Macht (2), die

[7] 2. Die Macht, plur. die Mächte, so wohl das Vermögen etwas zur Wirklichkeit zu bringen, als auch ein mit diesem Vermögen begabtes Ding.

1. Das Vermögen, oder die Kraft etwas zur Wirklichkeit zu bringen; ohne Plural.

1) Von der physischen oder natürlichen Kraft eines Dinges, für Kraft oder Stärke. Meine Macht ist schwach über meinem Seufzen, Hiob 23, 2. Ruben mein erster Sohn, du bist meine erste Kraft und meine erste Macht, 1 Mos. 49, 3. David aber und das ganze Israel spieleten vor Gott her aus ganzer Macht, 1 Chron. 14, 8. Die Stimme mit Macht aufheben, erheben, Es. 40, 9. In dieser Bedeutung ist es im gemeinen Leben am üblichsten. Der Kranke hat nicht so viel Macht, sich aufzurichten, nicht so viel Kräfte. Eine außerordentliche Macht haben, Leibesstärke. Einen Stein mit aller Macht aufheben. Alle seine Macht anstrengen. Mit aller Macht, oder aus ganzer Macht schreyen, laufen, arbeiten. Über Macht, mehr als die Leibeskräfte es verstatten. Sie liefen über Macht dem Walde zu. Ingleichen, eine vorzügliche Kraft. Diese Vorstellung drang mit Macht in meine Seele. Siehe Ohnmacht. In einigen Gegenden ist es auch im Plural üblich.[7] Aus allen Mächten, Oberd. Machten, d.i. aus allen Kräften. Schon Ottfried sagt vbar mine mahti, über meine Kräfte. Im Nieders. ist Wohlmagt die Gesundheit des Leibes.

In der R.A. über Macht essen oder trinken, scheinet es zunächst von mögen, Appetit haben, abzustammen. Im Nieders. ist Möge der Appetit. Elk sien Möge, chacun à son gout. Über Möge essen, über Macht, über seinen Appetit.

In der Deutschen Bibel wird dieses Wort häufig von Gott gebraucht, und da bedeutet es dessen höchstes Vermögen, das Mögliche ohne Mühe zur Wirklichkeit zu bringen, wofür man auch, und zwar am häufigsten, das Wort Allmacht gebraucht.

2) Von der vorzüglichen äußern Möglichkeit, das Beschlossene zur Vollziehung zu bringen.

(a) Überhaupt. So sagt man von jemanden, er habe eine große Macht, wenn er angesehene Freunde hat, durch welche er seine Absichten erreichen kann. Wehe denen die Schaden zu thun trachten, weil sie die Macht haben, Micha 2, 1. Indessen ist das Bey- und Nebenwort mächtig in diesem Verstande üblicher, als das Hauptwort.

(b) In engerer Bedeutung, eine genugsame Anzahl zu Führung der Waffen verpflichteter Menschen. Eine große Macht auf den Beinen haben, ein großes Kriegsheer. In dieser Bedeutung ist es in den zusammen gesetzten Kriegsmacht, Landmacht, Seemacht am üblichsten. Im Schwed. ist Magt gleichfalls das Kriegesheer. Es kann seyn, daß es in dieser Bedeutung zunächst zu dem Worte Menge gehöret, indem der Nasenlaut n gar oft ein müßiger Zusatz ist. Festus erklärt mactus durch magis auctus, und bey dem Plautus kommt mactare für vermehren vor. Der sonst ungewöhnliche Plural finde sich noch bey dem Opitz:


Der Saracen muß noch der alten Satzung achten,

Durch der Spahoner Zwang und der Stambolet Machten

, für Mächte.

(c) * Figürlich, Majestät, und äußeres Ansehen, Vorzug, Ehre überhaupt; eine veraltete Bedeutung, welche noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Aus dem Munde junger Kinder hast du dir eine Macht zubereitet, Ps. 8, 3. Die Sonne gehet auf in ihrer Macht, Richt. 5, 31.

3) Am häufigsten von dem sittlichen Vermögen, etwas zur Wirklichkeit zu bringen, d.i. von der Freyheit, dem Rechte und Befugnisse etwas zu vollbringen oder zu unterlassen. Es soll niemand Macht haben, das Volk zusammen zu fordern, 1 Macc. 14, 44. Die Obrigkeit hat Macht zu strafen und zu belohnen. Einem Macht geben etwas zu thun. Das stehet nicht in meiner Macht. Macht über Leben und Tod haben. Siehe auch Vollmacht.

2. Ein mit vorzüglicher Macht begabtes Wesen, wo es zuweilen von mächtigen Geistern und geistigen Wesen vorkommt.


Der in der Gottheit glaubt

Drey unterschiedne Machten, Opitz für Mächte.


– Verzeiht es, ihr stoischen Mächte,

Ihr Beherrscher der Seelen,

Zachar.


Am üblichsten ist es in dieser Bedeutung von souveränen mächtigen Staaten, sie seyen nun Königreiche oder Republiken; wo es auch im Plural die Mächte, im Oberdeutschen aber die Machten hat. Die Europäischen Mächte. Holland und England sind Seemächte. Die Macht Frankreich, d.i. der Staat, die Krone Frankreich.

Anm. Für Stärke schon im Isidor Magti, bey dem Notker und im Tatian in der gewöhnlichern Bedeutung für potentia, Maht, im Schwed. wo es auch das Blut bedeutet, Magt, bey dem Ulphilas Mahts, im Angels. Myht, Maeth, Meath, im Dän. und Nieders. Magt, im Engl. Might, im Pohln und Böhm. [8] Moc. Es stammet zunächst von dem Zeitworte mögen, können, und dem damit verwandten machen ab, und lautet im Nieders. auch Möge, im Schwed. Megn und Mågn. Das Alterthum dieses Wortes und seines Geschlechtes erhellet aus dem Lat. Majestas, Magistratus, Magister, und auch aus dem Griech. μεγας. S. Mögen und Mächtig, in welchem letztern sich der Begriff der Größe noch erhalten hat. In Schleswig ist die Macht der Geschwornen eine besondere Art Gerichte, welche aus dem Amtmanne als Landvogt, und den Kämmerern und Richtern der Kirchspiele bestehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 7-9.
Lizenz:
Faksimiles:
7 | 8 | 9
Kategorien: