[85] Anklage ist diejenige Handlung, wodurch Jemand vor Gericht einen Andern eines Verbrechens beschuldigt und auf dessen Bestrafung anträgt. Die Anklage nimmt im Strafverfahren dieselbe Stelle ein, welche im bürgerlichen Processe die Klage hat. Der Ankläger muß seine Behauptung beweisen und es wird zu diesem Zwecke ein förmliches Verfahren eingeleitet, welches man den Anklage- oder Accusationsproceß nennt. Dieser unterscheidet sich von dem Untersuchungs- oder Inquisitionsprocesse dadurch, daß der Richter die Wahrheit der vom Ankläger aufgestellten Behauptung nicht von Amtswegen zu untersuchen braucht, sondern daß ihm der Ankläger die Beweise des begangenen Verbrechens liefern muß. Geschieht Letzteres nicht, so wird der Angeklagte losgesprochen, der Kläger aber kann in alle Kosten des Verfahrens, nach Umständen auch zur Entschädigung und in eine angemessene Strafe verurtheilt werden. Der bloße Angeber oder Denunciant hat dies nicht zu fürchten, da er keinen Beweis zu führen hat, sondern blos seine Verdachtsgründe dem Richter anzeigt. Zur Anklage ist nicht blos Derjenige berechtigt, welcher durch das Verbrechen eines Andern verletzt worden ist, sondern überhaupt jeder Staatsbürger, weil mittelbar ein Jeder dabei interessirt ist, daß die Gesetze aufrecht erhalten werden. Da aber die Beweisführung oft schwierig und die nicht unmittelbar verletzten Personen selten geneigt sind, den Ankläger zu machen, so hat der Staat gewisse Beamte angestellt, welche verpflichtet sind, die Stelle des Anklägers im Namen des Staats zu übernehmen. Solche Beamte heißen Kronanwälte, Fiscale, Generaladvocaten oder Staatsprocuratoren. Das Verfahren im Anklageproceß ist meistens öffentlich und mündlich und besitzt deshalb den Vorzug persönlicher Sicherheit und einer zweckmäßigen Kürze. Schon die Römer kannten dies Verfahren; in Deutschland ist es jedoch, obschon sich das röm. Recht hier allgemeinen Eingang verschaffte, außer Gebrauch gekommen.