Näherrecht

[237] Näherrecht oder Retract ist das Recht, in die Stelle des Käufers eines Grundstücks oder einer Gerechtsame, auch wider dessen Willen einzutreten. Die Ausübung dieses Rechts setzt stets einen bestimmten Rechtsgrund und die Übernahme sämmtlicher Verbindlichkeiten des verdrängten Käufers voraus. Es verdankt seine Entstehung altdeutschen Rechtsansichten und wurde zum Vortheil derjenigen Classen eingeführt, welche zugleich auf die Gesetzgebung und Rechtsausbildung den meisten Einfluß hatten. Im Laufe der Zeit ist dieses Recht auf die verschiedenartigsten Verhältnisse zur Anwendung gebracht, da es indeß häufig sehr nachtheilig auf den Verkehr einwirkt und mit den Ansichten der neuern Zeit über die Rechte der verschiedenen Classen der Staatsbürger nicht mehr übereinstimmt, durch spätere Gesetzgebungen theils aufgehoben, theils sehr beschränkt worden. Zu den hauptsächlichsten Arten des Retractrechts gehört die Erblosung, als das Recht der Verwandten des Verkäufers, in den Verkauf einer an einen Nichtverwandten veräußerten Sache einzutreten; ein ähnlicher Vorzugstand steht dem Adel gegen den Nichtadeligen, dem Bürger gegen dem Nichtbürger, dem Inländer gegen den Ausländer, dem Nachbar gegen den Nichtnachbar u.s.w. darin zu.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 237.
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