Bogen

[179] Bogen. (Baukunst)

Ein Stük einer Mauer, das rund über eine Oefnung weg geführt ist. Anfänglich wurden alle Oefnungen an Gebäuden, Thüren und Fenstern, von oben mit Holz oder mit grossen Stüken Stein, auch wol gar mit metallenen Balken zugedekt; bis man auf die schöne Erfindung gekommen ist, Bogen von kleinen Steinen darüber zu führen. Man findet wenig Beyspiele, daß die Alten kleinere Oefnungen, dergleichen Thüren und Fenster sind, mit Bogen überwölbet haben. Die vierekigte Form der Oefnungen ist ohne Zweifel von besserm Geschmak, und soll also überall vorgezogen werden, wo nicht die [179] Nothwendigkeit einen Bogen erfodert. Es läßt sich kaum sagen, woher bey den Neuern der Geschmak an runden Thüren und Fenstern gekommen ist, besonders da man gegenwärtig die Steine so zu hauen weiß, daß auch ziemlich weite Oefnungen gerade zugemauret werden können, ohne daß von dem Druk der aufliegenden Mauer irgend eine Gefahr zu besorgen wäre.

Am unschiklichsten ist der so gewöhnliche Fehler der meisten Baumeister, daß sie so gar runde und vierekigte Fenster unter einander mischen, und einem Gebäude mehr Ansehen zu geben glauben, wenn sie etwa die Mitte einer Aussenseite durch runde Fenster von den Seiten unterscheiden. Einem an die edle Einfalt der Alten gewöhnten Auge ist es schon anstößig, mitten in einem Gebäude, zwischen vierekigten Fenstern, eine gewölbte Thür zu sehen. Der wahre Geschmak scheint schlechterdings alle Bogen über Thüren und Fenstern zu verwerfen, und sie nur aus Noth da zu dulden, wo sie unentbehrlich sind, wie bey Bogenstellungen, wovon in dem nächsten Artikel gehandelt wird.

Ganz unerträglich ist es, Bogen auf Säulen gestellt zu sehen, da man sich der Vorstellung, daß die Säulen durch den Druk des Bogens von einander getrieben werden, nicht erwehren kann. Es ist kaum begreiflich, wie gute Baumeister in einen so gar ungereimten Fehler haben verfallen können, den man oft an den prächtigsten Gebäuden, wie z. E. an dem Königl. Schloß in Berlin, mit Verdruß wahrnimmt.

Die Form der Bogen, und die Art, die Steine dazu zu hauen, die Stärke der Bogen, die Widerlage dazu, und andre zu dem blos mechanischen gehörige Punkte, werden hier übergangen.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 179-180.
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