Die Versezung eines ganzen Tonstüks, die insgemein Transposition genennt wird, besteht darin, daß ein ganzes Stük mit allen Stimmen um einen, zwey, drey, oder mehrere Töne höher, oder tiefer gesezt wird.
Diese Versezung wird zuweilen bey Wiederholung einer Oper nothwendig, wenn etwa ein Sopranist eine [1225] Arie, welche sonst ein Altiste zu singen hatte, singen soll. Bey diesem Vorfall hat man nur darauf zu sehen, daß man bey dieser Versezung statt des ersten Tones, darin die Arie gesezt gewesen, einen Ton wähle, der dem ersten in Ansehung der Intervalle am ähnlichsten ist. Die in dem Artikel Tonleiter befindliche Tabelle der Töne dienet die Aehnlichkeit der verschiedenen Tonleitern zu erkennen. Wenn ein Stük aus dem C dur ins D dur versezt wird, oder aus dem C dur gar um eine Quinte höher ins G dur, so ist die Versezung wegen der Aehnlichkeit der Tonleitern dieser verschiedenen Grundtöne, erträglich: hingegen ein Stük aus dem bE ins F oder aus dem F ins G, desgleichen von bE ins G, oder von G dur zurück ins bE dur versezt, verliehret wegen der Ungleichheit der Intervalle, seinen ganzen Charakter.
Diese Versezung verursachet in Ansehung der Instrumente beträchtliche Ungelegenheit, da sowol bey einer höhern als auch tiefern Versezung verschiedenen Instrumenten an beyden Enden, einige Töne entweder gar fehlen, oder höchst beschweerlich werden.
In Kirchen, wo die Orgeln Chorton haben, da die Instrumente in Cammerton stehen, ist jeder Spiehler verbunden, währendem Spiehlen zu transponiren. An einigen Orten beobachten die verschiedenen Instrumentisten folgende Art zu versezen. Die Violinisten spielen nach dem Tenorschlüssel, aber um eine Octave höher; die Altisten oder Bratschisten nach dem gemeinen Baßschlüssel, um eine Octave höher, und die Baßisten, nämlich Violoncell und Violon den C Schlüssel, auf der zweyten Linie des Notensystems, um eine Octave tiefer. Diese Versezungen geschehen dem Organisten zu gefallen, um ihm das Spiehlen des Generalbasses nicht noch schweerer zu machen; da ohnedem in den Kirchenstüken, besonders in Fugen, alle Augenblik andere Zeichen vorkommen, die einem schwachen Organisten, wenn er genöthiget wäre, die Begleitung eine Secunde tiefer zu nehmen, die Sache sehr sauer machen würden. An einigen Orten sind alle zur Kirchenmusik erfoderliche Instrumente nach der Orgel in Chorton gestimmt, haben aber die große Beschweerlichkeit, daß wegen der Höhe alle Augenblik bald hier, bald da die Sayten springen. Ueberdies klingen solche Instrumente wegen ihres rauschenden Tones höchst unangenehm.
Weit besser wär es, wenn der Organist allein transponirte: darin kann er durch die tägliche Uebung endlich eine hinlängliche Fertigkeit erlangen.
Die Mittel sich dieses zu erleichtern sind folgende: 1) Den ⇒ Baß spielt er Altzeichen um eine Octave tiefer. 2) Den ⇒ Tenor, Discantzeichen um eine Octave tiefer. 3) Den Alt, Baßzeichen um eine Octave höher. 4) Den ⇒ Discant, den so genannten französischen hohen Baß, wo der f Schlüssel auf der dritten Linie des Notensystems stehet. 5) Das Violinzeichen, den Tenor um eine Octave höher.
Auch die Choräle werden oft höher oder tiefer versezt. Dabey hat man besonders darauf Acht zu haben, daß die Lage der halben Töne, oder das Mi fa, in dem versezten Ton gerade so sey, wie in dem Ursprünglichen, weil sonst die Tonart würde verändert werden.
Alles was man hiebey zu beobachten hat, und wie man bey einem Choral erkennen könne, ob er in einer der gewöhnlichen Kirchentonarten gesezt, oder in eine andere transponirt sey, hat Murschhauser mit hinlänglicher Deutlichkeit auseinander gesezt.1
Von großen Nuzen ist es, wenn junge Spiehler sich fleißig üben, ein Stük aus viel andern Tönen, wo nicht gar aus allen Tönen durch Versezung zu spiehlen; weil dadurch ihnen alle Töne und Tonarten geläufig werden.
Eine Art der Versezung kommt auch im Contrapunkt vor, über die wir uns etwas umständlich erklären müssen, damit man Versezung und Umkehrung unterscheide.
