Das Wort wird auf mehr, als eine Weise, als ein Kunstwort gebraucht. Durch Verwechslung der Harmonie, oder eines Accords verstehet man eine solche Versezung oder Umkehrung des Grundtones, und eines dazu gehörigen Intervalles, wodurch dieses Intervall in den Baß, und der eigentlich in den Baß gehörige Grundton des Accordes in eine obere Stimme kommt, wie wenn anstatt
dieses gesezt wird.
Der Dreyklang leidet eine doppelte Verwechslung, weil statt des Grundtones entweder die Terz, oder die Quinte in den Baß kann gesezt werden; im ersten Fall entsteht der Sextenaccord, im andern der consonirende Quartsextenaccord.1 Der Septimenaccord aber kann dreymal verwechselt werden, weil außer der Terz und Quinte auch die Septime statt des Grundtones in den Baß kommen kann; durch die erste Verwechslung entsteht der Quintsextenaccord; durch die zweyte der Terzquartaccord, und durch die dritte, der Secundenaccord, wie in den Artikeln über diese Accorde ist gezeiget worden. Bey allen diesen Verwechslungen, wird der Accord in seiner vollkommeren Gestalt, da nämlich der Grundton im Basse steht, der Grundaccord genennt.
Diese Verwechslungen sind aus dem doppelten Contrapunkt in der Octave entstanden, und so alt, als dieser: hernach aber hat man sie auch verschiedentlich, ohne zwey Stimmen durchaus gegen einander umzukehren, nur in einzelen Accorden gebraucht. Die Verwechslungen des Dreyklanges werden weit öfter, als dieser selbst gebraucht, der wegen seiner vollkommenen Harmonie, überall, wo er vorkommt, Ruhe, oder einen Einschnitt verursachet. Die Verwechslungen des Septimenaccords werden gebraucht, um die Kraft einer Cadenz etwas zu schwächen;2 endlich werden auch beyde Accorde oft in ihren Verwechslungen genommen, um dadurch bessere melodische Fortschreitungen zu erhalten.
Man muß aber immer dabey voraussezen, daß der Verwechslung ungeachtet, der eigentliche Grundaccord dem Gehör doch fühlbar bleibet; weil es durch die Art der Fortschreitung leicht unterscheidet, wie es den Accord nehmen soll. Ob also gleich dieser Accord einzeln oder allein angeschlagen
gerade so klingen kann, wie die erste Hälfte dieses Accordes,
so thut er im Zusammenhang doch eine ganz andre Würkung; indem eben daraus das Gehör im ersten Falle den Accord C, im andern aber den Accord E fühlt.
[1231] Der verwechselte Accord thut überhaupt die Würkung seines Grundaccordes, nur mit einiger Verminderung der Harmonie.
Bey diesen Verwechslungen hat man in dem vielstimmigen Saz und bey der Begleitung genau darauf zu sehen, was für Intervalle können verdoppelt werden. Man muß dabey allemal auf den Grundaccord zurük sehen, und nur die Intervalle verdoppeln, die in demselben verdoppelt werden können. Da nun in dem Dreyklang die Octave am sichersten und öftersten verdoppelt wird, die Terz seltener, und die Quinte noch seltener, so muß eben dieses mit den Intervallen geschehen, in welche bey der Verwechslung, Octave, Terz und Quinte verwandelt werden. Im vierstimmigen Saz z.B. im Sextenaccord, ist die Verdoppelung der Sexte, als der Octave des eigentlichen Grundtones, am sichersten und öftersten zu nehmen; bey dem Quartsextenaccord gilt dieses von der Quarte; weil sie da die Octave des eigentlichen Grundtones ist.
Daher siehet man auch, warum bey den Verwechslungen des Septimenaccords, die darin liegenden Consonanzen ofte gar nicht können verdoppelt werden, z.B. die Quinte in dem Quintsextenaccord; weil sie die Dissonanz des wahren Grundtones ist.
Eine andere Art der Verwechslung ist die, da eine Dissonanz nicht in der Stimme, wo sie vorbereitet gelegen hat, sondern in einer andern aufgelöset wird. Es geschiehet also dabey gleichsam ein Tausch, so, daß eine Stimme die Dissonanz einer andern, ehe die Auflösung vor sich gehet, übernihmt, und hernach auch die Auflösung in derjenigen Stimme geschiehet, welche die Dissonanz übernommen hat, wie hier:
Es geschiehet auch, daß eine Dissonanz in einer andern Stimme aufgelöset wird, wenn sie gleich vorher in diese Stimme nicht ist aufgenommen worden, wie hier:
Auch kann die Resolution noch länger verschoben werden, wenn zwey Verwechslungen vor sich gehen, ehe die Resolution erfolget, wie bey A. Eben dieses kann nach drey Verwechslungen geschehen, wie bey B, und dennoch kann am Ende, bey der Resolution, noch eine Verwechslung der Dissonanz durch eine andere Stimme geschehen, wie bey C.
Dergleichen Verwechslungen sind in den Recitativen oft höchst nothwendig, um einen Saz zu verlängern. Man hat in Recitativen, wo mehr als eine Stimme recitiret, solche Verwechslungen in allen Stimmen angebracht, und gemeiniglich werden auch die Auflösungen in diesen Fällen übergangen, daß also nach einem unresolvirten Saze gleich ein anderer dissonirender erfolget, dadurch wird ein Zuhörer in beständiger Unruhe und Erwartung einer Auflösung oder Ruhe unterhalten. Marcello in Venedig hatte es zu seinen Zeiten, da diese Art gewöhnlich war, so weit damit getrieben, daß geschikte Componisten Mühe hatten, deren Richtigkeit auf dem Papier zu entdeken.
Eine ganz gewöhnliche von vielen unbemerkte Verwechslung, geschiehet bey dem Sextenaccord, in welchem die Terz, anstatt daß sie unter sich treten sollte, über sich tritt, und der Baß die Resolution hat.
Buchempfehlung
Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro