Methapher; Metaphorisch

[760] Methapher; Metaphorisch. (Redende Künste)

Die Bezeichnung eines Begriffs durch einen Ausdruk, der die Beschaffenheit eines uns vorgehaltenen Gegenstandes durch etwas ihr ähnliches, das in einem andern Gegenstand vorhanden ist, erkennen läßt. Sie ist von der Allegorie darin unterschieden, daß diese das Bild, aus dessen Aehnlichkeit mit einem andern wir dieses andre erkennen sollen, uns allein vorhält, da bey der Metapher beyder zugleich erwähnet wird. Wenn man sagt, der Verstand sey das Aug der Seele, so spricht man in einer Metapher, weil man die Beschaffenheit der Sache, die schon genennt worden, nämlich des Verstandes durch die Aehnlichkeit, die er mit dem Auge hat, zu erkennen giebt: sagte man aber von einem Menschen: sein scharfes Aug wird ihm die Beschaffenheit der Sache nicht verkennen lassen; so ist dieser Ausdruk, genau zu reden, allegorisch; weil der Gegenstand, der hier den Namen des Auges bekommt, nicht genennet worden ist. Man nihmt es aber nicht immer so genau, und giebt fast allen kurzen Allegorien den Namen der Metaphern.1 Von der Vergleichung unterscheidet sich die Metapher dadurch, daß die Form, oder Wendung des ganzen Ausdruks der Metapher die Vergleichung nicht ausdrüklich anzeiget. Wenn man sagte, der Verstand ist gleichsam das Aug der Seele; so wäre dieses eine kurze Vergleichung. Also sind Allegorie, Vergleichung und Methapher nur in der Form verschieden; alle gründen sich auf Aehnlichkeit, und die Gründe worauf ihre Richtigkeit, ihre Kraft und ihr ganzer Werth beruhet, sind dieselben.

Es ist höchst wahrscheinlich, daß alle Stammwörter jeder Sprache unmittelbar blos solche Gegenstände bezeichnen, die einen Ton von sich geben,2 und daß die Bedeutung derselben durch Aehnlichkeit auf andere Dinge angewendet worden. Diesemnach wär der größte Theil der Wörter jeder Sprach methaphorisch, oder vielmehr allegorisch.

Wir haben hier die Metapher blos in Absicht auf ihren ästhetischen Werth zu betrachten, und können die allgemeine Betrachtung derselben den Sprachlehrern überlassen. Die meisten Metaphern, die im Grunde wahre Allegorien sind, hat die Nothwendigkeit, als eigentliche Namen der Dinge veranlaßet, und durch die Länge der Zeit hat man vergessen, daß sie Metaphern sind; weil sie von undenklichen Zeiten, als eigentliche Wörter gebraucht werden. Die Wörter Verstehen, Einsehen, Fassen, Behalten, die gewisse Würkungen der Vorstellungskraft bezeichnen, sind metaphorisch; aber Niemand denkt bey ihrem Gebrauch daran. Die Betrachtung dieser Metaphern gehört für den Sprachlehrer und für den Philosophen, der die wunderbaren Verbindungen unsrer Begriffe beobachten will.3

