erweiterung des Verlages. Auch er hat eine große Anzahl fremder Verlagswerke käuflich erworben, so u. A. den Verlag der Akademischen Buchhandlung in Berlin, der Hertelschen Buchhandlung in Leipzig und teilweise den der Geßnerschen Buchhandlungen in Zürich. Aus dem letzteren seien erwähnt die Salomon Geßnerschen Werke, des 1787 gestorbenen Buchhändlers, der nicht nur seine Werke selbst verlegte, sondern sie auch mit eigenen Radierungen schmückte.

1820 hatte Friedrich Fleischer eine Filialbuchhandlung in Sorau eröffnet; diese Firma, Friedrich Fleischersche Buchhandlung, ist 1824 an Fr. Aug. Julien verkauft worden. 1851 erwarb dieselbe W. Wittstruck.[252]

Ferner erwarb Fleischer 1831 Teile des Verlags von J. F. Gleditsch in Leipzig, 1832 von Dommann in Züllichau, 1833 von Langbein & Klüger in Rudolstadt und Arnstadt, 1834 von Chr. Homeyer in Braunschweig; 1837 kaufte er den Verlag von Ruff in Halle, 1839 von Georg Fr. Tasché in Leipzig, 1840 die Köchlysche Buchhandlung in Leipzig, 1844 den Verlag von J. H. C. Schreiner in Düsseldorf und einen Teil des Rabenhorstschen Verlages in Leipzig (gegr. 1795), 1852 den Rest des G. F. Heyerschen Verlages in Gießen, sowie den größten Teil des Heinrich Funckeschen Verlages in Krefeld. Auch den größten Teil des Verlages von Gerhard Fleischer in Dresden kaufte er 1846 von dem damaligen Besitzer August Weichardt. Gerhard Fleischer war 1832 auch Mitbesitzer der Firma Ernst Fleischer in Leipzig geworden.

Ernst Fleischer (geb. 30. 6. 1799, gest. 18. 6. 1832) hatte seine Bildung im Heinzeschen Privatinstitut in Leipzig empfangen, trat dann als Lehrling in des Vaters Handlung, in das Geschäft von Joh. Benj. G. Fleischer ein, ging später zur weiteren Ausbildung nach London, kehrte über Frankreich 1821 nach Leipzig zurück und gründete sein eigenes Geschäft.

Seinen Verlag bereicherte er durch gute deutsche Ausgaben der klassischen Werke der Engländer, Spanier und Italiener, verlegte Naumanns Naturgeschichte der Vögel Deutschlands (jetzt Verlag von Fr. E. Koehler in Gera-U.), die von Professor Moritz Retzsch gestochene Gallerie zu Shakesspaeres dramatischen Werken u. s. w.

Seine Handlung wurde 1832 an Phil. Mainoni verkauft, von diesem 1851 an Ferdinand Sechtling. Dieser hat u. a. 1852 den Verlag von Rotteck und Welckers Staatslexikon (dem seiner Zeit im Verlage von J. F. Hammerich in Altona erschienenen epochemachenden Werke) an sich gebracht (vergl. Artikel Aue). 1854 erwarb Rudolf Hentschel die Handlung, dessen Nachfolger Gustav Friedrich und Moritz Friedrich Hentschel 1870 das Geschäft an Carl August Schulze, den späteren Teilhaber der Firma L. A. Kittler verkauften. 1879 erwarben den Verlag Friedberg & Mode in Berlin, die ihn unter ihrer Firma seither fortgeführt haben. 1879 kaufte die Firma Mayer & Müller in Berlin von Friedberg & Mode den größten Teil des philologischen und mathematischen Verlags von Ernst Fleischer.

Am 1. Januar 1853 nahm Friedrich Fleischer, – um zu diesem zurückzukehren, – seinen Sohn Carl Friedrich Fleischer, geb.[253] am 8. 11. 1827, als Geschäftsteilhaber auf; die einzelnen Geschäftszweige wurden nach Ablauf des zwischen Vater und Sohn vereinbarten Gesellschaftsvertrages am 1. Januar 1856 getrennt und zwar führte Friedrich Fleischer den Verlag unter der bisherigen Firma weiter, während die Sortiments- und Kommissionsbuchhandlung auf den Sohn überging, dessen Name für die genannten Geschäftszweige Firma wurde.

