Schaumünz

[1017] Schaumünz.

Wir begreifen unter diesem Namen nicht nur die, nach Art der gangbaren Geldsorten, zum Andenken besonderer Personen, oder Begebenheiten geprägten Schaustüke, sondern auch die gangbaren Geldsorten alter und neuer Zeit selbst, in so fern ihr Gepräge die Aufmerksamkeit der Künstler verdienet. Sie sind, wie mehrere Gattungen, nur zufälliger Weise Gegenstände des Geschmaks und der schönen Kunst worden.

Man kann gar leicht begreifen, wie die Nothdurft die Gewohnheit eingeführt habe, kleinen Stüken Metall Zeichen einzuprägen, wodurch sie ein authentisches Zeugnis ihres Werths, oder der Lauterkeit des unverfälschten Metalles, bekommen. Und es gereicht dem menschlichen Verstand zur Ehre, daß er so vielfältige Mittel ausgedacht hat, Sachen, die bloße Nothdurft erzeuget hat, auch noch in höhern Absichten nüzlich zu machen. Dieses ist auch dem Genie der Natur gemäß, die sich nirgend begnüget das blos nothwendige in ihren Werken anzubringen, sondern sie zugleich auch schön und zu Nebenabsichten brauchbar macht, ob sie gleich dabey die Regeln einer klugen Wirthschaftlichkeit nicht aus den Augen sezt. Da man also geprägte Metalle brauchte, war es ein verständiger und glüklicher Einfall, sie zugleich zu Gegenständen des Geschmaks zu machen, so wie man es mit den Gebäuden gemacht hat. Vielleicht hat man diesen guten Einfall den Griechen zuzuschreiben; wenigstens wüßte ich nicht, daß man vor ihnen Münzen geprägt hätte, an denen man eine unzweifelhafte Absicht entdeken könnte, daß sie auch Gegenstände des Geschmaks hätten seyn sollen.

Die Schaumünzen haben in mehrern Absichten einen Vorzug über alle andere Gattungen der Kunstwerke. Ihre allgemeine, schnelle und leichte Ausbreitung; ihre Dauer, die der sonst alles zerstöhrenden Zeit troz zu biethen scheinet; die leichte Art sie in sehr großer Zahl zu vermehren, sind Vortheile, die ihnen eigen sind. Zwar sind sie in Ansehung der Bearbeitung und Ausführung des Stoffes, den die zeichnenden Künste wählen, enger eingeschränkt, als die Mahlerey, die Kupferstecherkunst, die Bildhauerey und die Baukunst. Aber jene Vorzüge ersezen das, was ihnen von dieser Seite abgeht. Doch ist auch ihr Stoff nicht unbeträchtlich.

Die Griechen kannten keine kräftigere Aufmunterung zu öffentlicher Tugend und keine größere Belohnung des Verdienstes, als die Statüen. Ich getraue mir zu sagen, daß die Schaumünzen hiezu noch weit schiklicher wären. Man stelle sich vor, was für eine Ehre es wäre, wenn das Bildniß einer Privatperson, sehr seltener und wichtiger Verdienste halber, auf gangbaren und von dem Landesherren geprägten Münzen erschiene? Ich glaube nicht, daß der ruhmgierigste Mensch eine größere Ehre sich wünschen könnte.

Außer dem Vortheil die Tugend zu belohnen, haben die Schaumünzen noch vielerley Nuzen. Sie sind die sichersten Mittel die merkwürdigsten Begebenheiten, die in der Geschicht eines Volkes Epochen ausmachen, auf die spätheste Nachwelt zu bringen. Zwar nicht mit allen Umständen, wie die Beredsamkeit es thun könnte, aber doch mit dem Wesentlichsten, dadurch sie sich auszeichnen. Sie können auch, ohne Rüksicht auf die Nachwelt, nüzlich gebraucht werden, die Einwohner eines Landes auf gewisse Erfindungen, Stiftungen und neue Anordnungen aufmerksam zu machen, und für dieselben einzunehmen. Endlich dienen sie auch die Nachwelt [1017] von der gegenwärtigen Beschaffenheit gewisser Dinge, die vergänglich sind, zu unterrichten, merkwürdige Gebäude, Maschinen, Instrumente und andre Erfindungen nach ihrer wahren Form, zum Unterricht für die späthesten Zeiten aufzubehalten. Also könnte eine Nation die Schaumünzen sehr vortheilhaft brauchen der Nachwelt einen guten Begriff von ihrem Verstand, Geschmak und Tugend beyzubringen.

