Rennthier

Rennthier

[675] Rennthier (das) gehört zu den geweihtragenden, wiederkäuenden Säugthieren, ist im hohen Norden von Europa, Asien und Amerika heimisch, wo es theils wild, theils als das unentbehrlichste und nützlichste Hausthier der Lappländer, Samojeden und Grönländer vorkommt.

Es ist das einzige gezähmte Thier aus der Gattung der Hirsche, kommt an Größe und Gestalt dem Edelhirsche (s. Hirsch) sehr nahe, trägt aber den Kopf weniger aufgerichtet als dieser und mehr vorwärts gestreckt, wie die Rinder. Männchen und Weibchen sind mit Geweihen geziert, welche runde und bisweilen 3–4 F. lange, rückwärts gerichtete Stangen mit handförmigen Ästen haben; ihr dichter Pelz sieht im Sommer und an jungen Thieren braungrau, wird aber im Winter und im Alter immer weißlicher. Die Nahrung der Rennthiere besteht im Sommer aus Gras, Laub und Knospen der Bäume und Sträucher, im Winter fast ausschließlich aus Flechten und dem nach ihnen benannten Rennthiermoose, die sie auch als Hausthiere selbst aufsuchen und mittels ihrer Geweihe und Hufe unter dem tiefen Schnee hervorscharren müssen. Sie leben gesellig in zahlreichen Heerden, dienen gezähmt als Zugthiere vor den Schlitten, im Sommer als Lastthiere und können in einem Tage gegen 20 deutsche Meilen zurücklegen; ihre Milch, aus der auch Butter und Käse bereitet wird, ihr Fleisch und das als Suppe sowie zu Würsten verwendete Blut sind beliebte Nahrungsmittel. Aus den dichtbehaarten Fellen der Rennthiere machen jene Nordländer sich fast ihre ganzen Winteranzüge, benutzen sie zu ihrem Lager und zur Verdichtung der Wände ihrer Zelthütten. Aus den Rennthierklauen und -Knochen verfertigen sie Trinkgefäße, Löffel und andere Geräthe, sogar ihre Nähnadeln, und die Sehnen der Rennthiere dienen ihnen als Zwirn. Eigenthümlich geformt sind die Rennthierschlitten; sie gleichen dem Vordertheil eines kleinen Kahnes, sind sehr niedrig, nicht breiter als ein Stuhl und werden immer blos von einem Rennthier gezogen, das mittels nur eines Riemens daran gespannt ist, welcher unter dem Bauche und zwischen den Füßen desselben hindurchgeht und vorn unter der Brust an eine Art Kummet von Rennthierfell befestigt ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 675.
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