[308] Brahmā heißt im Sanskrit, der alten nicht mehr gebräuchlichen Sprache der Hindus, worin die vier Wedas oder ihre Religions- und Gesetzbücher abgefaßt sind, der Göttliche, und ist der Name des ersten der drei obersten Götter der Inder, von denen der zweite Siwa, der dritte Wischnu genannt wird. Obgleich in ältern Zeiten dem Brahma Tempel gewidmet gewesen sein sollen, sind doch jetzt nur die beiden andern Götter Gegenstände des öffentlichen Gottesdienstes der Inder, welche Brahma, der gewöhnlich in Menschengestalt mit vier Köpfen und auf einem schwimmenden Schwane sitzend abgebildet wird, als den Schöpfer der Welt, Wischnu als den Erhalter, Siwa als den Zerstörer derselben betrachteten. Der letztere wird von Blitzen umgeben und mit drei Augen und acht Armen dargestellt, Wischnu aber unter den mannichfaltigsten Menschen- und Thiergestalten, in denen er auf Erden erschienen sein soll. Von Brahma stammen auch die vier Kasten oder erblichen Stände her, bei denen jeder darin Geborene bleiben muß, indem Brahma aus seiner Schulter einen Krieger, aus seinem Schenkel einen Ackersmann, aus dem Fuße einen Sklaven zum Diener Aller, aus seinem Haupte aber einen Brahminen oder Priester schuf, dem er die vier Wedas übergab und ihn beauftragte, sie den Menschen zu lehren. Von ihm stammen angeblich die Brahminen ab, welche bei den Hindus die erste und vornehmste Kaste bilden, der Priesterwürde allein fähig sind und allein die Wedas lesen und erklären dürfen. Sie theilen sich in mehre Classen, in denen sie stufenweise zur höchsten Würde aufrücken und führen eine beschauliche, strenge Lebensweise. Bei den indischen Herrschern bekleiden sie häufig hohe Staatsämter und genießen der größten Auszeichnung; ihre Aussprüche sind entscheidend, ihre Personen geheiligt und selbst wenn sie Verbrechen begangen haben, darf sie Niemand tödten.