Wollte man alle diese Vortheile, deren Wichtigkeit in die Augen fällt, auf das sicherste erhalten, so müßte man erstlich das, was die Erfindung, den Geschmak und die Kunst dieses Zweyges betrift, zu einer gewissen Vollkommenheit bringen, und dann auch auf vernünftige Polizeygeseze zur besten Anwendung desselben denken. Da dieser zweyte Punkt ausser den Gränzen der allgemeinen Theorie der Kunst liegt; so wollen wir nur von dem ersten sprechen.

Es hat sich, so viel ich weiß, bis izt noch niemand in eine wahre und auf richtige Grundsäze beruhende Critik der Schaumünzen eingelassen, ob gleich die Sache dieser Mühe wol werth ist. Wir wollen versuchen einen Anfang dazu zu machen und die weitere Ausführung der Sach andern überlassen.

Von den verschiedenen Absichten die man bey Schaumünzen hat, ist bereits gesprochen worden; und man muß sie vor Augen haben, um die Beschaffenheit dieser kleinen Kunstwerke richtig anzugeben.

Das erste was unmittelbar aus den erwähnten Absichten fließt, ist dieses, daß gangbare Münzsorten sich besser zu jedem Zwek der Schaumünzen schiken, als solche, die ohne bekannten und gangbaren Werth zu bekommen, nur in geringer Anzahl für Liebhaber, oder für einen sehr eingeschränkten Gebrauch gepräget werden. Diese verfehlen ihren Zwek größtentheils; weil sie nicht allgemein unter das Volk ausgebreitet werden; weil sie vor ihrem Untergang nicht genug gesichert sind, den nur ihre große Menge und allgemeine Ausbreitung verhindert, und endlich; weil viele aus Mangel des öffentlichen Charakters, oder der gesezlichen Weyhung, nicht Aufsehens genug machen.

In diesem Stük verdienen die Alten nachgeahmt zu werden, die nur selten andre Schaumünzen machten, als die zugleich gangbare Geldsorten seyn sollten.

In Ansehung des Inhalts oder der Erfindung kann man die Schaumünzen in zwey Classen eintheilen, und sie durch die Benennung der historischen und der ästhetischen (es fällt mir kein schiklicherer Name bey) unterscheiden. Historische nenn' ich die, welche die Sache schlechtweg ankündigen, und es denen, für die sie gemacht sind, überlassen, was sie davon denken, und dabey empfinden sollen: den Namen der Aesthetischen aber würde ich denen geben, wo die Sache selbst schon in einem Licht vorgestellt wird, in welchem sie natürlicher Weise einen besondern vortheilhaften Eindruk machen sollte.

Historisch sind durchgehends alle griechische und römische Schaumünzen, ob sie gleich vielfältig mit allegorischen Bildern besezt sind; denn diese Bilder dienen blos zur historischen Bildersprach, und drüken das, was die blos nachrichtliche Umschrift sagt, durch andre Zeichen aus, oder vertreten die Stelle dieser Umschrift. Die ästhetischen Schaumünzen sind eine Erfindung der Neuern. Sie stellen die Sache nicht blos zur Nachricht vor, sondern geben ihr eine Wendung, die den, der die Schaumünze sieht, auf eine nachdrükliche Weise rühren soll; dieses erhalten sie durch würklich allegorische Abbildung der Sache. Zum Beyspiehl will ich das Schaustük meines berühmten Landsmanns Hedlinger anführen, wodurch er der Republik Bern seine Hochachtung bezeuget hat, wobey er doch noch etwas von der Art der Alten beybehalten.