Friedrich Fleischer hat neben einer umfassenden geschäftlichen Thätigkeit seine Kräfte in bewegter Zeit nicht nur dem deutschen Buchhandel, sondern auch seinem engeren Vaterlande und seiner Vaterstadt gewidmet.

Seine Bedeutung für den deutschen und namentlich den Leipziger Buchhandel erhellt aus dem Nachrufe, welchen ihm die Deputierten des Leipziger Buchhandels an seinem Todestage, dem 22. September 1863 im Börsenblatte widmeten. Dort heißt es, in gerechter Würdigung dieses Koryphäen unseres Standes:

»Seinem allezeit richtigen Erkennen der wahren Bedürfnisse unseres Geschäftes, seinem energischen aufopfernden Streben, das von ihm für recht und zweckmäßig Erkannte ins Leben zu rufen, zu fördern, zu erhalten, verdankt der Leipziger Buchhandel zum größten Teil die Gründung und treffliche Organisation der ihn fördernden Institute.

Er war es, der den ersten Gedanken faßte zur Herausgabe unseres Börsenblattes, zur Gründung einer deutschen Buchhändlerbörse, unseres Bestellanstalt, die heute eine Notwendigkeit für den deutschen Buchhandel ist, und zu unserer Buchhändler-Lehranstalt...«

1841 wurde der erste Grund zu der Bibliothek des Börsenvereins gelegt durch den infolge einer Eingabe von Friedrich Fleischer als Vorsitzenden des Leipziger Vereins gefaßten Beschluß, alle auf das 4. Jubiläum der Erfindung der Buchdruckerkunst bezüglichen Schriften, größere und kleinere bis zu einzelnen Blättern hinab, zu sammeln.

Der Börsenverein hat am Kantate-Sonntag 1866 das Bildnis Friedrich Fleischers in der alten Buchhändlerbörse in feierlicher Weise anbringen lassen.

Carl Friedrich Fleischer übernahm nach dem Tode des Vaters auch den Verlag und erweiterte ihn nicht unbeträchtlich auf dem Gebiete der philosophischen und historischen Litteratur.[254]

Auch Carl Friedrich Fleischer hat sich mit Liebe dem buchhändlerischen Gemeinwesen gewidmet, so war er u. a. 1860-1863 Schatzmeister des Börsenvereins.

Am 3. Mai 1874 starb C. Fr. Fleischer, die Geschäfte seinen unmündigen Kindern hinterlassend, welche dem Buchhandel gegenüber durch die Prokuristen Friedrich Wolff bis 1879 und Karl Lenz bis 1880 vertreten wurden. 1880 nahmen die Geschwister Fleischer einen Zögling ihres Vaters, Gottfried Otto Nauhardt, (geb. 12. 10. 1853) welcher dem Hause seit 1869 angehört hatte, als Gesellschafter auf. Dieser führte bis zum 5. September 1882, wo der älteste Sohn Carl Friedrich Fleischers, Wolfgang Friedrich Fleischer, in die Zeichnung der Firmen eintrat, die Geschäfte allein. Unter ihrer gemeinschaftlichen Führung erweiterte sich insbesondere das Kommissionsgeschäft, welches, zum Teil durch Ankauf der Kommissionsbuchhandlungen Ed. Wartig, G. A. Schmidt, Carl Rühle, Herm. Hucke, Eduard Strauch, Herrmann Vogel, Immanuel Müller vergrößert wurde und heute eine Reihe von ca. 650 in- und ausländischen Firmen zu seinen Kommittenten zählt.

Seit 1894 ist Kommerzienrat G. O. Nauhardt Alleinbesitzer der Firmen Carl Fr. Fleischer und Friedrich Fleischer.

Wolfgang Friedrich Fleischer, der 1894 den Verlag und das Sortiment übernommen hatte, begründete 1895 unter der Firma Friedrich Fleischer ein Sortimentsgeschäft in Ilmenau, welches 1899 an Johannes Schneider überging. Das Leipziger Sortiment übernahm 1897 Alfred Stöphasius, der es 1902 an Maximilian Trinkler abtrat.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1888; Deutscher Nekrolog 1832; Frommann, Geschichte des Börsenvereins, Leipzig 1875; Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels 8. Band (F. H. Meyer).

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 251-255.
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