In der Theorie der schönen Künste kommen nur die Metaphern in Betrachtung, die ästhetische Kraft haben, und Sachen, die man ohne sie hätte bezeichnen können, mit Kraft bezeichnen, die folglich nicht mehr als willkührliche Zeichen, sondern, als Bilder erscheinen, an denen man die Beschaffenheit der Sachen lebhaft und anschauend erkennet. Von ihrer Würkung ist bereits anderswo gesprochen worden4 Hier bleibet nur über diesen Punkt noch anzumerken, daß die Metapher, wegen ihrer Kürze, da sie meistentheils mit einem einzigen Wort ausgedrükt wird, von schnellerer Würkung ist, als andre Bilder. Man findet, daß sie der Rede eine ungemeine Lebhaftigkeit giebt, und aus einer bey ihrer Richtigkeit trokenen Zeichnung ein Gemählde macht. Schon dadurch allein kann ein sonst blos philosophischer Vortrag ästhetisch werden; weil er bey einer genauen Entwiklung der Gedanken die Einbildungskraft und überhaupt alle untern Vorstellungskräfte in beständiger Beschäftigung unterhält, und die Rede aus einem einförmigen, blos fruchtbaren Kornfeld, in eine nicht weniger fruchtbare, aber durch tausend abwechselnde Blumen reizende Flur verwandelt. [761] Es gehört aber mehr, als blos lebhafte Einbildungskraft zu der vollkommenen metaphorischen Schreibart. Es kann nüzlich seyn, wenn wir hier über die bey dem Gebrauch der Methapher nöthige Behutsamkeit und Ueberlegung einige Hauptanmerkungen machen. Aristoteles hat angemerkt, daß die Metapher auf eine vierfache Weise fehlerhaft wird. 1. Wenn sie nicht richtig, das ist, wenn keine würkliche Aehnlichkeit zwischen dem Bild und dem Gegenbild ist. 2. Wenn sie (bey ernsthaftem Gebrauch) etwas comisches hat, das ist, wenn das Bild und das Gegenbild einen lächerlichen Contrast ausmachen. 3. Wenn sie zu hoch, oder schwülstig ist. 4. Wenn sie dunkel und zu weit hergeholt ist. Man könnte noch 5 hinzuthun, wenn sie abgenuzt, oder so sehr gewöhnlich ist, daß man ohne das Bild sich das Gegenbild dabey unmittelbar vorstellt. Dieses bezieht sich auf ihre Beschaffenheit. Ihr Gebrauch ist fehlerhaft. 1. Wenn man sie bey zu gemeinen Begriffen und Gedanken anwendet. 2. Wenn sie zu sehr angehäuft werden.

Man trift fast in allen Sprachen durchgehends angenommene Metaphern an, die einen oder mehrere der erwähnten fünf Fehler an sich haben. Denn da sie oft aus Noth entstanden, oder von seltenen Umständen, ihren Ursprung bekommen haben, so konnten sie freylich nicht immer überlegt, nicht immer nach der strengsten Aehnlichkeit der Vorstellungen abgepaßt seyn. Vor dergleichen Metaphern, wenn sie gleich in der gemeinen Rede vollgültig sind, hütet man sich in Werken des Geschmaks. Und hier ist auch der Ort anzumerken, daß nicht alle auf fremden Boden erwachsene Metaphern in jeden andern können verpflanzt werden, wenn sie gleich noch so richtig und schön wären. In warmen Ländern, wo Frost, Schnee und Eis völlig unbekannte Dinge sind, könnte keine aus den Sprachen kalter Länder von ihnen hergenommene Metapher gebraucht werden, und auch umgekehrt; und in einem Lande, wo die Gebräuche der römischen Hierarchie völlig unbekannt sind, würde Niemand die artige Metapher eines alten deutschen Dichters verstehen.


Ein krummer Stab, der ist gewachsen

Zum langen Speer.5


Dieses bedarf keiner Ausführung. So kann auch eine kühne Metapher in der Sprach eines kaltblütigen Volkes sehr schwülstig seyn, die unter Völkern von mehr erhizter Einbildungskraft nichts ausserordentliches hat. Hierüber verdienet folgende Anmerkung eines scharfsinnigen Kopfes erwogen zu werden. »Der Grund, sagt er, der kühnen Wortmetaphern lag in der ersten Erfindung: aber wie? wenn späth nachher, wenn schon alles Bedürfnis weggefallen ist, aus bloßer Nachahmungssucht, oder Liebe zum Alterthum, dergleichen Wort- und Bildergattungen bleiben? Und gar noch ausgedähnt und erhöhet werden? Denn, o denn, wird der erhabene Unsinn, das aufgedunsene Wortspiel daraus, was es im Anfang eigentlich nicht war. Dort wars kühner, männlicher Wiz, der denn vielleicht am wenigsten spielen wollte, wenn er am meisten zu spielen schien; es war rohe Erhabenheit der Phantasie, die solch Gefühl in solche Worte herausarbeitete; aber nun im Gebrauche schaler Nachahmer, ohne solches Gefühl, ohne solche Gelegenheit – ach! Ampullen von Worten ohne Geist.«6

Zu Erfindung vollkommener Metaphern gehört nicht blos lebhafter Wiz; eine gesunde Beurtheilung muß ihm zu Hülfe kommen. Sind beyde durch einen fleißigen Beobachtungsgeist und weitläuftige Kenntnis der körperlichen und sittlichen Natur unterstüzt, so muß ein großer Reichthum der Metaphern daher entstehen. Darum ist nicht leicht etwas, woraus man das Genie eines Schriftstellers besser erkennen kann, als aus den Gebrauch der ihm eigenen Metaphern. Es gilt auch hier, was schon an einem andern Orte dieses Werks angemerkt worden, daß in unsern Zeiten bey der in Vergleichung der Alten so weiten Ausdähnung der Kenntnis natürlicher Dinge, und bey so sehr vervielfältigten mechanischen Künsten, die Quelle der Metaphern weit reicher ist, als sie ehemals war. Es zeigte würklich Armuth des Genies an, wenn die Neuern in diesem Stük die Alten nicht überträfen.

