[1106] Statue. (Bildhauer Kunst)
Mit diesem lateinischen Worte, für welches man euch das deutsche Wort Bildsäule brauchen könnte, benennt man die Werke bildender Künste, welche die menschliche Gestalt körperlich, das ist in ihrer völligen Bildung darstellen. Doch wird das Wort auch von solchen Abbildungen der Thiere gebraucht.
Unter welchem Volk und bey welcher Gelegenheit zuerst der Gebrauch aufgekommen sey, die Gestalt des Menschen in Holz, Stein, oder einer andern festen Materie durch die Kunst zu bilden und als ein Denkmal aufzustellen, ist ungewiß. Aus den Nachrichten des Herodotus1 sollte man schließen, daß die Aegyptier die ersten Statuen gemacht haben. Von der ersten Veranlassung dazu finden wir aber keine Nachricht.
Schon in dem hohen Alterthum finden sich aber doch Spuhren, daß verschiedene andre Völker, so wol im Orient, als in Kleinasien, Griechenland und Italien durch Kunst verfertigte Bilder gehabt haben. Es scheinet aber, daß die Liebhaberey an Statuen und die Kunst der Bearbeitung derselben in Griechenland zuerst in einen vorzüglichen Flor gekommen sey. Anfänglich wurden die verschiedenen Gottheiten in menschlicher Gestalt gebildet; nachher die berühmtesten Helden älterer Zeit und endlich auch kürzlich verstorbene und noch lebende Menschen, die man da durch ehren wollte, daß ihre Gestalt in Statuen abgebildet und an öffentlichen Orten aufgestellt wurden. Der Geschmak an Statuen der Götter und Menschen nahm unter den Griechen nach und nach so sehr überhand, daß nicht leicht eine andre Kunst mit dem Eyfer und Aufwand getrieben worden, die man auf die Bildhauerey gewendet hat; so daß Griechenland zulezt mit einer unzählbaren Menge von Statuen der Götter und Menschen angefüllt worden.
Die Römer scheinen in den ältern Zeiten der Republik nur einen mäßigen Gebrauch von Statuen der Götter und verdienter Männer gemacht zu haben. Nachdem sie aber mit den Griechen näher bekannt worden, und bey Gelegenheit verschiedener in Griechenland gemachter Eroberungen, viel griechische Statuen nach Rom gebracht hatten, wurd auch die Liebhaberey an diesen Werken der Kunst allmählig lebhafter und stieg so gar nach und nach bis zu einer Art von Raserey; so daß ein alter Schriftsteller sagt, man hätte zu einer Zeit mehr Statuen, als Einwohner, in Rom zählen können. Allein da es hier nicht um historische Nachrichten von den Statuen zu thun ist, so verweisen wir den Leser, der hierüber Unterricht verlangt, auf das, was Plinius im 34 Buch seiner Naturgeschicht hiervon sagt und auf Winkelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums.
Unsre Absicht geht hier auf allgemeine Betrachtungen über den Werth und Rang, den die Statuen unter andern Werken der Kunst behaupten können und über das Eigenthümliche ihres Charakters.
Ueber ihren gottesdienstlichen Gebrauch haben wir hier nichts zu sagen. Die Abbildung der Gottheit unter menschlicher Gestalt ist gegenwärtig nach dem Maaß der Erkenntniß unter uns, nicht mehr erträglich, und ich fühle auch nicht den geringsten Beruf dem Bilderdienst der im Calender stehenden Heiligen und Märtyrer das Wort zu reden. Also werden sich unsre Anmerkungen blos auf die allgemeinen sittlichen, und auf den politischen Gebrauch dieser Werke der Kunst einschränken.
Da die Statue ein Werk ist, das schon beträchtlichen Aufwand erfodert2; so ist auch izt ihr Gebrauch sehr eingeschränkt, kann aber eben deswegen [1106] desto wichtiger werden. Wir halten es für unnöthig von Statuen zu sprechen, die heidnische Gottheiten, oder andre allegorische Wesen vorstellen. Diese leztern könnten zwar wegen der geistreichen Erfindung und guten Ausführung ihren Werth haben. Wenn man aber die Kostbarkeit eines solchen Werks bedenkt, so scheinen sie eben nicht sehr zu empfehlen zu seyn.
Der beste und edelste Gebrauch der von Statuen zu machen ist, besteht ohne Zweifel darin, daß sie zu öffentlicher Verehrung großer Verdienste um ein ganzes Volk, und zur Reizung einer edlen Nacheyferung gebraucht werden. Zwar könnte man diesen Zwek auch schon durch andre Ehrenmäler erhalten; aber die Statue hat vor jedem andern Denkmal beträchtliche Vorzüge wegen der ausnehmenden ästhetischen Kraft, die in der menschlichen Gestalt liegt, wodurch die Statue nicht blos ein Zeichen, oder ein todtes Sinnbild der Tugend ist, sondern einigermaaßen die Tugend selbst sichtbar abbildet. Dadurch kann sie außer dem Ehrevollen, das sie hat, noch in andern Absichten nüzlich werden, wie schon anderswo angemerkt worden ist3. Wir sezen hier voraus, was wir schon einmal4 ausführlicher angemerkt haben, daß ein wahrer Künstler große Seelen in der menschlichen Bildung könne sichtbar machen. Geschieht dieses in der Statue, so ist sie nicht ein bloßes Denkmal; sondern würket auch auf die, die ihren Ausdruk zu empfinden im Stande sind, große Gedanken und Empfindungen, die ein anderes Denkmal nicht erweken kann.
Aus diesen Anmerkungen folget von selbst alles, was wir über die Art und Beschaffenheit dieses Werks der Kunst zu sagen haben. Sie stellt einen Menschen vor, der durch außerordentliche Verdienste verehrungswerth ist. Also muß sie an einem öffentlichen Orte, wo sie den Augen der meisten Menschen ausgesezt ist, auf ein genugsam erhaben Postament gesezt werden, und eine verhältnismäßige Größe haben. Gemeine Lebensgröße ist zu gering; wie weit man aber darüber gehen soll, muß durch den Plaz und die Erhöhung des Postaments bestimmt werden. Doch dieses betrift nur das Aeußerliche.
Nach dem innern Charakter muß die Statue zwar, so viel ohne Abbruch des wichtigern Theiles geschehen kann, die Leibesgestalt und Gesichtsbildung der Person vorstellen, aber das, wodurch sich dieselbe hauptsächlich verdient gemacht hat, die hohe Sinnesart, die eigentliche Größe des Geistes, oder Herzens, die den Hauptzug in dem Charakter ausmacht, muß vorzüglich darin ausgedrukt seyn, weil dieses wesentlicher ist, als die Aehnlichkeit. Also würde es hiebey hauptsächlich auf das Ideal ankommen, dem die Aehnlichkeit, wo es nöthig ist, weichen muß. Es muß sogleich in die Augen fallen, was man an dem Menschen, dessen Bild man sieht, zu verehren habe; ob es ausnehmende Redlichkeit und Güte, oder Standhaftigkeit in großer Gefahr, oder eine andere hohe Tugend, und Sinnesart ist. Daß dergleichen bestimmter Ausdruk möglich sey, sehen wir an einigen antiken Statuen der Götter und Helden, die das Ideal eines ziemlich genau bestimmten hohen Charakters ausdrüken. Viel antike Statuen der Gottheiten sind in der That nichts anders, als allegorische Vorstellungen ihrer Eigenschaften. Diese mußten durch menschliche Bildung ausgedrükt werden, weil außer der menschlichen Gestalt, in der Natur nichts sichtbares ist, das durch eine natürliche, nicht hieroglyphische Bedeutung, Eigenschaften eines denkenden Wesens ausdrükt. So ist Jupiter ein Bild der ernsten Hoheit mit Güte verbunden; Pallas ein Bild des höchsten Verstandes und der höchsten Weisheit u.s.f. Plinius sagt von einer Statue des Apollodorus, die Silanio gemacht hatte, sie habe nicht einen zornigen Menschen, sondern den zornigen Charakter selbst ausgedrükt.5 So sollten die Statuen großer Männer seyn.
Weil ein Charakter, wenn man ihn ganz fühlen soll, besser erkannt wird, wenn die Person in Ruhe, als wenn sie in einer einzelen bestimmten Handlung begriffen ist; so würden wir ruhige Stellungen, ohne bestimmte Handlung, zu den Statuen vorziehen. Dieses scheinen die Alten auch vorzüglich beobachtet zu haben. Nur in gewissen Fällen, wo die Größe des Charakters sich am besten in der Handlung zeiget, müßte Handlung gewählt werden. So würde [1107] Achilles besser fortschreitend, Alysses aber besser stehend, oder sizend gebildet werden. Bey ruhiger Stellung ohne Handlung wird man auch natürlicher Weise, auf die Beobachtung des ganzen Charakters, nicht auf eine einzige Handlung geführet.
Man siehet aber hieraus leicht, daß eine vollkommene Statue das höchste Werk des Genies und der Kunst sey. Darum haben auch die Griechen einen Phidias eben so bewundert, als irgend einen andern großen Geist. Aber da es gegenwärtig so ungewöhnlich ist, Verdienste fürtreflicher Männer durch Statuen zu verehren, und wenn es noch geschieht, der ganzen Veranstaltung die Hoheit und Feyerlichkeit, die zu solchen öffentlichen Handlungen nothwendig erfodert wird, meistentheils fehlet, folglich die Bildhauerkunst bey uns nicht in dem Glanz erscheinet, der ihr nöthig wäre, um große dazu tüchtige Genie in die rechte Würksamkeit zu sezen; so dürfen wir es uns nicht befremden lassen, daß in dieser Art so sehr selten etwas erscheinet, das den guten Statuen des Alterthums könnte zur Seite gesezt werden.
1 | Im II. B. |
2 | Eine Statue, die nicht viel über Lebensgröße und von gutem weißen Marmor ist, kann in einem Lande, das den Marmor nicht selbst hat, unter fünf bis sechs tausend Thalern nicht wol fertig gemacht und gesezt werden. Ist sie von Erzt, so sind die Kosten noch weit beträchtlicher. Von schlechten, aus geringem Sandstein, und oben hin, nach Antiken copirt, oder sonst ohne Genie gemacht, die man für zwey bis dreyhundert Rthlr. haben kann, ist hier nicht die Rede; weil wir sie für gar nichts halten. |
3 | S. ⇒ Schönheit. |
4 | S. Bildhauerkunst. S. 175. |
5 | Nec hominem (Apollodorum) ex ære fecit, sed iracundiam. Hist. Nat. L. XXXIV. c. 8. |
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