[382] Hartung, Familie. Kurfürst Georg Wilhelm verlieh am 5. 10. 1640 dem Buchdrucker Johann Reußner (geb. 18. 6. 1598 in Rostock, gest. 30. 4. 1666) und seinen Erben das Privilegium, allein im Herzogtum Preußen eine Druckerei zu halten. Er druckte alle Schulbücher und protestantische Schriften, von der Universität war er als akademischer Buchdrucker bestellt worden. Auch verkaufte er Bücher in offenem Laden; zur Neujahrszeit hatte er am Schlosse eine Bude, in welcher er seine Bücher feilbot, ebenso besuchte er die Jahrmärkte kleinerer Städte. Bis in das Jahr 1640 läßt sich auch das Alter der Königsberger Zeitung zurückverfolgen, 1661 führte[382] sie den Titel Europaeischer Mercurius, später Ordinari Postzeitung; Kgl. Preuß. Fama; Neue Merkwürdigkeiten von politischen und gelehrten Sachen, endlich Königsbergsche Zeitung.
Die Offizin übernahm 1663 sein Sohn Friedrich Reußner. Dieser, am 11. 6. 1642 in Königsberg geboren, hatte eine gute Schulbildung genossen und die schwarze Kunst in Danzig erlernt. Sein Kontrakt mit der Königsberger Hochschule legte ihm auf, die öffentlichen Programme und gewöhnlichen Disputationen der Professoren halbjährlich für jeden Professor 2 Bogen umsonst zu drucken. Ebenso mußte er bei Todesfällen derselben sowie ihrer Angehörigen eine Intimation oder Gedicht von 1 Bogen umsonst liefern, jedoch wurde ihm das Papier geliefert. Nach seinem Tode (1678) übernahm die Witwe Catharina Reußner die Hof- und akademische Druckerei, die 1718 sieben Gesellen beschäftigte.
1726 wurde ihrem Enkel, dem Kriegs- und Domänen-Sekretär Johann Friedrich Reußner (gest. 22. 12. 1742), der die Druckkunst in Frankfurt a. M. erlernt hatte, das Druck-Privilegium erneuert. Sein Zeitungs-Privilegium wurde mehrfach angefochten, und er hatte langwierige Prozesse deswegen durchzumachen.
Die Witwe Reußners heiratete den Kriegs- und Stadtrat, Professor Dr. Johann Ludwig l'Estocq, auf den dann 1746 das alte Reußnersche Privilegium überging. Es wurden ihm aber nicht nur alle alten Privilegien bestätigt, sondern auch ein Verzeichnis der Bücher, welche in allen Schulen Preußens gebraucht werden sollten, angefertigt, vom König bestätigt und l'Estocq der alleinige Druck derselben zugesprochen. Doch war die Offizin in äußerst schlechter Verfassung, sie besaß nicht soviel Lettern als zu einem halben Bogen griechischen Druckes erforderlich sind u.s.w. Interessant sind die damaligen Druckerpreise, es kostete der Druckbogen bei tausend Abzügen auf gutem Papier 11 fl. Hiervon kamen auf das Papier 3 fl. 15 gr., auf den Satz 3 fl. und auf den Nachdruck von 900 Bogen 4 fl. 15 gr.
1750 verkaufte l'Estocq die Offizin mit Ausschluß der Papiervorräte an Friedrich Emil Cabrit für den Preis von 10000 Thalern, welche Summe nicht durch bares Geld, sondern durch mehrere Grundstücke gedeckt wurde.
Indes ging bereits im nächsten Jahre die Druckerei für den Kaufpreis von 16333 Thl. 10 Sgr. an Johann Heinrich Hartung über.
Dieser war am 17. 8. 1699 zu Erfurt als Sohn eines Instrumentenmachers geboren. Er erlernte die Buchdruckerkunst[383] in seiner Vaterstadt bei D. Limprecht, arbeitete dann in Leipzig, in Obersachsen, in Hamburg und begann seine Kondition 1727 in der 1714 gegründeten Stelterschen Offizin in Königsberg i. Pr.
Er trat zu Stelter bald in ein näheres Verhältnis, indem er dessen Tochter Christina heiratete und von seinem Schwiegervater unterstützt die Anlage einer Druckerei begann. Da er aber trotz mehrfacher Versuche ein Privilegium nicht erhalten konnte, trat er 1732 seine neueingerichtete Offizin an seinen Schwiegervater ab, wogegen dieser ihn zu seinem Faktor annahm und seinen Erben die Verpflichtung auferlegte, nach seinem und seiner Frau Tode die Druckerei für einen angemessenen Kaufpreis nur an Hartung zu überlassen.
Als Stelter 1734 starb, übernahm Hartung das Geschäft von den Erben gegen einen Kaufschilling von 3266 fl. 20 gl. 151/2 pf. Er schaffte neue Typen an, vervollständigte die Druckerei überhaupt aufs Beste.
Die Stände von Livland und Kurland übertrugen ihm den Druck der lettischen Bibel und kurischen Postille. Die Bücher für das Collegium Fridericianum wurden von ihm allein gedruckt; daneben bewilligte ihm der König 1735 ein Privilegium auf den ausschließlichen Druck und Verlag der polnischen Bibel, neuem Testament und Gesangbuch, ebenso dem Rogallschen Gesangbuche, von dem in 18 Jahren 80000 Exemplare abgesetzt wurden.