Es ist wol unnöthig sich hier in besondere Betrachtungen über die Vermeidung der oben angezeigten Fehler, die in der Metapher selbst, und in ihrem Gebrauch können begangen werden, einzulassen, da ein mittelmäßiges Nachdenken sie an die Hand giebt.

Aber dieses verdienet angemerkt zu werden, daß die Metapher um ganz vollkommen zu seyn, auch in dem Ton der Materie, wo sie gebraucht wird, müsse gestimmt seyn. Im Schäfergedicht muß sie von lieblichen, ländlichen Dingen hergenommen werden, da sie bey strengerm Inhalt auch von sehr ernsthaften, [762] allenfalls finstern Gegenständen kann genommen werden. Wer dieses versäumete, würde gar zu oft aus dem Ton heraustreten, welches in Werken des Geschmaks ein sehr wichtiger Fehler ist.7

Auch dem Grade der Begeisterung in dem man schreibet, muß die Metapher angemessen seyn; hoch und kühn in der Ode, aber gemäßiget und von philosophischer Schärfe in dem gesezten lehrenden Vortrag.

Wir haben es unter die Fehler der Metapher gerechnet, wenn sie gar zu gemein, oder schon abgenuzt ist. Da man aber unter solchen Metaphern einige von großer Kraft und Schönheit antrift; so ist ihr Gebrauch nicht zu verwerfen, wenn man nur dem gar zu Gewöhnlichen darin durch irgend eine gute Wendung einen neuen Schwung giebt, oder die Metapher weiter, als gewöhnlich ausdähnet, und eine kurze Allegorie daraus macht. So hat Euripides eine gar sehr gemeine Metapher beynahe bis zum Erhabenen erhöhet, da er den Orestes, um seinen Pylades von dem Opfermesser zu retten, sagen läßt: »Ich bin der Eigenthümer und Schiffer dieses Fahrzeuges von Wiederwärtigkeiten; er fährt nur aus Gefälligkeit für mich mit8

Dieses Beyspiel führt mich auf den Gedanken, daß in manchen Fällen die Ueberzeugung am kürzesten und sichersten durch glükliche Metaphern zu erreichen sey. Der Fall muß statt haben, wo die Ueberzeugung von anschauender Erkenntnis, oder von Betrachtung ähnlicher Fälle abhängt, wo es zu schweer, oder zu subtil wäre den Beweis zu entwikeln. Die Metapher vertritt da die Stelle der Induktion, und sezt einen sehr in die Augen leuchtenden, an die Stelle eines schweerer zu fassenden, aber ähnlichen Falles.

1Die Sprachlehrer sagen insgemein, die Allegorie sey eine ausgedähnte, oder fortgesezte Metapher: richtiger und dem Ursprung dieser Dinge gemäßer würde man sagen, die Metapher sey eine kurze und im Vorbeygang angebrachte Allegorie. Denn diese ist eher, als die Metapher gewesen.
2Man sehe den Art lebendiger Ausdruk.
3Wer das Genie des Menschen recht aus dem Grunde studiren will, findet die beste Gelegenheit dazu in der Erforschung des Ursprungs der metaphorischen Ausdrüke. Wer hievon nähere Anzeige verlangt, kann nachlesen, was ich in der academischen Abhandlung von dem wechselseitigen Ursprung der Vernunft und der Sprache hierüber angemerkt habe.
4S. Bild, Allegorie.
5Maner ein alter Dichter, aus des Handii Glossar. Bey Leibnizen in seinem Erymol.
6Herder über den Ursprung der Sprache. S. 115.
7S. Ton.
8Iphig. in Taur. vs. 600, 601.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 760-763.
Lizenz:
Faksimiles:
760 | 761 | 762 | 763
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Clementine

Clementine

In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.

82 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon