Spott

[1099] Spott. (Schöne Künste)

Ich stehe bey mir selbst an, ob ich dieses Wort brauchen könne, um das auszudrüken, was das lateinisch - griechische Wort Ironia bedeutet; denn es scheinet, daß der Spott ohne Ironie seyn könne, und daß die Ironie nicht immer spotte. Indessen haben wir für jenen Fall, die Worte auslachen und höhnen, und das Wort Spaß scheinet das leztere auszudrüken. Wie dem nun sey, so ist hier von der Ironie die Rede, die man braucht, um Personen, oder Sachen lächerlich zu machen: sie besteht darin, daß man etwas spricht oder thut, das unter dem unmittelbaren Schein des Beyfalls, oder Lobes, gerade das Gegentheil bewürket. Cicero speiste bey einem gewissen Damasippus, der seinen Gästen ziemlich schlechten und noch jungen und herben Wein vorsezte. »Trinken sie doch meine Herren, sagte der Wirth, es ist vierzigjähriger Falerner.« Cicero kostet ihn, und sagt: In der That der hat ein gesundes und frisches Alter.1 Dies ist Spott. Denn unter dem Schein, das vorgegebene Alter des Weines zu bestätigen, sagt er gerade das Gegentheil, um den Wirth desto lächerlicher zu machen.

Der Spott ist demnach eine besondere Art des Scherzes, der aus Zweydeutigkeit entsteht. Man giebt Beyfall oder Lob, wo man tadeln will; man stellt sich ernsthaft, wo man lachen, dumm wo man wizig seyn will. Er ist aber von vielerley Art, oder Kraft. Der gemäßigte Spott, der ohne ernstlichere Absichten blos zur Belustigung dienet, um ernsthaften Geschäften und Unterredungen etwas fröhliches zu geben. Er bewürkt blos ein sanftes Lächeln, und warnet die, gegen welche er gerichtet ist, mehr freundschaftlich, als drohend. Dergleichen mischte Sokrates sehr häufig in seine Gespräche, in dem er sich stellte, als ob er denen, die er belehren wollte, in ihren ganz unrichtigen Begriffen völlig beypflichtete. Diesem ist auch die Verstellung ähnlich, die den Fabulisten und andern Erzählern gewöhnlich ist, wenn sie ihre Schalkheit und Lust zu tadeln unter einen Ton der treuherzigen Einfalt versteken, wovon man bald in jeder Fabel des La Fontaine Beyspiehle findet.

Lustig ist der Spott, wenn man bloß scherzet, ohne beleidigen zu wollen. Als Cicero seinen Schwiegersohn Lentulus, der ein kleiner Mann war, mit einem großen Degen an der Seite sah, fragte er: Wer mag meinen Schwiegersohn an dies Schwerdt angebunden haben? Ueber solchen Spott, besonders, wenn die Sach etwas übertrieben ist, und man merkt, daß es auf keine würkliche Beschimpfung abgesehen ist, lacht allenfalls der, den er trift, auch noch mit.

So bald man aber die Absicht hat, würklich zu beleidigen, Personen und Sachen verächtlich zu machen, wird der Spott schon beißend, auch wol bitter, wenn man gewahr wird, daß der Spottende etwas aufgebracht ist.

Fein ist der Spott, wenn die Verstellung, die immer bey dem Spottenden ist, höchst natürlich und wahrscheinlich ist, so daß nur etwas Scharfsinnigere sie entdeken, oder wenn der Hauptbegriff, darin eigentlich die Zweydeutigkeit liegt, ohne Scharfsinn nicht zu merken ist. Frostig aber, oder stumpf ist er, wenn er nicht trift, oder nicht haftet; wenn das, was man damit lächerlich, oder verächtlich machen will, es nicht ist, oder sich doch durch den Spott nicht so zeiget.

Da das blos belustigende Spotten zum Scherz gehört, von dem wir gesprochen haben; so betrachten wir hier blos den beißenden Spott, der ernstliche Absichten hat.

Menschen von einigem Gefühl ist nichts schmerzhafter und unerträglicher, als sich verachtet zu sehen. Wer sich sonst für nichts mehr fürchtet, hat doch noch Scheuh für die Gefahr verachtet, und verlacht zu werden. Daher ist die Verachtung eine der empfindlichsten Strafen, womit man drohen, oder würklich züchtigen kann. Ist aber an einem Narren, oder Böswicht gar nichts mehr zu bessern; so [1099] ist die Verachtung, und Beschimpfung, der er ausgesezt wird, doch eine heilsame Warnung für andere.

Nun ist schweerlich irgend ein Mittel einen Menschen, der es verdienet, der Verachtung lebhafter auszusezen, als der Spott. Wer die Gabe zu spotten in einem etwas beträchtlichen Grad hat, kann Narren und Bösewichten sehr furchtbar werden. Darum gehöret sie auch unter die schäzbaren Talente der Redner und Dichter, zugleich aber unter die gefährliche Waffen, von denen ein höchst schädlicher Mißbrauch kann gemacht werden. Wie man durch recht beißenden Spott Narren, Heuchler und Bösewichte, so beschämen kann, daß sie sich nicht unterstehen, sich wieder auf einer öffentlichen Scene sehen zu lassen; so kann er auch auf eine meuchelmördrische Weise gegen Unschuldige, oder solche, die mehr Warnung, als Beschimpfung verdienen, gemißbraucht werden. Was wir von dem Gebrauch und Mißbrauch der Satyre gesagt haben2, kann auch hierauf gelten. Also ist es unnöthig sich hierüber besonders einzulassen.

Zum Glük ist die Gabe zu spotten etwas seltenes. Ohne mehr als gewöhnliche Urtheilskraft und sehr feinen Wiz kann sie nicht bestehen. Der Hauptspötter der izigen Zeit, ist wol Voltaire, der aber diese Gabe weit mehr gemißbraucht, als gut angewendet hat.

1Bene fert aetatem. Macrob. Sat. L II. c. 3.
2S. Oben S. 1000.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1099-1100.
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