1746 kaufte Hartung den Buchladen von C. G. Eckart. Christoph Gottfried Eckart, Buchhändler zu Königsberg in Pr. von 1722-1750, aus Grimma gebürtig und um 1720 Geschäftsführer der Johann Großeschen Buchhandlung in Leipzig, war dann in der Firma Hallervord thätig und eröffnete mit königl. Privilegium vom 20. Juli 1722 einen Buchladen an der Schmiedebrücke in Königsberg. Er hat sich mit Erfolg dem wissenschaftlichen Arbeitsfeld zugewandt und nach und nach (der Wert seines Lagers betrug nach eigenen Angaben 32000 fl.) den ganzen Verkehr mit der Gelehrtenwelt der Universitätsstadt an sich gezogen. Die Folge davon war, daß auch sein Verlag eine Reihe tüchtiger wissenschaftlicher Werke es werden von Schwetschke in seinem Codex nundinarius von 1723-46 87 Verlagsartikel gezählt herausgebracht hat, meist theologische, juristische und philosophische Arbeiten, darunter 1730 eine Neuauflage des Preuß. Landrechts. Eckart starb 17. 2. 1750.[384]
Hartung befaßte sich nunmehr auch mit Sortimentsbuchhandel; sein im Jahre 1750 herausgegebener Katalog zählte 400 Seiten. Er starb in Leipzig während der Messe am 5. Mai 1756; die Offizin übernahm der älteste Sohn Michael Christian Hartung (geb. 1738, gest. 1759) und nach kurzer Führung durch dessen Mutter am 26. Juli 1763 Gottlieb Lebrecht Hartung.
Dieser war am 12. 8. 1747 geboren und hatte die Druckerkunst in des Vaters Offizin erlernt. Als Friedrich der Große bei der ersten Teilung Polens Westpreußen erhielt, mußte Hartung Pressen und Lettern nach Marienwerder schicken, um die für die Kriegs- und Domänenkammer nötigen Drucksachen anzufertigen; das Privilegium der neu errichtenden Hofbuchdruckerei dortselbst wurde aber nicht ihm, sondern Kanter, dessen Buchhandlung er übrigens 1787 erwarb (vergl. Artikel ⇒ Kanter), verliehen. Er starb am 29. 11. 1797; ihm folgte sein Sohn George Friedrich Hartung, Stadtrat und Ehrenbürger der Stadt Königsberg, in der Geschäftsleitung. Er war am 18. Dezember 1782 in Königsberg i. Pr. geboren, erlernte die Buchdruckerkunst bei seinem Vater, studierte auf der dortigen Universität und übernahm 1817 die Leitung der väterlichen Offizin.
Großes Ungemach hatte Hartung während der Franzosenherrschaft zu erleiden. Die Hartungsche Zeitung wurde damals in ganz Deutschland mit dem größten Interesse gelesen; Hartung mußte täglich in eigener Person die fulminantesten Artikel gegen den frechen Korsen von dem auf speziellen Befehl des Königs ernannten Censor-General von Rüchel holen und abdrucken. Dies konnten ihm die Franzosen nicht vergessen und hätten ihm gern das Palmsche Schicksal bereitet. Sein älterer Bruder hatte sich beim Einzug der Franzosen gestellt und wurde nach der Festung Friedrichsburg gebracht; erst später wurde er auf die dringenden Vorstellungen des Regierungspräsidenten[385] als unschuldig entlassen, dafür aber G. F. Hartung, der, dem es ja auch von Anfang an gelten sollte, in der drückendsten Weise belästigt. Erst mit dem Abzug der französischen Machthaber hörte diese Bedrückung auf. G. F. Hartung starb am 4. April 1849.
Bereits 1799 war die buchhändlerische Abteilung der Firma (also auch die früheren Firmen Eckart und Kanter) an Johann Philipp Goebbels und August Wilhelm Unzer verkauft und unter der neuen Firma Goebbels & Unzer fortgeführt worden. Später trat Heinrich Eduard Gräfe in das Geschäft ein, das von nun ab Gräfe & Unzer firmierte. Es wurde eine Filiale in Tilsit eröffnet, die aber 1857 in andere Hände überging. H. W. Gräfe verkaufte 1878 das Königsberger Sortiment an Richard Dreher und B otho Stürtz. 1893 ging es an Hugo Pollakowski und Franz Lipp über und wird gegenwärtig von ersterem allein betrieben. Der Adler, der über dem Geschäftslokal prangt, rührt noch aus der Zeit des großen Philosophen Kant her.
Seit 1872 ist die Firma Hartung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und firmiert Hartungsche Verlagsdruckerei. In ihrem Verlage erscheinen u. a. die Königsberger Hartungsche Zeitung, Königsberger Tageblatt, Evangel. Gesangbuch für Ost- und Westpreußen, Königsberger Adreßbuch u.s.w.
Quellen: Steckelburg, Geschichte der Buchdruckereien in Königsberg, 1840; Neue Preuß. Provinzialblätter VII. Bd. Heft 5, 1849; Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels XVIII. Bd. (mit mehrfachen Litteraturnachweisen).
Brockhaus-1809: Die Familie der Polignac's
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