Wenn man beym doppelten Contrapunkt saget, die Umkehrung sey in diesen oder jenen Contrapunkt, so verstehet man, daß die zwey Stimmen durch die Umkehrung vertauscht werden, so, daß die oberste Stimme zur untersten, und die unterste zur obersten wird. Wenn also durch den Contrapunkt in der Octave, Decime, Duodecime eine würkliche Umkehrung geschehen soll; so müssen die Stimmen vorher nicht weiter als eine Octave, Decime, oder Duodecime aus einander stehen; stehen sie weiter, so entstehet durch den Contrapunkt nur eine Versezung.
Diese contrapunctischen Versezungen sind nichts anders, als Wiederumkehrungen des doppelten Contrapunkts in der Octave, oder Doppeloctave. So [1226] entsteht aus dem Contrapunkt der Quinte durch die Wiederumkehrung in die einfachen Octave, die Versezung in der Quarte, und in der Doppeloctave die Versezung in der Undecime, wie in folgendem Beyspiehl zu sehen ist:
Hier verdient angemerkt zu werden, daß alle nur mögliche contrapunktische Versezungen aus den drey Contrapunkten der Octave, Decime und Duodecime herzuleiten sind, und daß alle übrigen Contrapunkte nicht ursprünglich sind, sondern in den Versezungen der obbenannten drey, die so mannigfaltiger Umkehrungen und Versezungen unter sich fähig sind, ihren Grund haben. So entsteht z.B. eine Versezung in die Sexte, wenn der Contrapunkt der Decime wieder in den der Duodecime umgekehret wird, der alsdenn durch die Versezung in der Octave, die Versezung der Sexte hervorbringt; oder näher, wenn man den Contrapunkt der Decime gleich in den der Quinte umkehrt: denn dieser hat seinen Grund in der Versezung des Contrapunkts der Duodecime, so wie der der Terz in der Versezung des Contrapunkts der Decime.
Es wird nicht unnöthig seyn, hier noch zu zeigen, wie man im doppelten Contrapunkt, sowol bey Umkehrungen, als bey Versezungen am leichtesten zu Werk gehe, um die dadurch verursachte Veränderung der Intervalle zu erkennen.
Bey würklichen Umkehrungen in den Contrapunkt der Octave, Decime und Duodecime verfahre man also: Man seze zu der Zahl, die den Contrapunkt anzeiget, eins zu, und nehme also für den Contrapunkt in der Octave die Zahl 9, für den in der Decime 11, und für den in der Duodecime 13, zum Grund an, und ziehe davon die Zahl, die der Name des Intervalls angiebt, ab; so zeiget der Rest das Intervall an, das durch die Umkehrung entsteht. So wird z.B. in dem Contrapunkt der Octave die Terz zur Sexte, nämlich: und die Quinte zur Quarte;
In dem Contrapunkt der Decime giebt die Octav eine Terz, die Quinte eine Sexte u.s.f. In dem Contrapunkt der Duodez die Octave eine Quinte, c ; die Terz eine Decime u.s.f.
Geschehen aber keine Umkehrungen, sondern Versezungen, so verfährt man hiebey auf folgende Art. Sezet man die unterste Stimme um eine Terz näher an die obere Stimme, so ziehet man von der Zahl, die das Intervall anzeiget, 2 ab, so ist der Rest die Zahl des durch Versezung entstehenden Intervalls; so wird z.B. aus der Decime die Octave, aus der Sexte die Quarte u.s.f. Eben so verhält es sich, wenn die oberste Stimme um eine Terz näher an die untere gesezt wird. Entfernet sich aber die eine Stimme von der andern um eine Terz, so wird die Zahl 2 addirt. Dadurch geschieht es, daß die Terz zur Quinte, die Octave zur Decime wird. Hieraus siehet man, daß bey Versezung um eine Quarte, Quinte, Sexte auf eine ähnliche Weise die Zahlen 3, 4 oder 5 zu addiren, oder zu subtrahiren sind.
Sowol die Umkehrungen der Contrapunkte in der Octav, Decime und Duodez, als auch die Versezungen, welche aus jenen entstehen, müssen denen, die Kirchenstüke sezen wollen, sehr geläufig seyn: Zum Fugensaz, ist dieses völlig nothwendig.
Diejenigen, welche sich in den drey Hauptcontrapunkten der Octave, Decime und Duodecime vollkommen geübet haben, werden ohne Mühe und Suchen immer andere Versezungen finden. Uebrigens merke man noch, daß die contrapunktischen Veränderungen, da eine Stimme unverändert bleibet, die andere aber um zwey, drey, oder mehr Stufen gegen sie herauf, oder von ihr herabgerükt wird, Versezungen, und nicht Umkehrungen sind. Folgende Beyspiehle dienen zur Erläuterung.
[1227] Diese contrapunktischen Versezungen unterscheiden sich von den Nachahmungen aller Arten, z.B. in der 2. 3. 4. 5. 6. etc. darin, daß bey den lezteren die zweyte Stimme gehen kann, wie sie will; da bey den contrapunktischen Versezungen eine Stimme, wie bey allen Contrapunkten, unversezt bleiben muß, oder höchstens nur eine Octave versezt wird.
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