Auf der Vorderseite siehet man das allegorische Bild der Republik; eine Pallas, die sich an Berns Wapenschild lehnet, in der rechten Hand einen Palmen-und einen Oelzweyg, in der linken aber den Speer hält, auf welchem eine Müze, das alte Zeichen der Freyheit, gesezt ist, nebst der Aufschrift Res publica Bernensis. So weit ist das Stük historisch, und im Geschmak der Alten; weil in so fern blos der Staat, dem zu Ehren das Stük gepräget worden, sowol durch die Schrift, als durch ein bezeichnendes Bild, genennt wird. Aber dieses Bild ist nur die Hauptfigur einer reich zusammengesezten Gruppe, die im Grunde nichts anders, als eine allegorische Lobrede auf die Republik ist. Ein aus alten, izt in Abgang gekommenen Waffen bestehendes, und mit einem Lorbeerzweyg umwundenes Siegeszeichen, deutet auf die Siege älterer Zeit, und neue Kriegeszeichen, allegorische Abbildungen der Wissenschaften, der Künste, der Gerechtigkeit, der Gelindigkeit, des Reichthums, der Freygebigkeit, [1018] schildern den gegenwärtigen Charakter der Republik. Dieses gehöret zum Aesthetischen.

Auf der hintern Seite liegen auf einem steinernen mit einem Teppich bedekten Würfel ein Lorbeer- und ein Olivenkranz und die Ueberschrift ist: Virtuti et prudentiae. Dieses kann auch noch als historisch angesehen werden; weil dadurch schlechthin ausgedrukt wird, daß der Künstler dieses Werk aus Hochachtung für die Tugend und Weißheit dieser Republik verfertiget habe.

Die wesentliche Vollkommenheit der historischen Schaumünze besteht darin, daß sie die Sache, die sie blos zur Nachricht ausbreiten will, bestimmt, deutlich, und kurz ausdrüke, so wie es etwa eine historische Inschrift thun würde. Man könnte den Zwek in der That mit bloßer Schrift auf der Schaumünz erreichen, und in viel Fällen wären keine Bilder nothwendig. Allein wolgezeichnete und gut gearbeitete Bilder, wenn sie auch nichts zur Nachricht beytragen, welches der Fall der Hinterseiten auf den meisten antiken Münzen ist, machen die Schaumünze schäzbarer; veranlassen, daß man sie gern und oft betrachtet, und daß dadurch der Zwek desto sicherer erhalten wird.

Die Bilder, die man auf historische Münzen sezet, sind Portraite der Personen, die man durch solche Denkmale ehret; bildliche Vorstellungen der That oder Begebenheit, wodurch das Denkmal veranlasset worden ist, oder der Personen, des Staats, der Stadt, welche das Denkmal gestiftet hat; bisweilen wahre Abbildungen von Werken, oder Erfindungen, die man für wichtig genug hält, zu vieler Menschen Kenntniß, oder auf die Nachwelt zu kommen, dergleichen verschiedene merkwürdige Gebäude sind, die man auf alten Münzen antrifft. Hierüber haben wir außer dem, was vorher über ihre Deutlichkeit, Kürze und Richtigkeit angemerkt worden nichts zu sagen; weil sie ihre übrige Beschaffenheit, was die Schönheit und den Geschmak betrifft, mit den andern Werken zeichnender Künste gemein haben. Nur scheinet es, daß Würde und edle Einfalt wesentlicher zu solchen Werken, als zu irgend einer andern Gattung, erfodert werden; weil es merst öffentliche Werke sind, die ein ganzes Volk veranstaltet hat, und die für ein ganzes Volk, auch wol gar für die Nachwelt besonders, bestimmt sind. Hiezu findet man die besten Muster in den Sammlungen griechischer und römischer Münzen. Die neuern Werke dieser Art fallen gar oft ins Schwülstige, ins Uebertriebene, ins Schweere, oder gar ins Niedrige.

