Austrägalgerichte

[155] Austrägalgerichte Austrag nannte man sonst die Erledigung einer Streitsache der höhern Stände Deutschlands durch gütlichen Vergleich oder rechtliche Entscheidung, insbesondere durch Schiedsrichter, im Gegensatze der Beilegung eines Streites mittels der Waffen. Die Schiedsrichter wurden anfangs nur für den einzelnen Fall gewählt; bald aber vereinigten sich viele Familien im Voraus über einen Schiedsrichter zur Schlichtung ihrer Streitigkeiten in allen vorkommenden Fällen. So entstanden stehende Austräge, welche von dem wohlthätigsten Einflusse waren, so lange es in Deutschland kein oberstes Reichsgericht gab. Aber auch nachdem das Reichskammergericht eingesetzt war, zogen es die höhern Stände doch vor, von selbstgewählten Austrägen gerichtet zu werden und ließen sich die Austrägalgerichte nicht nehmen, bei welchen namentlich die Kur- und andere Fürsten stets in erster Instanz belangt werden mußten. Auch erhielten zuweilen Reichsstädte durch den Kaiser dieses Vorrecht. Mit dem Aufhören des deutschen Reiches nahmen auch diese Austrägalgerichte ein Ende; allein der deutsche [155] Bund stellte sie in veränderter Form wieder her und in der Bundesacte wurde namentlich festgesetzt: »Die Bundesglieder machen sich verbindlich, einander unter keinerlei Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung anzubringen. Dieser liegt alsdann ob, die Vermittlung durch einen Ausschuß zu versuchen, falls aber dieser Versuch fehlschlagen sollte und demnach eine richterliche Entscheidung nothwendig würde, solche durch eine wohlgeordnete Austrägalinstanz zu bewirken, deren Ausspruch sich die streitenden Theile sofort zu unterwerfen haben.«

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 155-156.
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