Mehr Nachdenken und Erfindung fodern die ästhetischen Schaumünzen, und es wäre der Bemühung eines Mannes von Geschmak nicht unwürdig die Theorie dieses besonderen Nebenzweyges der schönen Künste zu bearbeiten. Man trifft kaum in irgend einem andern Theil mehr Mißbrauch, schlechten Geschmak und so vollen Unsinn an, als hier. Unter der ungeheuren Menge neuerer Schaumünzen sind die, denen ein Mann von Geschmak Beyfall geben könnte, höchst selten. Die Hauptsache kommt auf zwey Punkte an. 1. Daß man einen wichtigen der Sach angemessenen Gedanken erfinde, der, auch in so fern er durch Worte ausgedrukt würde, der Sach anständig, auch vollkommen kräftig, oder ästhetisch sey. 2. Das eine wolausgesonnene Allegorie diesen Gedanken nicht nur richtig ausdruke, sondern ihn noch stärker und nachdrüklicher sage, als bloße Worte es vermochten. Dies ist ein höchst schweerer Punkt. Ich will zur Erläuterung dieser Sach ein Beyspiehl anführen. Man hat ein Schaustük, das, wo ich nicht irre, auf den Erbstatthalter der vereinigten Niederlande, Wilhelm V, geprägt worden. Die besondere Veranlassung dazu ist mir nicht bekannt, und ich habe das Stük auch nicht bey der Hand. Nur erinnere ich mich, daß der Gedanken, den man hat vorstellen wollen, dieser ist: daß der Prinz vermöge des engen aber zwanglosen Bandes, das ihn an die vereinigten Republiken heftet, diese nicht als ein Herr beherrsche, sondern durch seinen Einfluß die Quelle einer dauerhaften Ordnung und des Wolstandes geworden. Der Gedanken ist an sich gut und wichtig. Die Allegorie, wodurch er sinnlich ausgedrukt wird, ist das Planeten System, das blos durch den Einfluß der Sonne, daurende Ordnung, Leben und Nahrung bekommt. Blos das allgemeine Gesez der Schweere, folglich ein ganz natürliches Band, verbindet darinn alles zusammen, und das Haupt, nämlich die Sonne, herrscht zwar, aber blos zum Wolthun, und nicht despotisch, indem sie selbst dem Zug der Planeten nachgiebt und beständig von diesen aus ihrer Ruhe gerükt wird. Dieses wird durch die Umschrift: Unus traho septem, trahorque ab illis, wol ausgedrukt. Die Allegorie ist vollkommen richtig und geistreich: aber sie ist etwas zu gelehrt, und denn hat sie mehr die Kraft [1019] eines Gleichnisses, als einer wahren Allegorie; sie drükt den Gedanken nur deutlicher, aber nicht nachdrüklicher aus, als Worte.

Von der eigentlichen Beschaffenheit solcher Allegorien, wie sie hier nöthig sind, haben wir bereits anderswo gesprochen1, und überlassen, um nicht gar zu weitläuftig zu seyn, die nähere Betrachtung dieser Sach einem andern Liebhaber der schönen Künste.

Die Kunst der Schaumünzen ist, wie die zeichnenden Künste überhaupt von den Griechen beynahe auf den höchsten Punkt der Vollkommenheit getrieben worden. Doch haben auch die Neuern etwas hinzugethan, und Werke gemacht, die mit den Alten um den Vorzug streiten. Aber hiervon sprechen wir in einem andern Artikel.2

Wir haben aber hier noch einiges anzumerken. Die großen Schaumünzen die einen erhöheten und aus Gliedern, die den Gliedern der Baukunst ähnlich sind, bestehenden Rand haben, werden insgemein Medaillen genennt, die kleinern aber, deren Rand wie in den größern gangbaren Münzsorten, kraus ist, bekommen insgemein den Namen Jettons, welches ohngefehr so viel bedeutet, als Zahl- oder Rechenpfennig. Es ist ein Vorurtheil zu glauben, daß eine Person mehr durch eine Medaille, als durch ein Jetton geehrt werde. Man könnte mit mehrerm Rechte das Gegentheil behaupten; denn die Ehre scheinet um so viel größer, je weiter eine Schaumünz ausgebreitet wird. Dieses aber geschieht durch Jettone besser; weil mehrere Menschen, des geringern Preises halber, sie kaufen, als große Medaillen. Eben so scheinet es, daß kupferne Medaillen, weil sie dem Einschmelzen weniger, als silberne und goldene unterworfen sind, einen Vorzug vor diesen haben.

Die vodere Seite, die insgemein das Brustbild oder den Kopf einer Person vorstellt, wird ofte mit dem französischen Wort Avers bezeichnet, die hintere, die den Gedanken darüber ausdrükt, heißt denn der Revers, und wenn auf dieser noch unten ein kleiner abgesonderter Raum ist, so bekommt er den Namen Exergue.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1017-1020.
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